Unser Buchtipp: Genesis

Rezensiert durch: Stefan v. Kempis

Er ist der Vater des amerikanischen „Underground-Comics“ und gibt auf seiner Homepage an, bis zum Alter von sechzehn Jahren ein gläubiger Katholik gewesen zu sein, dann aber seinen Glauben verloren zu haben: Robert Crumb. Mit fast siebzig Jahren hat sich der weltbekannte Zeichner nun des ersten Buches Mose angenommen. Das läßt zunächst das Allerschlimmste befürchten, schließlich ist Respektlosigkeit geradezu Crumbs Markenzeichen. Doch schon im Vorwort „seiner“ Genesis beteuert er, „dass ich meine Aufgabe lediglich darin gesehen habe, den Text zu illustrieren, ohne ihn in irgendeiner Weise ins Lächerliche zu ziehen oder für visuelle Kalauer zu missbrauchen“.

Und das Erstaunliche: Crumb hält sich dran. Geradezu demütig bebildert er in charakteristisch klaren Umrisslinien Satz für Satz der Genesis, von der Schöpfung bis zum Tod Josephs in Ägypten. Nie geht auf etwa zweihundert Seiten der Respekt vor dem Text verloren, Crumbs zeichnerische Phantasie schießt nicht ins Kraut – und trotzdem findet diese gezeichnete Genesis schnell zu einem eigenen, interessanten Stil. Das liegt daran, dass sich Crumb deutlich von den monumentalen Bibelfilmen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts inspirieren ließ; Gott ist also ein herrisch blickender älterer Herr mit weißem Bart. Und diese etwas altmodische Art, konsequent in Schwarz-Weiß, korrespondiert nun im Deutschen auf erstaunliche Weise mit dem zugrundegelegten Text einer Lutherbibel-Genesis aus dem Jahr 1912. „Also ward vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer“, heißt es darin etwa.

Sie ist also keineswegs revolutionär geraten und auch nicht spöttisch, die Genesis des Robert Crumb. Eher etwas altmodisch. Angst braucht man vor dieser Adaption jedenfalls nicht zu haben: Der Text wird detailgetreu in einem nahöstlichem Ambiente angesiedelt. Ein schöner Grund, mal selbst wieder die Genesis zu lesen oder sie einem aufmüpfigen Jugendlichen aus der Verwandtschaft weiterzuverschenken – der wird sich wundern!

Zum Mitschreiben: Robert Crumbs: Genesis .Carlsen Verlag, ca. 30 Euro.

(rv 03.08.2012 sk)