Religiöse Intoleranz
gegen Christen in Afrika ist auf dem Vormarsch. Davor warnen italienische Fachleute,
die ihre Einschätzungen an diesem Donnerstag der Presse in Rom vorstellten. Der Soziologe
Massimo Introvigne, der die Beobachtungsstelle für Religionsfreiheit in Rom leitet,
sieht zwei Gründe dafür: einerseits eine religiöse Überlagerung lokaler Konflikte
wie beispielsweise in Nigeria, andererseits die Bildung von Netzwerken terroristischer
Gruppen, die eine „religiöse Säuberung“ beabsichtigen.
„Ein Anführer
von Boko Haram sagte kürzlich: Die Christen haben drei Möglichkeiten, sterben, auswandern
oder zum Islam übertreten. Die meisten Muslime unterstützen diese Haltung nicht, in
Nigeria wollen 70 Prozent der Muslime mit den Christen friedlich zusammenleben. Gleichzeitig
gibt es ein Netzwerk terroristischer Gruppen zwischen Mali, Somalia, Nigeria, Kenia,
die sich die Vertreibung der Christen zum Ziel gesetzt haben. Die Christen sind zahlreich,
man kann sie nicht alle umbringen, aber wir haben es da wirklich mit jener Art von
religiöser ,Säuberung‘ zu tun, die wir damals im Irak erlebten. Die Strategie ist,
den Christen das Leben derart gefährlich zu machen, dass sie lieber auswandern.“
Italiens
Politik hat inzwischen ein hohes Problembewusstsein für die Gefahren religiöser Intoleranz
in Afrika entwickelt. Das sagte Außenminister Giulio Terzi bei der Pressekonferenz.
Roms Diplomatie sei bei diesen Initiativen sogar federführend und schaffe es regelmäßig,
andere Partner ins Boot zu holen, um Gewalt gegen Christen möglichst im Keim zu ersticken.
Introvigne:
„Italien beschränkt sich nicht darauf, die langen Handlungszeiten
internationaler Organisationen abzuwarten, sondern geht auch bilateral vor, etwa bei
der Fortbildung von Verwaltungs- und Sicherheitskräften in den betreffenden Ländern,
die dann etwa rund um Kirchen im Einsatz sind; Kirchen sind mancherorts ja leider
sensible Orte für Gewalt geworden. Da hat Italien viel getan und wurde international
gelobt dafür. Die Idee ist nicht, die örtlichen Kräfte zu ersetzen, sondern ihnen
zu helfen.“
Der Erfolg dieser italienischer Initiativen hänge
aber eben davon ab, wie viele Partner in Europa mit einsteigen und „wie breit die
Koalition ist“, sagte Introvigne.
„Der Außenminister hat heute offen
gesagt, dass es ein Problem mit den Ressourcen gibt. Die Fortbildung von Einsatzkräften
kostet, und mit der Wirtschaftskrise wird das schwieriger. Wir müssen aber die Regierungen
überzeugen, dass das keine Geschenke sind, sondern notwendige Ausgaben. Vor einigen
Tagen, ich war gerade in Großbritannien, schlugen dort die Sicherheitsdienste Alarm:
In Mali würden Terroristen ausgebildet, die bei der Olympiade von London zuschlagen
wollen. Das zeigt, dass die Ausgaben, um die fundamentalistische Gewalt in Afrika
unter Kontrolle zu bringen, nicht bloß eine großzügige Hilfe an die Afrikaner ist,
sondern dem Terrorismus bei uns vorbeugen.“