Beim Kauf eines neuen
Handys denken wir oft nicht daran, dass wir uns damit indirekt an einem Krieg in Afrika
beteiligen. Daran erinnert der Leiter des Jesuiten Flüchtlingsdienstes, Pater Peter
Balleis. Namentlich geht es um den Konflikt in Nord-Kivu im Kongo. Nun haben die Vereinten
Nationen öffentlich Stellung bezogen. Die UNO kritisierte insbesondere die Rolle des
Nachbarlandes Ruanda, das in den Auseinandersetzungen eine tragende Rolle spiele.
Allerdings müsse langfristig weit mehr Druck ausgeübt werden, sagt Balleis, der eben
erst einige Zeit im Krisengebiet verbracht hat. Rebellengruppen und Armeen ändern
ständig ihre Allianzen, wodurch der Krieg unkontrollierte Dynamiken entwickle. Im
Interview mit Radio Vatikan beschreibt er die Situation.
„In Mweso haben
wir am 10. Juli Lager von Binnenflüchtlingen besucht. Dort gab es offensichtlich eine
Anordnung, die besagte, dass die Einheiten der kongolesischen Armee nach Goma transferiert
werden sollten. Das sah dann so aus, dass in Kachuga fünf Lastwagen voll Gepäck waren.
Dort saßen mittendrin die Frauen und Kinder der Soldaten und außerhalb, schwer bewaffnet
mit Kalaschnikows und Bazookas, saßen die Soldaten. Und dann, ein paar Kilometer weiter,
kamen uns schon die Mai-Mai-Kämpfer entgegen, um die Stellung in Kachuga zu übernehmen,
von der die anderen abgerückt sind. Es war in gewisser Weise eine absurde Situation,
als die dann zusammen getroffen sind, weil es nur sechs Wochen davor, am 20. Mai,
kämpferische Auseinandersetzungen zwischen den Mai-Mai-Kämpfern und der kongolesischen
Armee gegeben hatte.“
Nicht nur die Form, die der Krieg annehme, sei komplex.
Seine Wurzeln lägen vor allem in den vielschichtigen politischen und wirtschaftlichen
Interessensverwicklungen der involvierten Parteien. Neben regionalen, ethnischen und
politischen Differenzen stünden auch internationale, wirtschaftliche Motivationen
hinter dem Krieg.
„Es hatte etwas geregnet und ein Lastwagen war im Dreck
stecken geblieben. Der Lastwagen war voll mit Bananen und es war schwierig, mit den
anderen Fahrzeugen vorbeizukommen. Und die Fahrer wollten den Lastwagen einfach nicht
abladen, um ihn endlich ihn aus dem Dreck zu ziehen. Unsere Vermutung war: Unter den
Bananen sind die Mineralien und das will man nicht offen legen. Die werden mit überladenen
Fahrzeigen nach Goma transportiert, und auch in der Nähe unseres Hauses ist eine Steinmühle,
um diese Mineralien zu zermahlen. Und dann werden sie weiter transportiert - der Flughafen
von Goma ist einer der verkehrsintensivsten überhaupt. Was transportieren die denn
dort?“
Insbesondere die umkämpfte Region des Ostkongos ist reich an Mineralien
wie Coltan, welches in der elektronischen Industrie verwendet wird.
„Damit
kommt auch die Verbindung zu anderen Interessen, die diesen Krieg nähren. Etwas übertrieben
gesagt: Wir alle haben den Kongokrieg ständig am Ohr. Wenn wir unsere Mobiltelefone
anschalten, dann benutzen wir Materialen, die so einen Krieg auch nähren. Die Verbindung
ist da und das finanziert auch den Krieg.“
Zur Zeit gebe es im Kongo sehr
viel sexuelle Gewalt. Die Frauen nähmen beim Holzholen mittlerweile sogar eine Vergewaltigung
bewusst in Kauf, denn, wenn sie an ihrer Stelle die Männer losschickten, würden diese
ohne Zögern getötet. Diese Situation zeige deutlich, was für eine absurde Normalität
die Menschen hier als Alltag angenommen hätten. Durch gemeinsame Arbeit wie Frauenbetreuung
und Bildungsprojekte versuchten Hilfsorganisationen wie der Jesuiten Flüchtlingsdienst
und lokale Kirchengemeinden dem entgegenzuwirken. Den Frauen werde Lesen und Schreiben
beigebracht, um ihr Selbstwertgefühl zu stärken.
„Und das halte ich für
eine gute Weise der Zusammenarbeit, die Ortskirche, die normalen Pfarreien, versuchen
das christliche Leben am Laufen zu halten. Ich glaube, dieser Trost und diese Orientierung
sind sehr wichtig für die Menschen, denn dort, wo viel Lüge, Gewalt und Negativität
sind, da braucht man umso mehr das Wort von Hoffnung und moralischer Orientierung.“
So
lange so viele Waffen und Soldaten die Gegend kontrollierten, werde sich nichts ändern.
Man müsse die Ursachen dieses komplexen Krieges bekämpfen, damit die Gewalt aufhöre.
Allerdings gehe es auch darum, eine komplett neue Mentalität aufzubauen, um den Menschen
eine andere Perspektive zu bieten. In diesem Zusammenhang sei auch die kürzlich erfolgte
Verurteilung von Thomas Lubanga durch den Menschrechtgerichtshof in Den Haag ein erster
wichtiger Schritt gewesen.
„Das hat Auswirkungen, weil damit langsam wieder
ein Bewusstsein geschaffen wird, dass man nicht straflos davonkommt. Das ist auch
beim Thema sexuelle Gewalt ausschlaggebend. Eine Form der Hilfe ist die direkte Arbeit
mit den Frauen, aber eine andere wichtige Maßnahme ist, dass man die Straflosigkeit
überwindet und abschafft. Man kommt hier in der Regel mit Vergewaltigung und so weiter
völlig straflos davon. Das muss geändert werden und damit verbinde ich auch, dass
solche Rebellenführer nicht straflos davon kommen. Darum ist es wichtig, dass langfristig
solche Maßnahmen von der internationalen Gemeinschaft ergriffen werden.“