Barockes Rom: Trompeten und Sänger statt Ambulanz-Sirenen
Einen Zeitsprung in
das Rom des 18. Jahrhunderts: keine hupenden Autos, keine brummenden Omnibusse und
keine ohrenbetäubenden Sirenen einer Armada von Krankenwagen. Dafür hört man an jeder
Ecke Musik. Trompeten erklingen, Sänger singen. Zum Barock gehört die Musik im öffentlichen
Raum selbstredend dazu und viel Geld gaben die Römer dafür aus. Mit diesen musikhistorischen
Aspekten beschäftigen sich zwei Musik- und Geisteswissenschaftlerinnen in ihrem Buch
mit dem vielversprechenden Titel „Die schönste Musik zu hören“. Wenn man diese Musik
im Buch auch nicht direkt hören kann, so gelingt es Britta Kägler und Gesa zur Nieden
doch, uns eine präzise Vorstellung vom Leben der Musiker im barocken Rom zu vermitteln.
Tatsächlich erscheinen so manche Aspekte überraschend, wenn man vom heutigen Verständnis
der klassischen Musik ausgeht. Überraschung Nummer Eins: Konzertabende, egal ob im
Vatikan oder in Privathäusern, verliefen meist sehr unkonventionell, erzählt Britta
Kägler.
„Man hat nicht unbedingt zu Anfang des Konzertes da sein müssen.
Man brachte sich Eiskonfekt mit, wenn es im Sommer warm war. Man hat wirklich ein
Abendessen zelebriert und auch in den Opern-Logen gegessen, während auf der Bühne
die Oper aufgeführt wurde. Es war wirklich ein Spektakel, dem man sich nicht zu einhundert
Prozent gewidmet hat, sondern man hat nebenbei geflüstert und Gespräche geführt.“
Manchmal habe es auch Streit unter den potenten Musikfreunden gegeben,
zum Beispiel wenn es um den besten Logenplatz ging. Kulturelles Imponiergehabe sozusagen.
Britta Kägler und Gesa zur Nieden sind beide im deutsch-französischen Forschungsprojekt
„Musici“ tätig, in dem die Arbeit und das Leben der Musikschaffenden des 17. und 18.
Jahrhunderts in Italien untersucht wird. Und schon wieder erfährt der Leser ein überraschendes
Detail: Es sei damals ausschließlich zeitgenössische Musik gefragt gewesen. Alles
andere sei sofort out gewesen.
„Es ist ein Phänomen, das wir erst seit dem
19. und 20. Jahrhundert kennen, dass man alte Musik aufführt. Man hat im 17. Jahrhundert
nichts gespielt, was man im 13. Jahrhundert, im Mittelalter, aufgeführt hätte. Man
hat immer nur die moderne Musik gespielt. Und das kennen wir heute natürlich nicht
mehr so. Es ist so mitreißend für die Leute damals gewesen, wie ein modernes Musical
für die Menschen heute.“
Barocke Musik findet auch jetzt noch weltweit
ihre begeisterten Fans. Und auch heute sei es noch eben diese Art von Oper, die man
auch im Rom des 17. Jahrhunderts kannte.
„Es ist auf der einen Seite eine
Erinnerung an dieses Gesamtkunstwerk Oper geblieben. Denn im 17. Jahrhundert wird
die Oper als Phänomen überhaupt erst geboren und zwar wirklich in Italien. Das wirkt
in jedem einzelnen Theater, in jedem Opernhaus, in Deutschland wie in der ganzen Welt,
immer noch nach. Ob das dann Stücke sind, die Mozart erst später im 18. Jahrhundert
geschrieben hat, ist gar nicht so relevant. Sondern dieses Erlebnis Oper ist etwas,
das nahezu eins zu eins tradiert wurde, vom 17. Jahrhundert bis heute, welches immer
noch Publikum anzieht und dazu führt, dass sich die Leute in der Oper schön anziehen
und nach einem Essen in die Oper gehen und dort einfach ein Erlebnis haben, das sie
nachhaltig beeindruckt.“
„Die schönste Musik zu hören. Europäische Musiker
im barocken Rom“ heißt das Buch von Britta Kägler und Gesa zur Nieden. Erschienen
ist es in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft.