Jürgen Habermas: Auch der Islam gehört zu Deutschland
Religion darf auch in einer liberalen Gesellschaft nicht in die Privatsphäre verbannt
werden. Mit dieser Aussage meldet sich der Philosoph Jürgen Habermas in der aktuellen
Debatte um Beschneidung und die Berechtigung von religiösen Traditionen in der säkularen
Gesellschaft zu Wort. In einem in der „Neuen Züricher Zeitung“ veröffentlichen Vortrag
betont er, dass die Antwort des Laizismus, nämlich die Zurückdrängung des Religiösen,
unbefriedigend sei. Die Mehrheitskultur dürfe „ihre Mitglieder nicht in der bornierten
Vorstellung einer Leitkultur gefangen halten“, so Habermas mit Bezug auf das Kölner
Urteil zur Zulässigkeit der Beschneidungspraxis. Der grundrechtliche Schutz gelte
gerade auch für die weltanschauliche Identität der Mitglieder wie auch für deren Ausdruck.
Das Kölner Gericht habe verkannt, dass „zusammen mit den eingebürgerten Muslimen auch
der Islam zu Deutschland gehört.“ Gleichzeitig sei es Aufgabe der Glaubensgemeinschaften,
die Grundsätze von Rechtsstaat und Demokratie „in den Kontext ihrer religiösen Hintergrundüberzeugungen“
einzusetzen. Die katholische Kirche habe dies zum Beispiel im Zweiten Vatikanischen
Konzil vollzogen, so Habermas. Diese Einbeziehung säkular begründeter Werte in die
Religion sei eine „Zumutung“, ohne die die Gesellschaft nicht auskommen kann.