D: Beschneidungsurteil löst Debatten über Religionsfreiheit aus
Der Münchner Kardinal Reinhard Marx ist überzeugt, dass männliche Kleinkinder in Deutschland
auch künftig aus religiösen Gründen straffrei beschnitten werden können. Das umstrittene
Urteil des Kölner Landgerichts werde in der Angelegenheit „nicht das letzte Wort gewesen
sein“, sagte Marx am Donnerstagabend beim Jahresempfang seines Erzbistums in München.
Das Judentum habe auch in Deutschland einen Anspruch auf Religionsfreiheit.
Der
Zentralrat der Juden forderte unterdessen eine überparteiliche Gesetzesinitiative
für legale Beschneidungen von Jungen. In einem Brief hat der Präsident des Zentralrats
der Juden in Deutschland die Bundesregierung, alle Fraktionsvorsitzenden sowie die
Ministerpräsidenten der Länder aufgefordert, für gesetzliche Klarheit zu sorgen. Das
gab Dieter Graumann jetzt gegenüber der „Rheinischen Post“ an. „Die Beschneidung ist
für Juden absolut elementar“, bekräftigte der Ratspräsident in dem Interview. Wenn
das Urteil des Kölner Gerichts zur Rechtslage würde, sei „in letzter Konsequenz jüdisches
Leben in Deutschland nicht mehr möglich“. Das Kölner Landgericht hatte die Beschneidung
der Penisvorhaut bei minderjährigen Jungen im Falle einer religiösen Motivation als
strafbare Körperverletzung gewertet.
Debatte über Religionsfreiheit
Vor dem Hintergrund des Beschneidungsurteils wollen Juden, Christen
und Muslime in Deutschland das Thema Religionsfreiheit stärker in den Blickpunkt der
Öffentlichkeit rücken. Vertreter der drei Religionen wollen am kommenden Dienstag
in Stuttgart darüber beraten, wie freie Religionsausübung besser geschützt werden
kann. Bei dem Treffen in der baden-württembergischen Landeshauptstadt könnte es beispielsweise
darum gehen, wie eine gemeinsame Großveranstaltung von Juden, Christen und Muslimen
aussehen könnte. Über das „Trialog“-Treffen hatte das Vorstandsmitglied der orthodoxen
Rabbinerkonferenz in Deutschland, der Dortmunder Rabbiner Avichai Apel, an diesem
Donnerstag bei einer Veranstaltung in Berlin informiert. Er betonte, der Kölner Richterspruch
habe viele jüdische Eltern in Deutschland verunsichert. Die Juden seien in großer
Sorge, wie der Fall weiter behandelt werde. Die Deutsche Bischofskonferenz hatte das
Urteil als „befremdlich“ bewertet, da es der „grundgesetzlich geschützten Religionsfreiheit
der Eltern und ihrem Erziehungsrecht in keiner Weise gerecht“ werde. Das Gericht hatte
die im Judentum und im Islam verbreitete Beschneidung als Körperverletzung bewertet.
(kna/pm 13.07.2012 pr)