Die Sonntagsbetrachtung: Elefanten und Leichtigkeit
Die Betrachtung zum Sonntagsevangelium stammt im Monat Juli aus der Feder unseres
langjährigen Kollegen bei Radio Vatikan, des deutschen Priesters Ludwig Waldmüller.
Elefanten
und Leichtigkeit – das ist nun wirklich ein großer Widerspruch. Dessen bin ich mir
schon bewusst. Und trotzdem: Elefanten sind ein schönes Zeichen dafür, wie man es
sich leicht machen kann im Leben. Nicht irgendwelche Elefanten, sondern besondere.
Zirkuselefanten. Elefantendamen. Und zwar diejenigen von Walt Disney. Erinnern Sie
sich noch an den Film „Dumbo“? Der kleine Elefant, der so große Ohren hat, von allen
ausgeschlossen wird, aber schließlich der große Star ist, weil er fliegen kann? Genau.
Und um Dumbo dreht sich die Geschichte von den Elefanten und der Leichtigkeit: Denn
die Elefantendamen machen es sich mit Dumbo sehr leicht. Warum? Nun, Dumbo ist anders,
das Ziel von Spott. Und als er eines Tages ins Elefantengehege kommt – seine Mutter
wurde gerade in Einzelhaft genommen – da drehen ihm die versammelten Elefantendamen
demonstrativ ihre mächtigen grauen Hinterteile zu. Du hast mit uns nichts zu schaffen.
Wir lehnen dich ab. Du passt nicht in unser Bild. Die Elefantendamen machen sich’s
leicht. Wegschauen, ablehnen, wegdrehen. Die graue ablehnende Mauer ist mir eingefallen,
als ich das heutige Evangelium las. Da sind es vielleicht eher die verschränkten Arme
und die missmutigen Blicke der Leute aus Nazaret – aber auch sie machen es sich recht
leicht mit Jesus.
Ablehnen ist leichter Warum? Nun: Es ist
einfach viel leichter, von vornherein jemanden oder etwas abzulehnen, als sich damit
zu beschäftigen. Da kommt Jesus zurück in seine Heimatstadt – und die Leute sind außer
sich. Sie haben von ihm gehört, haben erfahren, was er tut, was er Weises sagt, wie
er die Menschen in seinen Bann zieht. Aber das passt einfach nicht in das Bild, das
sie vom Handwerker Jesus aus dem Nachbarhaus haben. Es kann doch nicht sein, dass
er auf einmal etwas zu sagen hätte. Es kann doch nicht sein, dass er, der kleine Bub
aus der Gasse dort drüben, auf einmal sagen kann, wo’s lang geht! Und dass er Dinge
tut, mit denen man nie gerechnet hat! Sie lehnen Jesus ab, verschränken ihre Arme,
drehen ihm den Rücken zu. Und das nur, weil er nicht in das Bild passt, das sie von
ihm haben. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Punkt.
Und genau damit
versuchen sie, es sich leichter zu machen. Es ist in der Tat immer leichter etwas
abzulehnen, als sich mit etwas zu konfrontieren. Ist Ihnen aufgefallen, dass im Evangelium
niemand von den Leuten aus Nazaret auch nur den Versuch macht, mit Jesus zu sprechen?
Lieber von vornherein sagen: Das ist nichts!, als sich in irgendeiner Weise mit ihm
zu konfrontieren. Ich glaube, dass das eine ganz moderne Haltung ist: Es ist viel
einfacher, alles, was mit Kirche, Jesus Christus und dem Ganzen zu tun hat, abzulehnen,
als sich wirklich damit zu beschäftigen. Es ist viel leichter, den Katechismus, die
Bibel oder was auch immer als aus vorvergangenen Zeiten abzutun, als sich damit zu
beschäftigen. Ein Glaubenssatz, der mir kompliziert erscheint, ist einfach nix mehr
für Menschen von heute. Sich damit wirklich auseinander zu setzen, das ist doch viel
zu anstrengend. Und genau da liegt der Punkt: Die Sache Jesu ist sicherlich nichts
für Weicheier. Die Sache Jesu braucht den Einsatz des einzelnen. Jeden Tag aufs Neue.
Fremdes oberflächlich ist leichter Doch noch einmal zurück
ins Evangelium zu den sich ablehnend umdrehenden Leuten aus Nazaret. In seiner Heimat
hat es ein Prophet unbeschreiblich schwer, sagt Jesus. Und zwar aus einem einfachen
Grund: Man kennt ihn. Der kann doch gar nicht recht haben, das ist doch viel zu gewöhnlich.
Die gleichen Probleme hat Jesus in keiner anderen Stadt. Denn dort ist er eben nicht
der, den man halt schon kennt. Genau da liegt das Problem: Was man schon mal gesehen,
erlebt und gehört hat, ist bei weitem nicht so viel wert und vor allem nicht so interessant
wie das Neue und Fremde.
Auch hier sehe ich eine ganz aktuelle Bedeutung des
heutigen Evangeliums: Wieso um alles in der Welt haben in unseren Breiten gerade fernöstliche
Meditationspraktiken oder Weisheitssprüche aus asiatischen Religionen weit mehr Konjunktur
als die christliche Botschaft? Ich denke, da liegt der gleiche Mechanismus dahinter:
Es ist viel leichter, sich oberflächlich und neu von einem unbekannten Thema beeinflussen
zu lassen, als sich intensiv mit dem Bekannten zu beschäftigen. Viele Menschen erwarten
heute von der christlichen Botschaft, die sie im Religionsunterricht und der Familie
gelernt haben, nichts. Aber in fernen Religionen, in esoterischen Büchern oder bei
pentekostalen Predigern im Fernsehen, da scheint doch etwas zu stecken. Das ist viel
interessanter und viel schneller zu nehmen. Genau: Es ist nämlich viel, viel leichtere
Kost! Ein schöner Satz aus einer Sammlung von Weisheitslehrern ist doch um einiges
einfacher anzunehmen, als wenn ich mich tief und tiefer in das Bekannte hinein arbeiten
muss. Die Sache Jesu braucht den Willen dabeizubleiben und weiter zu suchen. Die Sache
Jesu braucht die Energie, es wieder und wieder zu durchdenken. Zu lesen. Zu hören.
Zu diskutieren. Zu fragen. Wer sich einfach wegdreht wie die Leute aus Nazaret und
sich etwas anderem zuwendet, der vergibt die ganz große Chance der Tiefe.
Gemeinsames
Ablehnen leichter Aber noch einmal zu den Elefantendamen, pardon, den
Menschen aus Nazaret. Gemeinsam stehen sie vor der Synagoge, so stell ich’s mir vor,
und reden fleißig miteinander: Das Evangelium berichtet, wie sie miteinander ihre
Gedanken teilen: Ist er nicht der Sohn des Zimmermanns? Leben seine Verwandten nicht
bei uns? Ich sehe sie buchstäblich vor mir, wie sie in Grüppchen zusammenstehen und
sich gegenseitig in der Ablehnung Jesu hochstacheln. Und damit sind wir schon wieder
bei etwas, womit sich die Leute der Heimatstadt Jesu das Leben vereinfachen: Es ist
tausendmal leichter, sich gegenseitig darin zu bestärken, dass eine Sache sowieso
nicht wert sei. Genau das tun sie ja: Sie legen sich gegenseitig dar, warum es keinen
Sinn macht, sich mit dem, was Jesus sagt und tut, auseinander zu setzen. Keiner aus
der Gruppe geht auf Jesus direkt zu, um ihn zu fragen. Wäre ja auch schrecklich: So
ganz alleine…
Und wieder blitzt die Aktualität des Evangeliums heraus: Es ist
doch heute viel leichter mit all denen mitzulaufen und mitzureden, die im Christentum,
in der Sache Jesu, keine Spur für heute entdecken wollen. Es ist doch viel leichter,
wie alle anderen meiner Altersgruppe am Stammtisch festzustellen, dass die Kirche
nicht ins 21. Jahrhundert passt und mich von der Mehrheitsmeinung bestätigen zu lassen.
Es ist alles viel leichter, als meinen eigenen Weg mit Jesus zu gehen. Ihn wirklich
zu fragen, mich auf ihn einzulassen und vielleicht zu riskieren, dass ich nicht mit
der großen Masse mitschwimmen werde. Liebe Hörerin, lieber Hörer, die Elefantendamen
aus Dumbo, die dem kleinen Elefanten mit den großen Ohren weit mehr als die kalte
Schulter zudrehen, machen es sich leicht: Nur nicht damit auseinander setzen, dass
da etwas anders ist, als wir es uns vorstellen.
Das Gleiche sehe ich im Evangelium:
Die Leute aus Nazareth machen es sich leicht: Es ist leichter abzulehnen als zu konfrontieren.
Es ist leichter Fremdes neu und oberflächlich anzuschauen, als sich mit dem Bekannten
auseinander zu setzen. Es ist leichter gemeinsam etwas abzulehnen, als den eigenen
Weg zu gehen. Es ist sicher leichter so. Aber wer den vielleicht schwereren Weg geht,
der wird erleben, was in Nazareth nicht zu erleben war: Er wird die Wunder Jesu im
eigenen Leben erfahren!