Der neue Präfekt der Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, hat der
Vatikanzeitung „L`Osservatore Romano“ sein erstes großes Interview gegeben: Es ist
gewissermaßen die Regierungserklärung des früheren Regensburger Bischofs im neuen
römischen Amt. Müller ist seit dem 2. Juli neuer Glaubenshüter des Vatikans und damit
Nach-Nachfolger seines Landsmanns Papst Benedikt.
„Der Glaube ist geprägt
durch die größte Offenheit“, so sieht es Müller: „Er ist ein personales Verhältnis
zu Gott, der alle Schätze der Weisheit in sich trägt. Deshalb ist unsere endliche
Vernunft immer dynamisiert auf den unendlichen Gott hin. Wir können immer dazulernen
und tiefer den Reichtum der Offenbarung verstehen. Wir vermögen sie nie auszuschöpfen.“
In dem auf deutsch geführten Gespräch, dessen voller Text am Freitag auch in der deutschen
Wochenausgabe des „Osservatore“ erscheint, sagt Müller, „vieles im Vatikan“ sei für
ihn noch „neu und ungewohnt“: „Es wird etwas Zeit brauchen, bis ich mich in das komplexe
Gefüge der Römischen Kurie einfinde.“ Zu den derzeitigen „Herausforderungen“ für die
Glaubenskongregation zählt der Erzbischof, „dass Gruppen von rechts und von links
– wie man so sagt – unsere Zeit und unsere Aufmerksamkeit sehr in Anspruch nehmen“.
Da bestehe „leicht die Gefahr, dass wir unsere Hauptaufgabe etwas aus dem Blick verlieren,
nämlich das Evangelium zu verkünden und die kirchliche Lehre positiv darzulegen“.
Den
Papst beschreibt der neue Präfekt der Glaubenskongregation „als einen väterlichen
Freund“: „Ich verstehe auch mein Kommen nach Rom nicht so, dass ich ihn mit irgendwelchen
Dingen belaste. Meine Aufgabe ist es, ihm Arbeit abzunehmen und ihn nicht mit Problemen
zu konfrontieren, die auf unserer Ebene gelöst werden können.“ Weil die Kirche „zuerst
eine Glaubensgemeinschaft“ sei, stelle der Glaube „das wichtigste Gut“ dar, „das wir
zu vermitteln, zu verkünden und zu bewahren haben“. Darin sieht Müller vor allem einen
„positiven Aspekt“. „Die Kongregation soll vor allem den Glauben fördern und verständlich
machen, das ist das Entscheidende. Als zweites kommt hinzu, dass der Glaube auch gegen
Irrtümer und Verkürzungen verteidigt werden muss.“ Es sei „eine der großen Aufgaben
für die Kongregation und für die Kirche überhaupt“, den Glauben „wieder neu als positive
Macht entdecken und aufleuchten (zu) lassen, als Kraft der Hoffnung und als Potential,
um Konflikte und Spannungen zu überwinden“.
Ausführlich äußert sich Erzbischof
Müller in dem Interview zu seinen Kontakten mit Vertretern der sogenannten „Theologie
der Befreiung“. „Ich war oft in Lateinamerika, in Peru, aber auch in anderen Ländern.
Ich bin 1988 eingeladen worden, an einem Seminar mit Gustavo Gutierrez teilzunehmen.
Als deutscher Theologe bin ich da mit einer gewissen Reserviertheit angekommen, auch
weil ich die beiden Erklärungen der Glaubenskongregation zur Befreiungstheologie von
1984 und 1986 gut kannte. Ich habe aber dann feststellen können, dass man unterscheiden
muß zwischen einer falschen und einer richtigen Theologie der Befreiung.“ Aus seiner
Sicht, so Müller, habe „jede gute Theologie mit der Freiheit und der Herrlichkeit
der Kinder Gottes zu tun“. Gewiss sei „eine Vermischung von marxistischen Selbsterlösungslehren
und dem von Gott geschenkten Heil grundsätzlich abzulehnen“. „Andererseits müssen
wir uns ehrlich fragen“, so der Erzbischof: „Wie können wir von der Liebe und Barmherzigkeit
Gottes sprechen angesichts des Leidens vieler Menschen, die nichts zu essen und zu
trinken und keine medizinische Versorgung haben, die nicht wissen, wie sie ihre Kinder
in die Zukunft bringen sollen, also wo es wirklich an Menschenwürde fehlt und wo die
Menschenrechte von den Mächtigen missachtet werden?“ Letztlich gehe das nur, „wenn
man bereit ist, mit den Leuten zusammen zu sein ... ohne Paternalismus von oben herab“.
Mit Blick auf schwierige Dossiers, etwa die Frage einer Wiederannäherung der
Piusbrüder an Rom, betont Erzbischof Müller, es gebe „keine Verhandlungen über das
Wort Gottes, und man kann nicht zugleich glauben und auch wieder nicht“. Wörtlich
sagte er: „Ich kann mich nicht auf die Tradition der Kirche berufen, und sie dann
nur auszugsweise akzeptieren.“ Zur Debatte über eine Öffnung des Weihesakraments für
Frauen gibt er zu bedenken: „Beim Priestersein geht es nicht darum, sich selbst zu
positionieren. Das Priesteramt darf man nicht für eine Art weltliche Machtposition
halten und meinen, Emanzipation ereigne sich dann, wenn jeder diese einnehmen könne.“
Der katholische Glaube wisse, „dass nicht wir die Bedingungen der Zulassung vorgeben
und dass hinter dem Priestersein immer der Wille und die Berufung Christi stehen.“
Müller wörtlich: „Ich lade alle ein, auf Polemik und Ideologie zu verzichten und sich
zu vertiefen in die Lehre der Kirche.“