Jesuiten-Oberer: Ein Ki für Gefahr, ein Ki für Chance
Es hat Seltenheitswert,
dass der Generalobere der Jesuiten einmal ein Interview gibt. Jetzt hat sich Adolfo
Nicolás SJ im Gespräch mit Radio Vatikan zum Thema Finanz- und Wirtschaftskrise geäußert.
Und dabei einen „Rettungsschirm“ besonderer Art vorgeschlagen: die Familien nämlich.
Sie zeigten der größeren Familie, nämlich der Menschheitsfamilie, einen Ausweg aus
der Krise.
„Man kann schon sagen, dass die Familie dafür eine gewisse Basis
sein kann. Und mir scheint da auch der Vergleich zwischen Familie und Menschheit wichtig.
In der Familie zuhause lernt man, sich selbst weniger wichtig zu nehmen. Es ist keine
einseitige Beziehung, die man da einübt, sondern eine, die auf Interaktion und auf
Gegenseitigkeit beruht: Man darf nicht egoistisch sein. Und ich glaube, dass wir das
auch in der Menschheitsfamilie jetzt immer stärker lernen.“
Wie Papst Benedikt
in seiner berühmten Rede im Deutschen Bundestag 2011 sieht auch Nicolás das gesteigerte
Interesse am Schutz der Umwelt als einen Beleg dafür, dass der Menschheit ihre geteilte
Verantwortung immer klarer wird.
„Wir sehen doch immer deutlicher, wie wichtig
die Ökologie für die Familie der Menschheit ist. Es ist nicht nur die Natur, wie Luft
oder Wasser, die Schaden nimmt; es sind nicht nur andere Lebewesen wie die Gorillas,
denen wir schaden. Es sind immer alle betroffen – und als Menschheitsfamilie lernen
wir dadurch auch, was wir uns als Menschheit selbst bedeuten. Zu Zeiten des heiligen
Ignatius ging man wie heute durch einen enormen historischen Wandel, einen kulturellen
wie gesellschaftlichen Wandel. Man musste die alten Gewißheiten fahrenlassen – z.B.
dass man immer vom kleinen, begrenzten Europa ausging. Aber heutzutage ist Europa
so klein, und wir wissen jetzt, dass Asien unglaublich reiche Kulturen besitzt...
und wir sind eigentlich gerade erst dabei, den Reichtum, die Tiefe und die Werte der
Menschen in Afrika zu entdecken. Diese Blickerweiterung kann uns Hoffnung geben: Wir
können daraus neuen Elan, neue Perspektiven, einen neuen Horizont erschließen.“
Die
Krise ist für den „Schwarzen Papst“, wie er manchmal in den Medien genannt wird, also
vor allem eine Gelegenheit, sich aufs Menschliche zurückzubesinnen und die Perspektive
zu ändern.
„Die Krise ist eine neue Möglichkeit. Auf Chinesisch, Japanisch
und auch auf Koreanisch heißt Krise „Kiki“: Das erste „Ki“ steht darin für Gefahr,
das zweite hingegen bedeutet „Chance“. In diesen Traditionen ist es also ganz klar,
dass wir durch eine Krise wachsen, wie ein Mensch auch wächst. Ich selbst denke von
mir, dass ich in meinem Leben gerade aus den schwierigsten Situationen heraus immer
am meisten gewachsen bin. Wenn stetig alles glatt verläuft (wie wir vor 30 Jahren
noch dachten, dass es das würde), dann wächst man wenig. Aber jetzt, wo die Dinge
kompliziert sind, haben wir die Möglichkeit, das Allermenschlichste zu vertiefen,
und was das Ehrlichste ist, das in jedem von uns steckt.“