Die Regierungen der
Welt sollten vom Lebenskonzept der Indigenen lernen. Das wünscht sich der Brasilianer
Cleber César Buzatto. Er ist Generalsekretär des Brasilianischen Indianermissionsrates
CIMI. In seinem Land treffen sich ab diesem Mittwoch Vertreter von Regierungen und
Hilfsorganisationen beim UNO-Gipfel „Rio+20“. Statt unter dem Mantel der „Green Economy“
eine neue Welle der Kommerzialisierung und Vermarktbarkeit der Natur loszutreten,
sollten die Regierungen den Respekt gegenüber der Schöpfung fördern, so Buzatto. Im
Gespräch mit dem Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat geht der Vorsitzende des Indianermissionsrates
auf die Lage der Indigenen in Brasilien ein:
„Derzeit gibt es einen
Stillstand, was die Anerkennung und Einrichtung von indigenem Land angeht. Damit wird
den Indigenen eines ihrer fundamentalen Grundrechte verweigert. Die ungeregelte Landfrage
potentialisiert zudem andere Formen von Gewalt. Viele Stämme, die müde geworden sind,
auf Maßnahmen der Regierung zu warten, werden selber aktiv, besetzen Ländereien, worauf
die weißen Landbesitzer meist mit neuer Gewalt reagieren und Indigene aus Gebieten
verdrängen, die diesen ja eigentlich zustehen.“
Die Erwartungen
des Indianermissionsrates an die „Rio+20“-Konferenz sind deshalb hoch. Dennoch bleibt
Buzatto realistisch: Ahnliche Konferenzen seien bisher ohne nennenswerte Ergebnisse
verlaufen, merkt er an.
„Wir hoffen aber, dass die indigenen Völker
und andere Gruppen, die von dem in Brasilien und anderen Ländern herrschenden Entwicklungsmodell
betroffen sind, hier ihre Gegenpositionen vorbringen können und von den Regierungen
angehört werden. Aber uns ist natürlich klar, dass die Bemühungen dieser Regierungen
eigentlich in eine komplett konträre Richtung gehen. Da können wir uns nichts vormachen.
Sie versuchen zwar, ihr Entwicklungsmodell als nachhaltig zu verkaufen, aber die Nachhaltigkeit
existiert höchstens auf dem Papier. Eine reine Fassade, um Akzeptanz für dieses Modell
zu schaffen. Letztlich sehen wir bei diesen Regierungen kein Interesse daran, in Zukunft
das Verhältnis zwischen Politik und Umwelt zu verändern.“
Buzatto hat
auch einen Wunsch, den er an die reichen Industrieländer richten möchte. Diese Länder
hätten stets versprochen, mehr für den Umweltschutz zu tun und entsprechende Konventionen
unterschrieben. Passiert sei aber wenig:
„Diese Länder, und das schließt
Brasilien mit ein, müssen eine wirkliche Verpflichtung eingehen und gesellschaftliche
Existenzformen suchen, die weniger Raubbau an der Natur verursachen. Und die Stoßrichtung
dabei muss gegen den Konsumismus gehen. Denn der Konsum hat dazu geführt, dass sich
alles in handelbare Waren verwandelt. Diese Verrohung des Konsums verursacht ökologische
Schäden. Hier müssten strukturelle Veränderungen passieren. Und unserer Ansicht nach
können die indigenen Völker Brasiliens hier die Regierungen sehr viel lehren. Das
wäre eine wirkliche Alternative zu den derzeit hier auf der Rio+20 laufenden Bestrebungen,
unter dem Mantel der ,Green Economy‘ eine neue Welle der Kommerzialisierung und Vermarktbarkeit
der Natur loszutreten.“
Hintergrund
Im brasilianischen
Rio de Janeiro startet am Mittwoch offiziell der UNO-Gipfel für nachhaltige Entwicklung.
Dazu werden rund 100 Staats- und Regierungschefs erwartet. Im Mittelpunkt der Umwelt-
und Entwicklungskonferenz „Rio+20“ stehen bis Freitag unter anderem das Umsteuern
auf eine „Grüne Wirtschaft“, der Schutz der Meere und eine mögliche Aufwertung des
UNO-Umweltprogramms zu einer vollwertigen UNO-Organisation.
CIMI ist der
Indianermissionsrat der Brasilianischen Bischofskonferenz und wurde 1972 gegründet.
CIMI steht für „Conselho Indigenista Missionário“. Er organisiert sich in elf Regionalstellen
sowie das Nationalsekretariat in Brasília. 2012 engagieren sich im CIMI rund 400 Frauen
und Männer, Geistliche, Ordensleute und Laien an der Seite der indigenen Völker Brasiliens.
Präsident des CIMI ist Dom Erwin Kräutler, Bischof von Altamira. Der CIMI hat Kontakt
oder arbeitet zusammen mit den 241 indigenen Völkern Brasiliens. Schwerpunkt ist die
Verteidigung der in der Verfassung von 1988 verankerten Grundrechte. Adveniat unterstützt
den Indianermissionsrat seit seiner Gründung. Gefördert werden Projekte von einzelnen
Teams, die Arbeit der Regionalstellen und das Nationalsekretariat.