Kardinal Scherer sieht Ergebnisse von Rio+20 „eher positiv"
Der Umweltgipfel Rio+20 ist vorüber, und im Gegensatz zu manch anderen Beobachtern
ist der Delegationsleiter des Heiligen Stuhles mit den Ergebnissen einigermaßen zufrieden.
„Rio+20 bringt sicher auch positive Resultate“, sagt Kardinal Odilo Scherer, der Erzbischof
von Sao Paolo, in unserem Radio Vatikan-Interview der Woche.
„Es kam Kritik
von einigen, die gerne mehr Konkretes und mehr Entscheidungen gesehen hätten. Aber
hinter der Schlussverhandlung steckten acht Monate harter Arbeit, die sich in den
letzten Tagen noch intensivierten. So ist man immerhin zu einem Dokument gelangt.
Man konnte sich zwar nicht zu bestimmten Entschlüssen durchringen wie einer Quote
für die Industrienationen zur Finanzierung des nachhaltigen Wirtschaftens, oder Ziele
beim Konsum von fossilen Energiequellen wie Kohle oder Erdöl – das wäre sicher ein
weiterer Schritt gewesen. Dennoch halte ich das Ergebnis von Rio+20 für eher positiv,
vor allem weil man ein gemeinsames Dokument verabschieden konnte.“
Welche
Punkte des Abschlusspapiers halten Sie für geglückt?
„Zum Beispiel die
Bekräftigung, dass der Mensch das Zentrum des Wirtschaftens ist. Aber auch die Definition
von ,nachhaltigem Wirtschaften‘ mit den drei Bezugspunkten, die da sind: wirtschaftliche
Entwicklung, soziale Entwicklung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, also
die Überwindung der Armut, Gesundheit und Bildung postuliert; und der dritte Punkt:
dass die wirtschaftliche Entwicklung auch ökologisch nachhaltig sein muss. Dass sie
also immer auch das Ökosystem bedenkt, und dass man der Umwelt nicht mehr entnimmt,
als sie uns geben kann.“
Und sonst?
„Das schätzenswerteste Ergebnis
dieser Konferenz ist aus meiner Sicht die Anwesenheit so vieler Vertreter von Ländern,
rund 190 Staats- oder Regierungschefs oder ihre Vertreter. Und da sehe ich das Entstehen
eines neuen Bewusstseins um die Probleme, die man jetzt angehen muss in Sachen Klima,
Nachhaltigkeit und Umwelt. Dieses neue Bewusstsein ist sehr wichtig, weil es an der
Basis von Entscheidungen steht. Mir scheint, alle sind jetzt davon überzeugt, dass
etwas zu tun ist und dass man die Entscheidungen nicht auf die lange Bank schieben
darf. Diese Bewusstseinsbildung führt auch dazu, Kontrollinstanzen zu schaffen. Wenn
ein Land fortfahren will, die Umwelt zu ruinieren, werden andere einschreiten und
an die hier vereinbarten Ziele erinnern.“
Allerdings sind natürlich auch
wichtige Akteure nicht nach Rio gereist...
„Das war bedauerlich aus Sicht
aller Teilnehmenden, das Fehlen der Staats- oder Regierungschefs einiger wichtiger
Länder wie Italien, USA, Japan. Die Großen sind nicht persönlich gekommen, außer Frankreich,
England und China. Aber die anderen Länder der G20 beispielsweise waren alle hier
und sehr aktiv. Man sah überdies eine hohe Beteiligung von Entwicklungsländern, in
denen ein neues Leadership entsteht. Das hat die Konferenz auch ausgezeichnet und
auf gewisse Weise gelenkt.“
Was konnte die Delegation des Heiligen Stuhles
in der Konferenz Rio+20 einbringen?
„Unser Part als Delegation des Heiligen
Stuhles war es, aufmerksam zu beobachten. Während der Verhandlungen war unser permanenter
Beobachter beim Heiligen Stuhl in New York, Erzbischof Chullikat, sehr aktiv. Wir
haben die Einwürfe und Anmerkungen der Kirche dargelegt in Anlehnung an die Punkte,
die der Heilige Stuhl ja schon formuliert hatte.“ (rv 24.06.2012 gs)