USA: „AIDS muss als Familienproblem wahrgenommen werden“
Mittlerweile seit
30 Jahren geistert das Schreckgespenst AIDS um die Welt – zunächst als Krankheit angesehen,
die auf den afrikanischen Kontinent beschränkt und den promiskuitiven Lebensumständen
der dortigen Bevölkerung geschuldet sei, wurde man bald eines Besseren belehrt. Über
die in westlichen Ländern anfangs besonders betroffene Homosexuellenszene weit hinaus
ist die Immunschwächekrankheit mittlerweile allgegenwärtig, sei es in Blutkonserven
oder durch unvorsichtigen Kontakt mit „über jeden Verdacht erhabenen“ Personen. Grund
genug, dem Thema seit Jahren internationale Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Dies
geschieht insbesondere in diesen Tagen in Washington, wo die 19. Weltaidskonferenz
von der International Aids Society durchgeführt wird. Sie findet alle 2 Jahre an wechselnden
Orten statt; mehr als 30.000 Teilnehmer aus aller Welt werden sich ab Sonntag über
die Entwicklungen der AIDS-Prävention, gemeinsame Strategien und Hilfen im Falle der
Infektion austauschen. Der Priester Robert Vitillo wird für die katholische Caritas-Organisation
vor Ort sein. Er hat sie bei der Vorkonferenz, die an diesem Freitag von katholischen
Hilfseinrichtungen organisiert worden ist, vertreten und wird auch bei der Hauptkonferenz
ab Sonntag dabei sein. Im Interview mit Radio Vatikan erzählt er von den Herausforderungen,
die eine ganzheitliche Behandlung der Immunkrankheit mit sich bringt, und von den
Krisenherden, die besonders im Fokus seiner Arbeit stehen.
„Es ist sehr
wichtig, eine umfassende Antwort auf das Problem zu haben, die nicht nur die medizinischen
Aspekte in Betracht zieht, sondern auch die sozialen, wirtschaftlichen, affektiven
und nicht zuletzt auch die spirituellen Probleme. Besonders betroffen von der Krankheit
sind die afrikanischen Länder: Von diesen über 50 Staaten registrieren 22 die Höchstzahl
von Neuerkrankungen. Wir haben Fortschritte gemacht, vor allem was den Zugang zu Kuren
gegen Retroviren angeht, aber immer noch kann nur die Hälfte der Menschen, die diese
Medikamente benötigt, sie auch bekommen.“
Es gehe darum, das Ziel zu verwirklichen,
bis 2015 jede Neuensteckung von Kindern zu verhindern. Für die Verfolgung dieses Anliegens
müssten die Familien der Betroffenen einbezogen werden.
„Es ist sehr wichtig,
die Akzeptanz und Mitarbeit der gesamten Familie mit den Personen, die das AIDS-Virus
in sich tragen, und insbesondere mit den Müttern, zu erreichen. Außerdem ist es wichtig,
die Ehemänner einzubeziehen und sie dazu zu bringen, sich selbst den Tests zu unterziehen
und die antiretroviralen Therapien für die Mütter – und wo notwendig auch für die
Kinder – zu unterstützen. Wir haben eine Untersuchung zu den katholischen Einrichtungen
in den am meisten betroffenen 22 Ländern gemacht und haben festgestellt, dass viele
bereits in die Programme zur Prävention der Krankheitsübertragung von den Müttern
an die Kinder beteiligt sind. Sie haben einen Ansatz, der die gesamte Familie einbezieht.“
Am
Freitag fanden, neben der katholischen, auch verschiedene andere Vorkonferenzen in
der US-Hauptstadt teil. Eine davon vereinigte Vertreter verschiedener Religionsgemeinschaften,
die einen religionsübergreifenden Ansatz zur Bekämpfung der Immunschwächekrankheit
besprochen haben. Astrid Berner-Rodoreda vom evangelischen Hilfswerk „Brot für die
Welt“ war dabei. Sie wird ebenfalls an der Internationalen Aidskonferenz teilnehmen
und ist am Dienstag ins Weiße Haus eingeladen, um mit Vertretern und Vertreterinnen
verschiedener Glaubensrichtungen und ihrer Hilfsorganisationen über das Engagement
der Kirchen im Kampf gegen Aids zu sprechen. Mario Galgano hat sie im Vorfeld gefragt,
welchen Beitrag Religionsgemeinschaften beim Kampf gegen Aids leisten.
„Es
geht darum, dass religiöse Organisationen sehr viele Freiwillige mobilisieren können
und eben in der lokalen Gemeinschaft sind. Der neue UN Aidsbericht zeigt, dass 98
Prozent der Menschen in Behandlungsprogrammen, die von religiösen Gemeinschaften oder
von der Gemeinde durchgeführt werden, nach zwei Jahren immer noch in Behandlung sind,
während es bei Programmen, die lediglich in Kliniken stattfinden, es gerade einmal
70 Prozent sind. Also es wurde einfach noch einmal aufgezeigt, dass die religiösen
Organisationen hier eine wichtige Rolle einnehmen.“
Welchen Beitrag leisten
denn Religionsgemeinschaften beim Kampf gegen AIDS?
„Einer unserer Partner
ist selbst Anglikanischer Priester. Er hat den Satz geprägt ’HIV ist größer als die
Kirche, aber nicht größer als Gott’. Ich denke, das schließt einfach noch einmal ein,
dass wir voneinander und von den verschiedenen Religionen lernen, wie wir noch besser
mit HIV umgehen können. Sodass wir die Menschen nicht ausschließen, nicht stigmatisieren,
sondern dass wir Menschen willkommen heißen und wirklich die besten Dienste anbieten;
von der Prävention bis zur Behandlung.“
Über die Religionen hinaus, was
sind denn die Erwartungen, auch von den anderen Teilnehmern, von der Welt-AIDS-Konferenz?
„Wir
erwarten natürlich alle, dass durch die hohe Medienaufmerksamkeit HIV wieder höher
auf die politische Tagesordnung kommt. Vor ein paar Tagen kam der neue Bericht von
UN-AIDS heraus, und wir haben einige Erfolge erzielt. Es haben heute 58 Millionen
Menschen Zugang zur Behandlung, und das ist wunderbar. Aber, sieben Millionen brauchen
eben noch die Behandlung. Da braucht man natürlich eine internationale Finanzierung,
die ermöglicht, dass wir hier wirklich eine Wende herbei führen können, dass wir wirklich
weiter Fortschritte erzielen.“