Libanon: „Christen in Nahost dürfen jetzt nicht nur an sich selbst denken“
Ein Patriarch aus
dem Libanon rät den Christen des Nahen Ostens dringend, sich angesichts des „Arabischen
Frühlings“ nicht nur an ihre eigenen Interessen und Privilegien zu klammern. Auch
wenn die Umwälzungen in Syrien äußerst blutig verlaufen, sollten die Christen den
Wandel als Chance begreifen. Nerses Bedros XIX. Tarmuni ist der Patriarch von Kilikien
der armenisch-katholischen Kirche; er residiert in der libanesischen Hauptstadt Beirut.
„Die
Lage ist vor allem wegen der unschuldigen Opfer zu beklagen, die einen hohen Preis
zahlen: Tote, Verletzte, Familien auf der Flucht aus den Kampfgebieten in Richtung
Libanon, Jordanien, Irak und Türkei. Diese Lage hat besondere Auswirkungen auf die
christlichen Gruppen, weil sie numerisch in der Minderheit sind und fürchten, dass
die islamistischen Kräfte ihre bürgerlichen und religiösen Rechte nicht anerkennen
werden, wenn sie erst einmal an die Macht gelangen sollten.“
Berechtigte
Sorgen bei den Christen also: Die Nachrichtenagentur Fides spricht etwa von islamistischen
Gruppen, die derzeit im Windschatten der Kämpfe in Syriens Hauptstadt Damaskus Jagd
auf Christen machen. Eine sogenannte „Brigade des Islam“ hat nach diesen Angaben am
Montag eine ganze christliche Familie im Stadtviertel Bab Touma hingerichtet. Patriarch
Nerses Bedros XIX. kennt solche Berichte.
„Man kann allerdings auch nicht
leugnen, dass es Zeit ist, die autoritären Militärregime abzulösen, die schon seit
Jahrzehnten am Ruder sind, um gerechtere und menschlichere Machtstrukturen aufzubauen.
Der Wechsel kann jedoch weder schnell geschehen noch auf eine perfekte Weise! Darum
geht es jetzt um Geduld und Bürgersinn: nicht nur an seine eigenen Interessen denken,
sondern ans Gemeinwohl, und Schluss machen mit der Korruption, die ein paar reich
macht und die Schwächsten unterdrückt. In dieser Übergangslage sollten die Christen
sich nicht von diesen Prinzipien abbringen lassen! Also nicht nur versuchen, die eigenen
Rechte zu wahren oder auf jeden Fall auf der Seite des Stärkeren zu stehen.“
„Gleiche
Rechte für alle Bürger“ – das sollte das Ziel der Christen sein, sagt der Patriarch
aus dem Libanon.
„Die Christen müssen jetzt zeigen, dass sie nicht weniger
patriotisch sind als ihre muslimischen Mitbürger. Sie sollten auch nicht der Versuchung
erliegen, die mächtigen Nationen um Hilfe zu rufen, damit diese sie beschützen. Den
mächtigen Nationen ist das Thema Religion nämlich egal, sie kümmern sich nur um ihre
eigenen Interessen.“