Die russisch-orthodoxe
und die polnische katholische Kirche wollen am Freitag eine gemeinsame Erklärung unterzeichnen
– und damit eine russisch-polnische Versöhnung auf den Weg bringen. Vorbild dafür
ist der historische Briefwechsel zwischen deutschen und polnischen katholischen Bischöfen
am Rand des Zweiten Vatikanischen Konzils 1965. Ab Donnerstag reist zum ersten Mal
der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. von Moskau in ein mehrheitlich katholisches
Land, und zwar nach Polen. Er wird die Erklärung zusammen mit dem Vorsitzenden der
katholischen Bischofskonferenz Polens unterzeichnen. Der Geistliche Wojciech Polak
ist Generalsekretär dieser Bischofskonferenz; er sagte im Gespräch mit Radio Vatikan:
„Ich glaube, dass das ein wirklich wichtiges Ereignis für Polen wie für
Russland wird – nicht nur für die Kirchen, sondern für alle Polen und Russen. Es sind
die größten Kirchen beider Nachbarländer, die diese Erklärung abgeben; in Polen ist
das die katholische, in Russland die orthodoxe Kirche. Ein Prozess der Versöhnung
soll in Gang kommen, der vom Evangelium ausgeht – ein Prozess, der natürlich seine
Zeit brauchen wird, bis er die Gewissen und das Leben der Völker erreicht.“
Die
Versöhner sind allerdings, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ formuliert, geradezu
„in einem Minenfeld der Ressentiments unterwegs“. Die nationalkonservative polnische
Opposition um Jaroslaw Kaczynski kann den versöhnlichen Tönen Moskau gegenüber gar
nichts abgewinnen; ihr scheint Kyrills Polenbesuch „beinahe so dramatisch wie die
Ankunft des Antichrist im Garten Eden“. Nur kurz vor dem Kommen des Patriarchen hat
ein bekannter Weggefährter Kaczynskis seinen eigenen Bericht zum Flugzeugabsturz von
Smolensk vorgestellt, bei dem vor zwei Jahren fast hundert polnische Politiker auf
russischem Boden ums Leben kamen. Für den Spitzenvertreter der polnischen Rechten
war Smolensk ein russischer Mordanschlag auf Polens Elite.
„Man muss ehrlich
sagen, dass das Dokument nicht die historischen Zweifel beseitigen kann, die es weiterhin
gibt und die mit der Zeit und auch mit Ehrlichkeit gelöst werden müssen, mithilfe
der Wahrheit und einer allmählichen inneren Bekehrung. Unser Dokument ist der Anfang
eines Prozesses, und die erhoffte Versöhnung muss auf der Wahrheit fussen – auch auf
der historischen Wahrheit! Darum lädt es uns und vor allem die Historiker ein, weiter
die Schwierigkeiten der Vergangenheit zu durchleuchten und zu klären. Diese Arbeit
wird Jahre dauern, und die Wahrheit muss nicht nur neu entdeckt, sondern auch von
beiden Seiten sorgfältig dargestellt werden.“
Nicht nur um die Smolensk-Katastrophe
geht es dabei, sondern um viel ältere Wunden im polnisch-russischen Verhältnis. Es
ist im Moment ähnlich zerrüttet, wie es das polnisch-deutsche Verhältnis einmal war.
„Russland hat“ – so urteilt ebenfalls die „Frankfurter Allgemeine“ – „seit 1945 viele
Gelegenheiten ausgelassen, für die Verbrechen Stalins und seiner Nachfolger Verantwortung
zu übernehmen“.
„Also, der Weg fängt überhaupt erst an, aber wir hoffen
doch, dass er in Zukunft die Herzen verändern wird, auch was die politischen Beziehungen
zwischen beiden Ländern betrifft.“