Russland/Polen: „Verbunden im gemeinsamen Schmerz“
Mehr als 70 Jahre nach den Massenmorden von Katyn hat der orthodoxe Moskauer Patriarch
Kyrill I. am 15. Juli in dem westrussischen Ort eine Kirche geweiht, in der der Opfer
gedacht werden soll. Die sowjetischen Machthaber hatten hier in den 1920er und 30er
Jahren 10.000 Sowjetbürger und 1940 rund 4.000 Polen hinrichten lassen. Als „Massaker
von Katyn“ wird in Polen allerdings die Ermordung von mehr als 20.000 polnischen Kriegsgefangenen
durch den sowjetischen Geheimdienst NKWD im Frühjahr 1940 bezeichnet. Der Patriarch
warb in seiner Predigt für die Aussöhnung beider Länder. „Katyn ist ein gemeinsames
Grab für Russen und Polen, ein Ort der gemeinsamen Trauer und ein Ort gemeinsamer
tiefer Erlebnisse. Nichts verbindet Menschen mehr als gemeinsamer Schmerz, wenn er
als gemeinsamer wahrgenommen wird.“ Es sei an der Zeit zu erkennen, dass Katyn ein
„schreckliches Symbol unserer gemeinsamen Tragödie“ sei. Polen und Russen sollten
sich die Hände reichen und der Opfer gedenken. Die neue Kirche könne eine neue Ära
in den russisch-polnischen Beziehungen einleiten, so Kyrill I.. Es scheint in seiner
Absicht zu liegen, den Worten bald Taten folgen zu lassen: Vom 16. bis 19. August
wird Kyrill I. zum ersten Mal Polen besuchen und dabei eine Versöhnungserklärung zwischen
Polens katholischer und Russlands orthodoxer Kirche unterzeichnen. Das Dokument soll
am 17. August bei einem Festakt mit dem Vorsitzenden der Polnischen Bischofskonferenz,
Erzbischof Jozef Michalik, im Warschauer Königsschloss unterzeichnet werden. Die beiden
Kirchenführer appellieren darin an Polen und Russen, einander alle Schuld, alles Unrecht
und alles Böse zu vergeben, das sich in der Geschichte zwischen den beiden slawischen
Nachbarvölkern ereignet hat.
Bis heute belasten die Massenmorde von Katyn
das Verhältnis zwischen Polen und Russland. Erst 1990 hatte sich Moskau zur Ermordung
der Polen bekannt. Noch immer halten russische Behörden einen Teil der Akten zu den
eigenen Katyn-Ermittlungen unter Verschluss. Kyrill I. kennt den Ort und den schwierigen
Umgang mit dem Verbrechen gut. Von 1984 bis 2009 war er Metropolit von Smolensk, nur
30 Kilometer von Katyn entfernt. (kna 17.07.2012 pr)