Die Wahlergebnisse
in Ägypten werden nicht wie angekündigt an diesem Donnerstag bekannt gegeben, sondern
es müssten laut Aussage der Wahlkommission erst noch zahlreichen Einwänden gegen die
Auszählung nachgegangen werden. Die Menschen in Ägypten sind, wie es der Bischof von
Assiut und Administrator des Patriarchats von Alexandrien Kyrillos William ausdrückt,
„verwirrt“:
„Die Leute sind etwas verwirrt, denn sie wissen nicht, warum
die Ergebnisse nicht bekannt gegeben werden. Es wurde erklärt, die Ergebnisse lägen
zwar schon vor, es gebe aber Einreden, so dass erst alle Einwände geprüft werden müssen
und erst danach die Ergebnisse bekannt gegeben werden. Die Militärs stehen jedenfalls
bereit, das Land zu schützen, sie sind überall auf den Straßen, um auf Reaktionen
zu warten, die ja durchaus auch gewalttätig ausfallen können.“
Ob es im
Zug dieser Prüfungen auch zu Wahlbetrug durch den Militärrat kommen kann? Bischof
Kyrillos ist zuversichtlich, dass das Militär seine im Vorfeld der Wahl gegebenen
Versprechen halten wird:
„Eigentlich sagen die Militärs, damit hätten sie
nichts zu tun, sie warteten auf die Kommission, die von Richtern bevollmächtigt worden
ist, und sie seien neutral. Sobald der Präsident bekannt gegeben sei, würden sie ihm
die Macht und Autorität übergeben und zurücktreten.“
Die politischen Gruppierungen
seien unterdessen nicht untätig, insbesondere die islamischen Parteien versammelten
sich bereits wieder. Auch Gewaltanwendung scheint nicht ausgeschlossen zu sein, so
der Bischof:
„Besonders die Islamisten sind auf dem Tahrirplatz versammelt,
und es scheint, als wollten sie Gewaltaktionen starten, zumindest haben sie das angekündigt.
Aber erst jetzt hat ein wichtiger Vertreter der Muslimbrüder (Anmerkung der Redaktion:
Khairat el-Shater, ein führendes Mitglied der Muslimbrüder und selbst Präsidentschaftskandidat)
gesagt, es wird keine Gewaltaktionen geben, auch wenn Schafik Präsident werden sollte.
Dennoch, das Militär steht bereit, und Polizisten sind überall auf den Straßen, um
schnell reagieren zu können. Erst gestern haben wir Waffen im Nildelta entdeckt, die
aus Libyen kommen. Es handelte sich hier um schwere Waffen wie Panzerfäuste und ähnliches,
so dass jetzt alle besorgt sind und bereit für den Einsatz.“
Zwar hätten
die islamischen Kräfte angekündigt, ihren vermeintlichen Siegesanspruch notfalls auch
mit Gewalt zu verteidigen, dennoch kommen auch versöhnliche Töne aus ihrem Lager.
Denen traut Bischof Kyrillos aber nur unter Vorbehalt:
„In ihren Ankündigungen
sagten sie, falls Schafik Präsident werde, würde Blut in Ägypten fließen. Andererseits
hat heute der zweite Mann in der Partei gesagt, es werde keine Gewalt geben, auch
wenn Schafik Präsident werde. Die Islamisten haben immer zwei Stimmen, man weiß nie,
was passieren wird. Es kam schon vor, dass sie Versprechen nicht gehalten haben.“
Unterdessen
warnt die Nichtregierungsorganisation „Human Rights Watch“ davor, dass der Militärrat
mitnichten innerhalb des kommenden 30. Juni mit der Verkündigung des Wahlsiegers seine
Kompetenzen an die neue Volksversammlung abgeben wird – vielmehr sei zu beobachten,
dass die Autorität des Militärrates immer mehr ausgeweitet würde und mittlerweile
weit über seine eigentlichen Kompetenzen hinausgehe.