2012-08-15 13:53:00

Russland/Polen: Heikle Versöhnung


RealAudioMP3 Die russisch-orthodoxe und die polnische katholische Kirche wollen am Freitag eine gemeinsame Erklärung unterzeichnen – und damit eine russisch-polnische Versöhnung auf den Weg bringen. Vorbild dafür ist der historische Briefwechsel zwischen deutschen und polnischen katholischen Bischöfen am Rand des Zweiten Vatikanischen Konzils 1965. Ab Donnerstag reist zum ersten Mal der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. von Moskau in ein mehrheitlich katholisches Land, und zwar nach Polen. Er wird die Erklärung zusammen mit dem Vorsitzenden der katholischen Bischofskonferenz Polens unterzeichnen. Der Geistliche Wojciech Polak ist Generalsekretär dieser Bischofskonferenz; er sagte im Gespräch mit Radio Vatikan:

„Ich glaube, dass das ein wirklich wichtiges Ereignis für Polen wie für Russland wird – nicht nur für die Kirchen, sondern für alle Polen und Russen. Es sind die größten Kirchen beider Nachbarländer, die diese Erklärung abgeben; in Polen ist das die katholische, in Russland die orthodoxe Kirche. Ein Prozess der Versöhnung soll in Gang kommen, der vom Evangelium ausgeht – ein Prozess, der natürlich seine Zeit brauchen wird, bis er die Gewissen und das Leben der Völker erreicht.“

Die Versöhner sind allerdings, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ formuliert, geradezu „in einem Minenfeld der Ressentiments unterwegs“. Die nationalkonservative polnische Opposition um Jaroslaw Kaczynski kann den versöhnlichen Tönen Moskau gegenüber gar nichts abgewinnen; ihr scheint Kyrills Polenbesuch „beinahe so dramatisch wie die Ankunft des Antichrist im Garten Eden“. Nur kurz vor dem Kommen des Patriarchen hat ein bekannter Weggefährter Kaczynskis seinen eigenen Bericht zum Flugzeugabsturz von Smolensk vorgestellt, bei dem vor zwei Jahren fast hundert polnische Politiker auf russischem Boden ums Leben kamen. Für den Spitzenvertreter der polnischen Rechten war Smolensk ein russischer Mordanschlag auf Polens Elite.

„Man muss ehrlich sagen, dass das Dokument nicht die historischen Zweifel beseitigen kann, die es weiterhin gibt und die mit der Zeit und auch mit Ehrlichkeit gelöst werden müssen, mithilfe der Wahrheit und einer allmählichen inneren Bekehrung. Unser Dokument ist der Anfang eines Prozesses, und die erhoffte Versöhnung muss auf der Wahrheit fussen – auch auf der historischen Wahrheit! Darum lädt es uns und vor allem die Historiker ein, weiter die Schwierigkeiten der Vergangenheit zu durchleuchten und zu klären. Diese Arbeit wird Jahre dauern, und die Wahrheit muss nicht nur neu entdeckt, sondern auch von beiden Seiten sorgfältig dargestellt werden.“

Nicht nur um die Smolensk-Katastrophe geht es dabei, sondern um viel ältere Wunden im polnisch-russischen Verhältnis. Es ist im Moment ähnlich zerrüttet, wie es das polnisch-deutsche Verhältnis einmal war. „Russland hat“ – so urteilt ebenfalls die „Frankfurter Allgemeine“ – „seit 1945 viele Gelegenheiten ausgelassen, für die Verbrechen Stalins und seiner Nachfolger Verantwortung zu übernehmen“.

„Also, der Weg fängt überhaupt erst an, aber wir hoffen doch, dass er in Zukunft die Herzen verändern wird, auch was die politischen Beziehungen zwischen beiden Ländern betrifft.“

(rv 16.08.2012 sk)








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