2012-08-04 16:53:06

„Mit dem Nein zur Freude machen wir die Welt nur dunkler“


RealAudioMP3 Freitagabend, Castel Gandolfo. Salvenschüsse knallen über den Platz vor der päpstlichen Sommerresidenz. Aber wenn Sie jetzt glauben, die Schweizer Garde musste ausrücken, um das Leben des Papstes vor wildgewordenen Horden zu schützen, dann täuschen Sie sich: Rom und Castel Gandolfo sind an diesem Wochenende fest in friedlich gesinnter bayerischer Hand. Allerorten trifft man auf Gruppen, die in den traditionellen Kleidungsstücken, Dirndl und Lederhosen, unterwegs sind. Aber warum sind sie hier? Das erklärt Kardinal Marx, Erzbischof von München und Freising:

„Verehrter, lieber Heiliger Vater,
mit über 1000 Pilgerinnen und Pilgern sind wir aus dem Erzbistum München und Freising gekommen, mit den vielen Musikgruppen, mit den Trachtlerinnen und Trachtlern, um Ihnen nochmals herzlich zur Vollendung des 85. Lebensjahres zu gratulieren. Herzlichen Glückwunsch! Wir haben uns also überlegt, was kann man dem Papst schenken, und wir sind schnell auf die Idee gekommen, ihm ein Stück Heimat zu schenken. Heimat ist ein großes Wort, ein Sehnsuchtswort. Es erinnert uns an unsere Kindheit, aber es geht darüber hinaus und das ist etwas, das unser Leben begleitet. Auch wenn Sie, Papst Benedikt, heute ein Römer sind, ein Universalmensch für die ganze Kirche, sind Sie doch im Herzen, und das wissen wir alle, ein Bayer geblieben. Deshalb schenken wir Ihnen eine musikalische Reise durch das Erzbistum München und Freising.“

Der Papst sollte sich also, wie es Kardinal Marx sogar auf bayerisch ausdrückte, mal wieder richtig dahoam fühlen. Deshalb haben sich über 1000 bayerische Pilger und Trachtler am Freitagabend in Castel Gandolfo eingefunden, um dem Papst mit einer bunten Darbietung aus Volkstänzen, Musik und dem typisch bayerischen Gstanzerlgesang zu seinem 85. Geburtstag zu gratulieren. Zwar liegt der Geburtstag bereits einige Wochen zurück, aber es dauerte seine Zeit, einen Sonderzug zu organisieren, der Trachten- und Musikgruppen aus der großen Erzdiözese München-Freising zusammen sammelte - und vor allem das richtige Datum im vollen Terminkalender des Gefeierten zu finden. Im Innenhof der sommerlichen Papstresidenz konnte man also nun bei hitzigen Temperaturen für eine gute Stunde meinen, etwa 1000 Kilometer weiter nördlich versetzt zu sein. Das fand wohl auch Papst Benedikt, der sich am Ende der Darbietungen mit ehrlicher Rührung und Zuneigung an die Teilnehmer wandte:

„Liebe Herren Kardinäle, liebe Mitbrüder, liebe Freunde,
am Ende dieser bayerischen Stunde kann ich nur von Herzen Vergelt´s Gott sagen, es war einfach schön hier mitten im Latium, in Castel Gandolfo, zugleich in Bayern zu sein. Ich war richtig "dahoam", und ich muss den Kardinal Marx beglückwünschen, dass er das Wort schon so schön aussprechen kann.“

Das bayerische Land, so der Papst weiter, mache es aufgrund seiner Schönheit den Menschen leicht, Gott zu erkennen, aus diesem Wissen heraus fröhlich zu leben und mit sich selbst im Reinen zu sein. Das sei, trotz eventueller mahnender Stimmen, auch gut so:

„Dann kann jemand sagen, darf man sich eigentlich so freuen, wenn die Welt so voller Leid ist, wenn es so viel Dunkles und Böses gibt. Ist es dann erlaubt, so übermütig und fröhlich zu sein? Und die Antwort kann nur lauten: Ja! Denn mit dem Nein zur Freude dienen wir niemand, machen wir die Welt nur dunkler. Wer sich selbst nicht mag, kann auch dem anderen nichts geben und ihm nicht helfen, kann auch kein Bote des Friedens sein. Wir wissen es aus dem Glauben und wir sehen es jeden Tag: die Welt ist schön und Gott ist gut. Dadurch, dass er als Mensch unter uns herein getreten ist und mit uns leidet und liebt, wissen wir es endgültig und handgreiflich. Gott ist gut und es ist gut, ein Mensch zu sein. Wir leben aus dieser Freude und aus dieser Freude heraus versuchen wir auch, anderen Freude zu bringen und Diener des Friedens und der Versöhnung zu sein.“

Die Veranstaltung wurde moderiert durch Elisabeth Rehm, die dem Fernsehpublikum als Moderatorin für die Redaktion „Unter unserem Himmel“ des Bayerischen Fernsehens und als Kommentatorin des Münchner Trachten- und Schützenumzugs bekannt sein dürfte. Sie hat gemeinsam mit ihren Eltern, mit denen sie im Familienverbund auftritt, auch selbst einige Lieder zum Konzert beigesteuert. Nach dem Konzert habe ich sie nach ihren Eindrücken gefragt:

„Es war unwahrscheinlich ergreifend, der ganze Innenhof und das ganze Programm, und es war für mich eine große Ehre und ich glaube, das braucht jetzt erst einmal eine Zeitlang, bis es sich setzt. Ich glaube, daran erinnert man sich das ganze Leben.“

Es war für die meisten der Musiker sicherlich das erste Mal, dass diese vor dem Papst auftreten durften und besonders eindrucksvoll für die Beteiligten:

„Es war auf jeden Fall eine Premiere und ganz besondere Atmosphäre, dem Papst so nah gegenüber zu stehen, und dass man auch aus seinem Gesicht ablesen konnte, wie gerührt er war. Ich glaube wirklich sagen zu können, dass es ihm selber viel bedeutet hat, er hatte wirklich einen so warmherzigen und gütigen Gesichtsausdruck, und es war wirklich eine wahre Freude, ihn anreden zu dürfen.“

Ähnlich sieht das Andi Kellerer, der Flöte gespielt hat:

„Es war wirklich sehr sehr eindrucksvoll. Für uns war es wirklich eine der größten, wenn nicht die größte Sache, die wir als Volksmusik haben machen dürfen, und wenn man dann hier sitzt - wir hatten uns ja auch sehr lange darauf vorbereitet - dann ist das etwas, das einen im Inneren sehr berührt. Ich denke schon, dass es dem Papst gefallen hat, ich saß ihm ja direkt gegenüber und habe seinen Gesichtsausdruck beim Spielen gesehen. Gerade am Ende des letzten Stückes habe ich schon das Gefühl gehabt, dass das rübergekommen ist. Das freut einen schon sehr.“

Die Begeisterung über das gelungene Geburtstagsgeschenk war jedenfalls bei Interpreten und Zuschauern zu spüren. Hören wir eine der kleinsten Zuschauerinnen, die ja bekanntlich am ehrlichsten antworten:

„Wie hat es dir denn gefallen?“

„Guuut!!!!“

Das Konzert wurde durch einen sogenannten Andachtsjodler beendet. Papst Benedikt selbst hat sich sogar über das Jodeln als theologische Größe geäußert: Als junger Theologieprofessor hatte er 1961 in Freising vor überraschten Volksmusikfreunden eine Verbindungslinie von dem vor allem im Alpenraum verbreiteten Brauch zu dem von ihm besonders geschätzten Kirchenlehrer Augustinus gezogen. Diesem sei der Jodler, der bei ihm als „Jubilus“ bezeichnet werde, durchaus bekannt gewesen, und es bestehe „kein Zweifel, dass er das gleiche meint: dies wortlose Ausströmen einer Freude, die so groß ist, dass sie alle Worte zerbricht“, so der Papst damals. Es ist jedenfalls sehr wahrscheinlich, dass sich alle Teilnehmer Papst Benedikts abschließende Mahnung zu Herzen genommen haben:

„Vergelt´s Gott! Bringt Freude mit nach Hause zurück, wie ihr sie hierher gebracht habt!“

(rv/kna 04.08.2012 cs)








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