„Politik im Kongo
geschieht nicht durch Dialog, sondern immer nur durch ein kompliziert ineinander versponnenes
Netzwerk von Politik, Militär und Wirtschaft.“ Fiona Byrne ist Konfliktforscherin
beim Heidelberg Institute for International Conflict Research und spezialisiert auf
die Demokratische Republik Kongo mit dem Krisengebiet des Nordkivu. Historisch gesehen
lägen vor allem der Imperialismus und die Kolonialisierung der westlichen Großmächte
am Ursprung der heutigen Situation. Erschwerend komme hinzu, dass viele westliche
Handelspartner auch vom Mineralölhandel mit dem Kongo profitierten und somit an den
Vorkommnissen im Krisengebiet nicht unbeteiligt seien. Gleichzeitig seien die westlichen
Möglichkeiten, im Kongo etwas wiedergutzumachen, ziemlich begrenzt. Das erfuhr unsere
Redakteurin Christine Seuss im Gespräch mit der Konfliktforscherin.
„Es
ist immer schwierig von außen, als Europäer, einzugreifen, zumal meiner Meinung nach
dort viel falsch gemacht wurde. Viele Entwicklungen, die wir heute sehen, lassen sich
noch auf den Kolonialismus zurückführen und auf eine fehlende Staatlichkeit, die sich
natürlich auch selbst weitergeführt hat. Bezogen auf den Kongo hat sich auch hier,
nach dem Abzug der Belgier und der Unabhängigkeit, das Muster der fehlenden Staatlichkeit
und des Regierens durch Patronage einfach weiter durchgezogen, und das bis heute.“
Auf
dieselbe Art und Weise, wie der Diktator Mobutu seinerzeit regierte, sei auch danach,
in immer wiederkehrenden Mustern unter Laurent Kabila wie unter dem aktuellen Präsidenten
Joseph Kabila, die Unterdrückung des Volkes weiter getrieben worden. Die Verstrickungen
der Patronage-Netzwerke und die Verflechtungen von Gewalt, Politik und Wirtschaft
müsse der Staat gemeinsam mit der Gesellschaft selbst lösen, findet Fiona Byrne. Sicherlich
könnten Bestimmungen wie der im Juli von Präsident Barack Obama in den Vereinigten
Staaten verabschiedete „Dodd-Frank Wall Street Act“ dabei helfen. Dieser enthält
auch einen Paragraphen, der den Handel mit Konfliktmineralien aus dem Kongo transparenter
machen will. Die westlichen Handelspartner seien aber nur die eine Seite.
„Allerdings
muss auch von der anderen Seite, im Kongo selbst, genau das Gleiche passieren. Es
wird immer noch mehr Gold, Coltan usw. durch Ruanda und Uganda aus dem Kongo geschmuggelt,
als tatsächlich legal verkauft wird. Natürlich müssen wir etwas dagegen tun, aber
man kann von außen eben nur begrenzt eingreifen. Vor allem muss man, wenn man unterstützen
will, die Kongolesen in ihren eigenen Vorhaben unterstützen.“
In Kampala,
der Hauptstadt Ugandas, versammelt sich an diesem Dienstag die Internationale Konferenz
Große Seen (ICGLR), um über die Konfliktsituation und die Sicherheit im Krisengebiet
Kongo zu beraten. Fiona Byrne hält es allerdings auch für wichtig, das Land von innen
heraus zu sanieren. In dieser Lage seien katholische Initiativen wie der „Marsch der
Hoffnung“ von Anfang des Monats eine Art und Weise, den sonst nicht an der Politik
beteiligten Bürgern eine Stimme zu geben.
„Das Problem im Kongo bleibt jedoch,
dass dort eine Zivilgesellschaft fehlt und Politik eben nur von oben gemacht wird,
während die Bevölkerung kaum Einfluss hat. Allerdings, wenn sich dann Tausende Katholiken
zusammen tun und so einen Marsch der Hoffnung veranstalten, dann ist das für den Kongo,
und ganz besonders für die Kivuregion, schon ein sehr starkes Zeichen.“
Auch
die Caritas setzt im Prozess der Konfliktlösung bei den kongolesischen Bürgern selbst
an. Mit der Eröffnung des neuen Finanzinstituts „Tutante“ will sie dem unteren Wirtschaftssektor
die Verselbstständigung ermöglichen. In der Erzdiözese Kananga werden seit vergangenem
Samstag Mikro-Kredite vergeben, die Kleinbetrieben in der Landwirtschaft und Viehzucht,
aber auch Familien das eigene Wirtschaften erleichtern sollen. Die Bevölkerung soll
an die Kultur des Sparens gewöhnt werden und den Umgang mit Krediten und den eigenen
Finanzen erlernen. Diese sozio-ökonomischen Aktivitäten könnten tatsächlich ein erster
Ansatzpunkt sein, das Land von innen heraus zu erneuern.