2012-07-28 15:54:26

„Patentöchter“: Ein schwieriger Dialog im Schatten der RAF


RealAudioMP3 Oberursel bei Frankfurt, am 30. Juli 1977: Der Banquier Jürgen Ponto ahnt nichts Böses, als Susanne Albrecht sich zum Tee anmeldet. Er kennt sie ja, die Familien sind befreundet. Aber die 26-Jährige hat zwei Begleiter dabei – wie sich herausstellt, Terroristen der RAF. Mehrere Schüsse fallen, Ponto stirbt vor den Augen seiner Frau.

35 Jahre später: Die jüngere Schwester der Terroristin, Julia Albrecht – übrigens das Patenkind Pontos –, und Pontos Tochter Corinna Ponto brechen ein Schweigen, das Jahrzehnte gedauert hat. Zaghaft, dann mutiger kommen sie ins Gespräch – schriftlich. Ergebnis ist das Buch „Patentöchter – Im Schatten der RAF“. Es ist ein in Deutschland beispielloser Dialog: Angehörige von Tätern reden mit Angehörigen von Opfern. Wie kam das in Gang? Das fragte unser Redakteur Stefan v. Kempis sie auf einer Podiumsdiskussion, die die „Konrad-Adenauer-Stiftung“ unlängst in Rom organisiert hat.

„Die Ungeschütztheit, mit der Ponto und Albrecht sprechen, schafft eine grandios berührende Nahaufnahme einer Episode deutscher Geschichte, die, wie sich zeigt, alles andere als verarbeitet ist.“ So urteilt das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. „Und gleichzeitig ist das Buch ein Dokument grandiosen Scheiterns, weil am Ende den beiden Angehörigen die Überwindung der Tat nicht gelingt. Denn das Merkwürdige ist, die beiden Frauen sprechen über Susanne Albrecht wie über eine Tote. Doch Susanne Albrecht ist nicht tot. Sie lebt seit ihrer Haftentlassung 1996 unter einem anderen Namen in Bremen. Sie ist dort Lehrerin.“

Eine Äußerung des Bedauerns gibt es von Susanne Albrecht: Sie findet sich in ihren Prozessakten. Ein einziger Satz: „Letztlich ist mir klar, dass ich das Schlimmste tat, was man tun konnte, dass ich das Leben der Familie Ponto und meiner Eltern zerstört habe.“ Der Satz reicht Corinna Ponto nicht, und auch Julia Albrecht ist das nicht genug. „Nichts ist geheilt“, sagt sie. „Liebe Corinna, wo stehen wir heute?“, fragt sie in dem Buch. „Das Schweigen zu durchbrechen war sicherlich ein Antrieb. Nicht nur dem Schweigen der Jugendjahre etwas entgegenzusetzen, sondern auch dem Schweigen, das bis heute die Aufklärung ganzer Tatkomplexe, aber auch der Motive, Ursachen und Gründe überdeckt.“ Diese Worte rühren an das, was Corinna Ponto zu schaffen macht: dass man nämlich aus ihrer Sicht noch gar nicht die ganze Wahrheit über die RAF, ihre Morde und ihre Hintermänner weiß.

(rv 28.07.2012 sk)








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