Tunesien – Geburtsort des Arabischen Frühlings. Vor eineinhalb Jahren hat die Jasminrevolution
eine Serie von Umbrüchen im arabischen Raum in Gang gesetzt. Und in Tunis haben sich
darüber mehr als 50 Autoritäten aus aller Welt ausgetauscht – Wissenschaftler, Bischöfe,
Journalisten, Fachleute. Für die christlichen Gemeinschaften im arabischen Raum bringt
der Umbruch nicht wenige Herausforderungen, auch wenn sich diese christlichen Gemeinden
stark voneinander unterscheiden. Maroun Lahham, früher Erzbischof von Tunis und ist
mittlerweile Vikar des lateinischen Patriarchats in Jordanien, sagte uns:
„Die
Christen in Libyen oder Tunesien sind Großteils Ausländer, die nicht direkt von den
Revolutionen betroffen sind, sie aber mit großem Interesse verfolgt haben. Besonders
diejenigen, die aus demokratischen Ländern kommen, waren froh über diese Veränderung,
und haben sich sogar bereit erklärt, die Tunesier bei dieser demokratischen Transformation
zu unterstützen. Für die Völker hingegen, in denen mehr arabische Christen leben,
etwa in Ägypten, Jordanien, Syrien, dort sind die Christen genauso betroffen wie die
anderen, und die Ängste und Sorgen für die Zukunft werden von allen geteilt. Die Muslimbrüder
beispielsweise haben wohl die Wahlen in Ägypten gewonnen, jetzt müssen wir sehen,
ob sie ihre Versprechungen halten werden.“
Tunesien war nicht nur das erste
arabische Land, das eine Revolution gewagt habe, es sei auf dem Weg der Demokratisierung
am weitesten gekommen, sagt Erzbischof Lahham:
„Tunesien ist jenes arabische
Land, das bisher am weitesten auf dem Weg zur Demokratisierung gekommen ist. Natürlich
wechselt man nicht von einer Diktatur zu einer Demokratie, als würde man ein Hemd
wechseln. Aber wir sind auf einem guten Weg, wir haben Wahlen abgehalten, die neue
Verfassung wird geschrieben und bis Oktober 2013 müsste ein Präsident auf fünf Jahre
gewählt sein. Ein paar Salafisten melden sich mitunter mit etwas Gewalt, aber sie
sind nicht an der Macht. Das Land geht mit sicherem Schritt in Richtung Demokratie
und Freiheit – zumindest hoffe ich das!“
In Syrien sei die Situation hingegen
wesentlich ernster.
„Nur der Herrgott kann verstehen, was in Syrien passiert,
ich selbst kann nicht mehr unterscheiden, wer die Wahrheit spricht und wer lügt. Das
einzige, was ich weiß, ist dass jeden Tag bis zu 50 Personen sterben. Das Regime ist
stark und hart, das Heer hört noch auf das Regime und die jungen Leute protestieren.
Der Westen und seine Politik sind wie immer zwiespältig, um nicht zu sagen scheinheilig.
Man weiß es nicht, man müsste wirklich ein Prophet sein, um vorherzusagen, was in
Syrien passieren kann.“
Die geplante Reise Papst Benedikts in den Libanon
im September sei hingegen ein Hoffnungsstrahl für die Christen im Nahen Osten:
„Die
Reise ist sehr wichtig, auch für die christlichen Gemeinschaften im Nahen Osten, die
aufgrund dieser revolutionären Ereignisse auch mit gewissen Sorgen leben. Ich denke,
dass die Anwesenheit des Papstes für uns ein Zeichen der Aufmunterung und der Hoffnung
sein wird, und eine Aufforderung, unseren Glauben zu leben, wo Gott uns hingesetzt
hat, also in der arabischen Welt. Wenn Gott Araber und Christen gewollt hat, hat er
auch gewollt, dass wir unseren Glauben in diesem Kontext leben, und nicht in Frankreich
oder Deutschland oder an anderen Orten.“
Aktuell findet in Tunis der Kongress
„Die Religion in einer Gesellschaft im Umbruch. Wie Tunis den Westen zu Rate zieht”
statt. Ausgerichtet hat den Kongress die von Kardinal Angelo Scola gegründete Zeitschrift
OASIS, die sich dem islamisch-christlichen Dialog verschrieben hat.