Assads Macht bröckelt, und Modelle für das „Danach“ werden nun immer hörbarer. Einen
umfassenden Friedensplan für Syrien hat jetzt der syrisch-orthodoxe Metropolit von
Aleppo, Mar Gregorios Ibrahim, vorgelegt. Das berichtet die Stiftung „Pro Oriente“,
in der Gregorios Ehrenmitglied ist. Die Lösung der Krise, die bisher mehr als 25.000
Opfer gefordert hat, müsse „von innen und von außen“ kommen, so der Metropolit.
„Motive
der Protestbewegung ernst nehmen“ Jede Lösung könne nur dann dauerhaft
sein, wenn sie die Motive der Protestbewegung ernst nehme und die Rolle des Rechts
betone, um Sicherheit und Stabilität wiederherzustellen, so der Metropolit bei einer
interreligiösen Friedenskonferenz in Japan. Nach wie vor gehe es darum, einen dauerhaften
Waffenstillstand zu erzielen und den Alltag der Syrer in die Normalität zurückzuholen,
die dringend notwendige humanitäre Hilfe in allen Landesteilen zu sichern und allen
Bürgern, die vertrieben wurden, die Rückkehr in ihre Heimatorte zu ermöglichen. Der
Metropolit plädiert für einen „Runden Tisch“ aller Gruppen, die an den blutigen Auseinandersetzungen
in Syrien beteiligt sind, „einschließlich der Oppositionsgruppen im In- und Ausland“.
Das Ergebnis des „Runden Tisches“ müsse die Etablierung eines „Nationalrates“ in Syrien
sein, dessen zentraler Auftrag es sei, „Vertrauen und Respekt“ unter allen Bürgern
wiederherzustellen. Insbesondere gehe es dabei um die Festlegung von Grundprinzipien
einer neuen Verfassung, die allen Bürgern gleiche Rechte sichert, um die Entwicklung
eines Programms für die künftige Innen- und Außenpolitik Syriens, um die Überwindung
der Spaltungen in der Armee und um die Ausarbeitung eines „Verhaltenskodex“ für die
Sicherheits- und Geheimdienste zur „Verhinderung der Fehler der Vergangenheit“. Für
eine „moderne Verfassung“ Ein solcher „Nationalrat“ habe die Aufgabe, eine
Regierung der nationalen Einheit zu bilden, in der alle Gruppierungen vertreten sein
sollten. Die wichtigsten Aufgaben dieser Regierung seien die Abhaltung von „freien
und fairen Wahlen“ für ein neues Parlament sowie die Einsetzung einer Kommission zur
Entwicklung einer „modernen Verfassung“. Diese Verfassung solle sich nicht an den
in der Vergangenheit in den meisten arabischen Staaten üblichen Hegemonialprinzipien
orientieren. Weitere Aufgaben der Regierung wären nach Vorstellung des Metropoliten
die Erarbeitung eines neuen Parteiengesetzes, das die Beteiligung der Parteien am
„politischen Leben eines neuen Syrien“ regelt, und die Vorbereitung der Wahl eines
Präsidenten, der „imstande ist, die Interessen Syriens aufrecht zu erhalten und einen
sicheren, stabilen, friedlichen und demokratischen Staat aufzubauen“. „Menschen
wollen mehr soziale Gerechtigkeit“ Entschieden wendet sich der Metropolit
von Aleppo gegen alle Kräfte, die einen konfessionellen Bürgerkrieg wollen, aber auch
gegen UNO-Sanktionen, „die das Volk mehr treffen als das Regime“, gegen eine militärische
Intervention auf Grund eines Beschlusses des UNO-Sicherheitsrates und gegen alle Tendenzen
zur Aufspaltung Syriens nach religiösen, ethnischen, kulturellen oder sprachlichen
Kriterien. Die große Mehrheit der Menschen in Syrien wolle einen einzigen Staat als
Heimat für alle. Zudem wünschten sich die Menschen die Ausdehnung der Freiheitsräume
und die Sicherung des religiösen und kulturellen Pluralismus. Wörtlich betonte Mar
Gregorios: „Sie wünschen sich eine Aufwertung der Religionsfreiheit, sie möchten mehr
Würde und die Verankerung des Konzepts der Bürgerschaft. Sie verlangen mehr soziale
Gerechtigkeit, die Herrschaft des Gesetzes, die Entwicklung einer Zivilgesellschaft,
Einheit und Koexistenz“. Die Mehrheit wolle zusammenarbeiten und stehe gegen jene
Kräfte, „die Chaos und Anarchie propagieren“, um das Konzept der nationalen Einheit
zu zerstören. Chaos kommt auch von Korruption Dass Syrien, ein
Land mit einer so reichen Geschichte und Kultur, geprägt von „gesunder Pluralität
und beispielhaftem Zusammenleben“, heute ein solches Chaos ertragen müsse, führt der
Metropolit auf die „langanhaltenden und inakzeptablen Untaten“ einiger syrischer Verantwortlicher
seit den 1980er Jahren zurück. Nach und nach seien viele Bereiche des Staates von
Korruption vergiftet worden. „Willkürliche Entscheidungen einiger Sicherheitsdienste“
hätten dann den Zündfunken gebildet. Die Syrer seien - angesichts der Auswirkungen
des „Arabischen Frühlings“ - nicht mehr bereit gewesen, eine „neue Welle der Repression“
zu akzeptieren. Die Demonstrationen seien letztlich von der Überzeugung ausgelöst
worden, dass es mit den Ideen des „Arabischen Frühlings“ möglich sei, die Korruption,
das Hauptübel der syrischen Gesellschaft, zu überwinden.