2012-07-26 13:32:03

Erzbischof Müller: „Die kirchliche Lehre positiv darlegen“


Der neue Präfekt der Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, hat der Vatikanzeitung „L`Osservatore Romano“ sein erstes großes Interview gegeben: Es ist gewissermaßen die Regierungserklärung des früheren Regensburger Bischofs im neuen römischen Amt. Müller ist seit dem 2. Juli neuer Glaubenshüter des Vatikans und damit Nach-Nachfolger seines Landsmanns Papst Benedikt.

„Der Glaube ist geprägt durch die größte Offenheit“, so sieht es Müller: „Er ist ein personales Verhältnis zu Gott, der alle Schätze der Weisheit in sich trägt. Deshalb ist unsere endliche Vernunft immer dynamisiert auf den unendlichen Gott hin. Wir können immer dazulernen und tiefer den Reichtum der Offenbarung verstehen. Wir vermögen sie nie auszuschöpfen.“ In dem auf deutsch geführten Gespräch, dessen voller Text am Freitag auch in der deutschen Wochenausgabe des „Osservatore“ erscheint, sagt Müller, „vieles im Vatikan“ sei für ihn noch „neu und ungewohnt“: „Es wird etwas Zeit brauchen, bis ich mich in das komplexe Gefüge der Römischen Kurie einfinde.“ Zu den derzeitigen „Herausforderungen“ für die Glaubenskongregation zählt der Erzbischof, „dass Gruppen von rechts und von links – wie man so sagt – unsere Zeit und unsere Aufmerksamkeit sehr in Anspruch nehmen“. Da bestehe „leicht die Gefahr, dass wir unsere Hauptaufgabe etwas aus dem Blick verlieren, nämlich das Evangelium zu verkünden und die kirchliche Lehre positiv darzulegen“.

Den Papst beschreibt der neue Präfekt der Glaubenskongregation „als einen väterlichen Freund“: „Ich verstehe auch mein Kommen nach Rom nicht so, dass ich ihn mit irgendwelchen Dingen belaste. Meine Aufgabe ist es, ihm Arbeit abzunehmen und ihn nicht mit Problemen zu konfrontieren, die auf unserer Ebene gelöst werden können.“ Weil die Kirche „zuerst eine Glaubensgemeinschaft“ sei, stelle der Glaube „das wichtigste Gut“ dar, „das wir zu vermitteln, zu verkünden und zu bewahren haben“. Darin sieht Müller vor allem einen „positiven Aspekt“. „Die Kongregation soll vor allem den Glauben fördern und verständlich machen, das ist das Entscheidende. Als zweites kommt hinzu, dass der Glaube auch gegen Irrtümer und Verkürzungen verteidigt werden muss.“ Es sei „eine der großen Aufgaben für die Kongregation und für die Kirche überhaupt“, den Glauben „wieder neu als positive Macht entdecken und aufleuchten (zu) lassen, als Kraft der Hoffnung und als Potential, um Konflikte und Spannungen zu überwinden“.

Ausführlich äußert sich Erzbischof Müller in dem Interview zu seinen Kontakten mit Vertretern der sogenannten „Theologie der Befreiung“. „Ich war oft in Lateinamerika, in Peru, aber auch in anderen Ländern. Ich bin 1988 eingeladen worden, an einem Seminar mit Gustavo Gutierrez teilzunehmen. Als deutscher Theologe bin ich da mit einer gewissen Reserviertheit angekommen, auch weil ich die beiden Erklärungen der Glaubenskongregation zur Befreiungstheologie von 1984 und 1986 gut kannte. Ich habe aber dann feststellen können, dass man unterscheiden muß zwischen einer falschen und einer richtigen Theologie der Befreiung.“ Aus seiner Sicht, so Müller, habe „jede gute Theologie mit der Freiheit und der Herrlichkeit der Kinder Gottes zu tun“. Gewiss sei „eine Vermischung von marxistischen Selbsterlösungslehren und dem von Gott geschenkten Heil grundsätzlich abzulehnen“. „Andererseits müssen wir uns ehrlich fragen“, so der Erzbischof: „Wie können wir von der Liebe und Barmherzigkeit Gottes sprechen angesichts des Leidens vieler Menschen, die nichts zu essen und zu trinken und keine medizinische Versorgung haben, die nicht wissen, wie sie ihre Kinder in die Zukunft bringen sollen, also wo es wirklich an Menschenwürde fehlt und wo die Menschenrechte von den Mächtigen missachtet werden?“ Letztlich gehe das nur, „wenn man bereit ist, mit den Leuten zusammen zu sein ... ohne Paternalismus von oben herab“.

Mit Blick auf schwierige Dossiers, etwa die Frage einer Wiederannäherung der Piusbrüder an Rom, betont Erzbischof Müller, es gebe „keine Verhandlungen über das Wort Gottes, und man kann nicht zugleich glauben und auch wieder nicht“. Wörtlich sagte er: „Ich kann mich nicht auf die Tradition der Kirche berufen, und sie dann nur auszugsweise akzeptieren.“ Zur Debatte über eine Öffnung des Weihesakraments für Frauen gibt er zu bedenken: „Beim Priestersein geht es nicht darum, sich selbst zu positionieren. Das Priesteramt darf man nicht für eine Art weltliche Machtposition halten und meinen, Emanzipation ereigne sich dann, wenn jeder diese einnehmen könne.“ Der katholische Glaube wisse, „dass nicht wir die Bedingungen der Zulassung vorgeben und dass hinter dem Priestersein immer der Wille und die Berufung Christi stehen.“ Müller wörtlich: „Ich lade alle ein, auf Polemik und Ideologie zu verzichten und sich zu vertiefen in die Lehre der Kirche.“

(or 26.07.2012 sk)







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