2012-07-23 13:01:41

USA/Norwegen: Zurück bleibt Ratlosigkeit


RealAudioMP3 Ein als Bösewicht „Joker“ verkleideter verwirrter Einzeltäter stürmt ein Kino in Denver und tötet ein Dutzend meist junge Menschen, darunter Kinder. In Oslo lässt ein ideologisch verblendeter Einzeltäter eine Autobombe hochgehen, die acht Menschen das Leben kostet, um dann als Soldat verkleidet auf einer Insel nicht weit von der norwegischen Hauptstadt entfernt ein Massaker unter Jugendlichen anzurichten. Ein Jahr ist diese Tat nun her, der Täter steht vor Gericht. Auch der Täter von Denver konnte sofort überwältigt werden und wartet nun auf seinen Prozess, der ihm die Todesstrafe einbringen könnte. Zurück bleibt die Ratlosigkeit. Was hat den Täter getrieben, hätte man diesen sinnlosen Tod so vieler junger Menschen verhindern können? Die Menschen rücken enger zusammen, die Fragen bleiben. In Denver wurde am Sonntag Abend mit einer Vigilfeier der Opfer des Amoklaufs in der Vorstadt Aurora gedacht. Die Vigil wurde gemeinsam von der Stadt Denver und Vertretern von verschiedenen Religionsgemeinschaften organisiert. Der Erzbischof von Denver, Samuel Aquila, betonte gegenüber Radio Vatikan noch einmal, wie unverständlich diese Art von Ereignis bleibe. Für den Bischof ist es nicht die erste Begegnung mit dem Terror:

„Als ich die Nachricht am Freitagmorgen bekam, hat das sofort Erinnerungen an Columbine wach gerufen, an den Amoklauf in der Schule von Liddleton 1999. Der Horror kam zurück. Ich hatte damit näher zu tun, denn damals habe ich die Familien und einige der betroffenen Jugendlichen beratend begleitet. Der Schmerz ist schwer und sitzt tief. Die Fragen, die da aufkommen, setzen sich in Geist und Seele fest und sind kaum zu beantworten, wenn man mit dieser Art von Bösem, von Sünde konfrontiert wird.“

Das Counselling, also übersetzt etwa die seelsorgerische und psychologische Beratung aus dem Glauben, ist auch jetzt das, was die Kirche den Menschen von Denver anbieten kann, so Erzbischof Aquila.

„Sicherlich ist diese Art des Zuhörens die beste Art und Weise, wie wir als Katholiken, als Christen auf die Bedürfnisse der Menschen reagieren können, die zutiefst erschüttert sind von der Tragödie und diesem bösen Ereignis. Wir in der Diözese kümmern uns vor Ort um die Menschen, die Beratung und Seelsorge und Begleitung brauchen. Unsere Hilfswerke werden das auch weiterhin während der nächsten Wochen tun, um den Menschen wirklich zu helfen und sie in dem zu unterstützen, was sie gerade durchmachen.“

Während Denver noch unter Schock steht, hatte ein europäisches Land genau ein Jahr lang Zeit, sich von einem der schlimmsten Attentate seiner Geschichte zu erholen: In Norwegen wurde an diesem Sonntag in allen Kirchen mit Gedenkliturgien der Opfer der Anschläge von Oslo und Utoya gedacht. Wer nun aber meinen mochte, der Prozess und das Eindringen in die Gedankenwelt des Attentäters habe Fragen beantworten können, wird enttäuscht worden sein. Für den katholischen Bischof von Oslo, Bernt Eidsvig, sind die Wunden jedenfalls noch lange nicht geheilt:

„Es ist natürlich heute weniger akut, aber ich denke, es gibt nach wie vor nicht mehr Menschen, die sagen, sie verstünden nun mehr davon, was abgelaufen ist. Der Attentäter ist durch den Prozess, der in Kürze zu Ende geführt werden wird, nicht leichter zu verstehen. Er zeigt menschliche Züge, aber hat auch eine ideologische Überzeugung, die fast niemand teilt. Ansonsten gibt es natürlich eine Bearbeitung der großen Trauer, die viele erfahren haben.“

Zu Trauerbearbeitung gehörte im christlichen Sinn auch Vergebung. Doch hier gebe es ein grundlegendes Problem dabei, dem Attentäter zu vergeben, so der Bischof:

„Vergebung ohne Reue ist eine schwierige Sache. Wir können zu Gott beten, dass er ihn in seiner Gnade aufnimmt und dass er zu wirklicher Reue bewegt wird. Aber weiter möchte ich nicht gehen.”

Kurz nach dem Attentat gab es sogar die Befürchtung, die Volksseele könnte durch den Terror Schaden genommen haben und etwas von ihrer Offenheit verlieren. Diese Gefahr zumindest sieht der Bischof gebannt.

„Ich glaube, das Volk hat sich nicht sehr verändert, man hatte eine gewisse Angst, dass eine Organisation hinter ihm stünde, aber es zeigt sich nun, dass das nicht der Fall ist. Er ist ein Einzelgänger und hat allein agiert.“

Und genau diese Einzeltäter sind es, die das demokratische Grundverständnis eines Staates an seine Grenze bringen. Kann es denn ein gerechtes Urteil für einen Mann geben, der 77 Menschen getötet hat?

„Das kann man meines Erachtens sicherlich nicht. Das Problem ist nun, zu entscheiden, ob er psychisch zurechnungsfähig ist, oder ob er krank ist. Man weiß nicht, was das Gericht entscheidet, aber in beiden Fällen wird das sicherlich zu weiteren Problemen führen. Ich glaube, das Volk würde ihn für zurechnungsfähig erklären, wenn es gefragt würde, aber das ist hier natürlich eine juridische Entscheidung, und keine demokratische.“

(rv/muenchner kirchenradio 23.07.2012 cs/ord)








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