Dutroux-Affäre: Ein Bischofssprecher nimmt Stellung
Für Belgien will das
Trauma Dutroux nicht enden: Die frühere Frau des Kinderschänders Marc Dutroux kommt
vorzeitig auf freien Fuß. Ein Gericht im wallonischen Mons stimmte vor etwa einer
Woche ihrer Freilassung auf Bewährung und unter Auflagen zu – und ausgerechnet ein
Kloster soll Michelle Martin aufnehmen, das Klarissenkloster Malonne bei Namur. Angehörige
von Dutroux-Opfern reagieren empört auf diese Nachricht. Aber Tommy Scholtès, der
Sprecher der Belgischen Bischofskonferenz, gibt zu bedenken:
„Ich verstehe
sehr gut die Haltung der Eltern der Opfer: Sie können nur schwer mit der Vorstellung
leben, dass Frau Martin unter Bedingungen wieder auf freien Fuss kommen darf. Ich
verstehe die Emotion und Angst, aber ich sage mir auch: Man muss jetzt vielleicht
auch mal wagen, das zu sagen, was viele Christen antreibt. Man muss wagen zu hoffen,
dass jemand sein Leben ändern kann. Aber verstehen wir uns richtig: Am Anfang steht
nicht eine religiöse Entscheidung, sondern ein Richterspruch. Er ist es, der Frau
Martin eine Freilassung unter Bedingungen möglich macht.“
Martin war die
Frau von Marc Dutroux, der in den neunziger Jahren in Charleroi mehrere junge Mädchen
gefangen hielt, missbrauchte und schließlich sterben ließ. Als seine Komplizin war
die heute 52-Jährige im Jahr 2004 zu dreißig Jahren Haft verurteilt worden. Die Ordensfrauen
aus Malonne erklären, sie hätten sich die Entscheidung, Michelle Martin bei sich aufzunehmen,
nicht leicht gemacht. Doch seien sie davon überzeugt, dass „niemand in unserer Gesellschaft
etwas davon hat, wenn Gewalt mit Gewalt beantwortet wird“. Frau Martin sei ein Mensch,
der wie alle Menschen zum Besten wie zum Schlechtesten fähig sei.
„Die Entscheidung
ist noch nicht rechtskräftig; sollte sie aber tatsächlich bei den Klarissen unterkommen,
dann muss man wissen, dass die Bischofskonferenz in dieser Angelegenheit nicht konsultiert
worden ist. Das ist auch nicht nötig, weil die Klarissen als Gemeinschaft auf eigene
Verantwortung handeln können. Sie wird ja kein Mitglied der Gemeinschaft, sondern
ist lediglich ihr Gast – ein sehr spezieller Gast, das stimmt schon.“
Den
Angaben zufolge wird Martin eigene Zimmer in dem Kloster beziehen. Zudem werde es
regelmäßige Kontrollen durch Verantwortliche der Justiz geben. Pater Scholtès:
„Die
Gemeinschaft der Klarissen war sehr präzise: Sie erwartet sich von Frau Martin eine
tägliche Mitarbeit. Zwei Schwestern sollen den Kontakt zu ihr halten; sie wird zumindest
anfangs ein abgeschottetes Leben im Innern des Klosters führen und darf nicht ins
Dorf gehen oder sowas. Sollte sie einmal an Messfeiern oder Gebeten im Kloster teilnehmen
wollen – wozu sie keineswegs verpflichtet ist –, dann muss für ihre Sicherheit gesorgt
werden, denn es gibt im Moment viel Ärger und Demonstrationen rund ums Klarissenkloster.“
Der
Generalstaatsanwalt hat Berufung gegen die Entscheidung des Gerichts eingelegt. Bis
der Oberste Gerichtshof sich dazu geäußert hat, bleibt Martin in Haft. Und die Schwestern
in Malonne bleiben unter argwöhnischer Beobachtung.
„Man hat für Frau Martin
keinen anderen Ort gefunden, wo man bereit gewesen wäre, sie aufzunehmen. Die Klarissen
haben das Thema intensiv besprochen und schließlich entschieden, ihr Angebot in einem
Geist des Evangeliums zu machen. Auch wenn das ein sehr schwieriges Terrain ist, aber
das Evangelium geht manchmal sehr weit, und die Schwestern hoffen auf Unterstützung
durch eine Justizhelferin, die das Gericht bestimmen wird und die ihnen bei der Aufnahme
von Frau Martin – wenn es denn Ende August dazu kommt – helfen wird.“