Der Erzbischof und
Kardinal Rainer Maria Woelki ruft dazu auf, sich authentisch zu verhalten, ohne dazu
notwendigerweise in Kategorien eingeordnet werden zu müssen. Der Kardinal hat an diesem
Freitag von Papst Benedikt im Rahmen einer feierlichen Messfeier zusammen mit 42 anderen
Erzbischöfen das Pallium überreicht bekommen. Am Rande der Verleihung äußerte er sich
im Interview mit Radio Vatikan. Wir wollten von ihm wissen, wie er mit den durchaus
unterschiedlichen Kategorisierungen, die deutschsprachige Medien mit ihm vornehmen,
umgehe:
„Ich versuche insgesamt, Menschen nicht einzuordnen, deswegen möchte
ich auch nicht, dass man das bei mir tut. Es geht einfach darum, möglichst authentisch
zu sein. Als Christ geht es vor allem darum, sich vor Christus zu verantworten, und
das zu tun und zu sagen, und so zu handeln, wie man glaubt, es aus dem Evangelium
heraus verstanden zu haben. Das ist eigentlich das Entscheidende, auch wenn es dann
manchmal eher konservativ und manchmal eher progressiv zugeht. Ich denke, dass die
Menschen, die damals mit dem Herren zusammen waren, auch die größten Schwierigkeiten
hatten, ihn einzuordnen. Es war von ihm ja auch unter verschiedenen Gesichtspunkten
die Rede, die einen haben ihn einen Fresser und Säufer geschimpft, die anderen haben
wieder anderes über ihn gesagt – nicht dass Sie jetzt meinen könnten, ich wollte mich
mit Christus vergleichen, aber ich denke, dass das immer schwierig ist, wenn man versucht,
Menschen auf ein bestimmtes Verhaltensmuster festzulegen. Das geht in der Regel schief.“
Die
Übergabe des Palliums sei ein bewegender Moment gewesen, so der Erzbischof und jüngster
Kardinal überhaupt. Es verknüpften sich mit diesem Stück Stoff aber auch verschiedene
Bedeutungsebenen:
„Es ist für mich ein wichtiges Zeichen der Verbundenheit
mit dem Heiligen Stuhl, mit Rom, wir sind Weltkirche und wir können als Bischofskollegium
immer auch nur in der Einheit mit dem Heiligen Vater stehen. Dieses Pallium ist für
mich auch Ausdruck der Einheit und der jetzt mir auch übertragenen Mitsorge, diese
Einheit, zumindest in dem Bereich, für den ich verantwortlich bin, zu wahren und zu
fördern.“
Der Kardinal hat am Samstagabend mit einer Messfeier seine Titelkirche
in Rom, San Giovanni Maria Vianney in der östlichen Peripherie Roms, in Besitz genommen.
Die Beziehung zu seiner neuen römischen Gemeinde, die ihm nun als Kardinal unterstehe,
müsse aber langsam wachsen:
„Ich lerne morgen das erste Mal den Pfarrer
und die Gemeinde kennen. Ich weiß, dass die Beziehungen von einigen Kardinälen sehr
intensiv betrieben werden, von anderen hingegen etwas weniger intensiv, soweit ich
weiß. Wir müssen uns da erst einmal miteinander verständigen, und ich hoffe, dass
das ein gutes Miteinander wird und somit eine gute Beziehung und Partnerschaft wachsen
kann.“
Dabei sei der Gegensatz zwischen seiner Berliner Gemeinde und der
Gemeinde in Rom, die in einem sozial eher schwachen Viertel liegt, gar nicht so groß,
obwohl das Verhältnis gläubiger Katholiken zu Andersgläubigen genau umgekehrt proportional
sei:
„Ich sehe den Gegensatz eigentlich gar nicht so stark, es muss sowohl
bei denen, die in Rom in der Gemeinde sind, als auch bei denen, die in Berlin leben,
immer darum gehen, dass wir versuchen, Christus ins Wort zu bringen. Das kann manchmal
genauso herausfordernd und anstrengend bei 90 Prozent Katholiken sein, wie das bei
10 Prozent Katholiken der Fall ist. Jedenfalls, das wird die große Herausforderung
in Italien und in Deutschland, in Rom wie in Berlin sein, dass wir in die Fußstapfen
Jesu treten und dass wir ihn und sein Evangelium als die große Alternative anzubieten
haben. Hinzu kommt, dass ich hier auch erfahren habe, dass eine Reihe von sozialen
Problemen in der Pfarrei der Titelkirche mit gegeben sind, dass Rumänen und Bulgaren
ansässig sind, dass es auch eine Form von sozialer Spannung gibt. Das ist eine Wirklichkeit,
die wir ja auch ganz ähnlich in Berlin haben.“
Gerade als Oberhirte einer
„pluralen“ Großstadt wie Berlin empfinde er es wichtig, dass sich die Bischofssynode
dem Thema der Neuevangelisierung stelle. Papst Benedikt XVI., und vor ihm bereits
Johannes Paul II. hätten den Beginn einer Neuevangelisierung angemahnt:
„Es
muss darum gehen, dass wir uns auf die wesentlichen Elemente verständigen, die in
einer säkularen Gesellschaft transportiert werden müssen. Wir müssen auch sehen, wie
es gelingen kann, mit Menschen, die den Glauben verloren haben, wieder ins Gespräch
zu kommen. Das Christentum hat in der Vergangenheit immer die große Chance gehabt,
auf Menschen zu treffen, die einer Religion angehörten, und in dieser Religion auch
gelebt haben. Heute, zumindest bei uns in Berlin, ist es so, dass die Menschen teilweise
ohne Glauben aufgewachsen sind. Wir müssen also lernen, eine Sprache zu finden, um
auf diese Menschen zuzukommen. Wenn die Synode dazu beitragen würde, wäre sie ein
echter Gewinn.“
Die Krise im Vatikan, von der in letzter Zeit in zahlreichen
Medien die Rede sei, sehe er selbst jedenfalls gar nicht als allzu dramatisch an,
so der Kardinal. Vielmehr handele es sich um eine Chance, die bei Papst Benedikt in
den besten Händen sei:
„Ich lebe nicht hier in Rom, und auch in den letzten
Tagen, die ich hier war, habe ich das gar nicht so sehr als Krise erlebt. Ich denke,
Papst Benedikt selbst hat klar benannt, wo die Schwerpunkte zu setzen sind und wie
die Dinge aufgearbeitet werden müssen. Ich empfinde das als ein ungeheures Zeichen
der Stärke. Für mich steht der Papst in jedweder Beziehung für Transparenz und Eindeutigkeit
und ich denke, dass das, was hier als Schwierigkeiten empfunden wird, von ihm auch
zu einer guten Lösung geführt werden wird.“