Die Hilfsorganisation
„Ärzte ohne Grenzen“ schlägt Alarm: in ihrem am Donnerstag veröffentlichten Jahresbericht
zieht die Organisation ein ernüchterndes Fazit zur humanitären Lage im Südsudan, der
erst vor wenigen Tagen den Jahrestag seiner Unabhängigkeit begangen hat: Zehntausende
Flüchtlinge harrten in der Grenzregion zu Nordsudan in Flüchtlingslagern aus, dringend
benötigt würden Medizin, Essen und Wasser. Der „Ärzte ohne Grenzen“-Geschäftsführer
Frank Dörner appelliert im Interview mit dem Kölner Domradio an die Internationale
Gemeinschaft:
„Im Moment erwarten wir, dass die internationale Gemeinschaft
ihre Nothilfe, vor allem die medizinische Versorgung, in den Vordergrund ihrer Bemühungen
stellt. Das eine ist natürlich langfristige Hilfe, um Infrastrukturen usw. aufzubauen.
Aber jetzt im Moment sind es zehntausende Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind.
Es geht ihnen so schlecht, dass sie sterben, wenn wir ihnen nicht helfen!“
Die
Lage der Flüchtlinge, die vor kriegerischen Auseinandersetzungen aus dem Sudan in
den Südsudan geflohen sind, sei „extrem schockierend“, so Dörner: Nach Regenfällen
hätte sich die öde Savannenlandschaft in eine Schlammwüst verwandelt. Auch nach der
Umlagerung in andere Auffangzentren hätte sich die Lage der Flüchtlinge nicht verbessert.
„Es
sind schon sehr viele Menschen gestorben, es sind vor allem Kinder, Kranke, Schwangere
und alte Menschen, die schon chronische Erkrankungen mitbrachten. Es besteht die Gefahr,
dass diese Menschen vergessen werden! Es sind Zehntausende, die medizinische Versorgung,
Nahrung, ein Dach über dem Kopf und vor allem Wasser – eine Mangelware hier – brauchen.
Ein großes Problem ist, dass das Land nicht auf die Situation vorbereitet ist, in
der es sich jetzt befindet. Praktisch besteht keine Infrastruktur. Das gilt auch im
medizinischen Bereich und das heißt: Drei Viertel der Menschen haben kein Zugang zu
medizinischer Basisversorgung.“
Die Spannungen zwischen Sudan und Südsudan
stehen auch auf der Agenda eines Treffens der Afrikanischen Union in diesen Tagen.
Dabei dürfte es darum gehen, die Konfliktparteien an einen Tisch zu bekommen und über
die Ölreserven zu verhandeln – der Hauptursache der bewaffneten Konflikte. Hintergrund Nach
UN-Angaben ist mindestens eine halbe Million Menschen wegen bewaffneter Konflikte
im Grenzgebiet von Sudan und Südsudan ohne Versorgung. Etwa 170.000 Menschen seien
in den Südsudan geflohen. Der Südsudan hat am 9. Juli vor einem Jahr die staatliche
Unabhängigkeit erlangt. Vorausgegangen war ein jahrzehntelanger Bürgerkrieg gegen
die Regierung im Norden des Sudans, der 2005 durch einen Friedensvertrag beendet wurde.
Seit der Unabhängigkeit häufen sich aber gewaltsame Konflikte, die Ängste vor einem
neuen Krieg schüren.