2012-07-07 12:48:06

Die Sonntagsbetrachtung: Elefanten und Leichtigkeit


Die Betrachtung zum Sonntagsevangelium stammt im Monat Juli aus der Feder unseres langjährigen Kollegen bei Radio Vatikan, des deutschen Priesters Ludwig Waldmüller.

Elefanten und Leichtigkeit – das ist nun wirklich ein großer Widerspruch. Dessen bin ich mir schon bewusst. Und trotzdem: Elefanten sind ein schönes Zeichen dafür, wie man es sich leicht machen kann im Leben. Nicht irgendwelche Elefanten, sondern besondere. Zirkuselefanten. Elefantendamen. Und zwar diejenigen von Walt Disney. Erinnern Sie sich noch an den Film „Dumbo“? Der kleine Elefant, der so große Ohren hat, von allen ausgeschlossen wird, aber schließlich der große Star ist, weil er fliegen kann? Genau. Und um Dumbo dreht sich die Geschichte von den Elefanten und der Leichtigkeit: Denn die Elefantendamen machen es sich mit Dumbo sehr leicht. Warum? Nun, Dumbo ist anders, das Ziel von Spott. Und als er eines Tages ins Elefantengehege kommt – seine Mutter wurde gerade in Einzelhaft genommen – da drehen ihm die versammelten Elefantendamen demonstrativ ihre mächtigen grauen Hinterteile zu. Du hast mit uns nichts zu schaffen. Wir lehnen dich ab. Du passt nicht in unser Bild. Die Elefantendamen machen sich’s leicht. Wegschauen, ablehnen, wegdrehen. Die graue ablehnende Mauer ist mir eingefallen, als ich das heutige Evangelium las. Da sind es vielleicht eher die verschränkten Arme und die missmutigen Blicke der Leute aus Nazaret – aber auch sie machen es sich recht leicht mit Jesus.

Ablehnen ist leichter
Warum? Nun: Es ist einfach viel leichter, von vornherein jemanden oder etwas abzulehnen, als sich damit zu beschäftigen. Da kommt Jesus zurück in seine Heimatstadt – und die Leute sind außer sich. Sie haben von ihm gehört, haben erfahren, was er tut, was er Weises sagt, wie er die Menschen in seinen Bann zieht. Aber das passt einfach nicht in das Bild, das sie vom Handwerker Jesus aus dem Nachbarhaus haben. Es kann doch nicht sein, dass er auf einmal etwas zu sagen hätte. Es kann doch nicht sein, dass er, der kleine Bub aus der Gasse dort drüben, auf einmal sagen kann, wo’s lang geht! Und dass er Dinge tut, mit denen man nie gerechnet hat! Sie lehnen Jesus ab, verschränken ihre Arme, drehen ihm den Rücken zu. Und das nur, weil er nicht in das Bild passt, das sie von ihm haben. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Punkt.

Und genau damit versuchen sie, es sich leichter zu machen. Es ist in der Tat immer leichter etwas abzulehnen, als sich mit etwas zu konfrontieren. Ist Ihnen aufgefallen, dass im Evangelium niemand von den Leuten aus Nazaret auch nur den Versuch macht, mit Jesus zu sprechen? Lieber von vornherein sagen: Das ist nichts!, als sich in irgendeiner Weise mit ihm zu konfrontieren. Ich glaube, dass das eine ganz moderne Haltung ist: Es ist viel einfacher, alles, was mit Kirche, Jesus Christus und dem Ganzen zu tun hat, abzulehnen, als sich wirklich damit zu beschäftigen. Es ist viel leichter, den Katechismus, die Bibel oder was auch immer als aus vorvergangenen Zeiten abzutun, als sich damit zu beschäftigen. Ein Glaubenssatz, der mir kompliziert erscheint, ist einfach nix mehr für Menschen von heute. Sich damit wirklich auseinander zu setzen, das ist doch viel zu anstrengend. Und genau da liegt der Punkt: Die Sache Jesu ist sicherlich nichts für Weicheier. Die Sache Jesu braucht den Einsatz des einzelnen. Jeden Tag aufs Neue.

Fremdes oberflächlich ist leichter
Doch noch einmal zurück ins Evangelium zu den sich ablehnend umdrehenden Leuten aus Nazaret. In seiner Heimat hat es ein Prophet unbeschreiblich schwer, sagt Jesus. Und zwar aus einem einfachen Grund: Man kennt ihn. Der kann doch gar nicht recht haben, das ist doch viel zu gewöhnlich. Die gleichen Probleme hat Jesus in keiner anderen Stadt. Denn dort ist er eben nicht der, den man halt schon kennt. Genau da liegt das Problem: Was man schon mal gesehen, erlebt und gehört hat, ist bei weitem nicht so viel wert und vor allem nicht so interessant wie das Neue und Fremde.

Auch hier sehe ich eine ganz aktuelle Bedeutung des heutigen Evangeliums: Wieso um alles in der Welt haben in unseren Breiten gerade fernöstliche Meditationspraktiken oder Weisheitssprüche aus asiatischen Religionen weit mehr Konjunktur als die christliche Botschaft? Ich denke, da liegt der gleiche Mechanismus dahinter: Es ist viel leichter, sich oberflächlich und neu von einem unbekannten Thema beeinflussen zu lassen, als sich intensiv mit dem Bekannten zu beschäftigen. Viele Menschen erwarten heute von der christlichen Botschaft, die sie im Religionsunterricht und der Familie gelernt haben, nichts. Aber in fernen Religionen, in esoterischen Büchern oder bei pentekostalen Predigern im Fernsehen, da scheint doch etwas zu stecken. Das ist viel interessanter und viel schneller zu nehmen. Genau: Es ist nämlich viel, viel leichtere Kost! Ein schöner Satz aus einer Sammlung von Weisheitslehrern ist doch um einiges einfacher anzunehmen, als wenn ich mich tief und tiefer in das Bekannte hinein arbeiten muss. Die Sache Jesu braucht den Willen dabeizubleiben und weiter zu suchen. Die Sache Jesu braucht die Energie, es wieder und wieder zu durchdenken. Zu lesen. Zu hören. Zu diskutieren. Zu fragen. Wer sich einfach wegdreht wie die Leute aus Nazaret und sich etwas anderem zuwendet, der vergibt die ganz große Chance der Tiefe.

Gemeinsames Ablehnen leichter
Aber noch einmal zu den Elefantendamen, pardon, den Menschen aus Nazaret. Gemeinsam stehen sie vor der Synagoge, so stell ich’s mir vor, und reden fleißig miteinander: Das Evangelium berichtet, wie sie miteinander ihre Gedanken teilen: Ist er nicht der Sohn des Zimmermanns? Leben seine Verwandten nicht bei uns? Ich sehe sie buchstäblich vor mir, wie sie in Grüppchen zusammenstehen und sich gegenseitig in der Ablehnung Jesu hochstacheln. Und damit sind wir schon wieder bei etwas, womit sich die Leute der Heimatstadt Jesu das Leben vereinfachen: Es ist tausendmal leichter, sich gegenseitig darin zu bestärken, dass eine Sache sowieso nicht wert sei. Genau das tun sie ja: Sie legen sich gegenseitig dar, warum es keinen Sinn macht, sich mit dem, was Jesus sagt und tut, auseinander zu setzen. Keiner aus der Gruppe geht auf Jesus direkt zu, um ihn zu fragen. Wäre ja auch schrecklich: So ganz alleine…

Und wieder blitzt die Aktualität des Evangeliums heraus: Es ist doch heute viel leichter mit all denen mitzulaufen und mitzureden, die im Christentum, in der Sache Jesu, keine Spur für heute entdecken wollen. Es ist doch viel leichter, wie alle anderen meiner Altersgruppe am Stammtisch festzustellen, dass die Kirche nicht ins 21. Jahrhundert passt und mich von der Mehrheitsmeinung bestätigen zu lassen. Es ist alles viel leichter, als meinen eigenen Weg mit Jesus zu gehen. Ihn wirklich zu fragen, mich auf ihn einzulassen und vielleicht zu riskieren, dass ich nicht mit der großen Masse mitschwimmen werde.
Liebe Hörerin, lieber Hörer, die Elefantendamen aus Dumbo, die dem kleinen Elefanten mit den großen Ohren weit mehr als die kalte Schulter zudrehen, machen es sich leicht: Nur nicht damit auseinander setzen, dass da etwas anders ist, als wir es uns vorstellen.

Das Gleiche sehe ich im Evangelium: Die Leute aus Nazareth machen es sich leicht: Es ist leichter abzulehnen als zu konfrontieren. Es ist leichter Fremdes neu und oberflächlich anzuschauen, als sich mit dem Bekannten auseinander zu setzen. Es ist leichter gemeinsam etwas abzulehnen, als den eigenen Weg zu gehen. Es ist sicher leichter so. Aber wer den vielleicht schwereren Weg geht, der wird erleben, was in Nazareth nicht zu erleben war: Er wird die Wunder Jesu im eigenen Leben erfahren!

(rv 07.07.2012 lw)







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