2012-06-06 11:22:01

Streit zwischen Staat und Kirche in Frankreich? Fragen an den neuen Premier


RealAudioMP3 Nicht nur Angela Merkel blickt mit einem gewissen Bangen auf den neuen französischen Präsidenten Francois Hollande; auch im Vatikan und in der französischen Kirche fragt man sich beunruhigt, was der Sozialist im Elysée alles so vorhat. Sein Wahlversprechen Nummer 21 zum Beispiel spricht von „medikamentöser Beihilfe zu einem Lebensende in Würde“. Ein katholischer Partnersender von Radio Vatikan aus Nantes, „Radio Fidélité“, hat über Hollandes Vorhaben mit dem neuen Premierminister Jean-Marc Ayrault gesprochen und zunächst gefragt: Will die neue Regierung in Frankreich Euthanasie legal machen?

„Sie gebrauchen da ein Wort, das Francois Hollande nie in den Mund genommen hat: Er hat nie von Euthanasie gesprochen. Das ist etwas sehr Schwerwiegendes! Stattdessen sprach Hollande wörtlich davon, „sein Leben in Würde zu beenden“. Es gibt in dieser Richtung schon ein früheres Gesetz, das übrigens parteiübergreifend verabschiedet wurde. Wir wollen dieses bestehende Gesetz lediglich perfektionieren: In den Krankenhäusern und Hospizen gibt es nicht überall genug Ausbildung des Personals für den Umgang mit Sterbenskranken, und auch die palliative Pflege ist nicht überall gleich weit entwickelt. Da kann man noch eine Reihe von Fortschritten machen, um die Würde der Personen und ihre Selbstbestimmung besser zu respektieren.“

Heißt das konkret: Es wird ein neues Gesetz in diesem Bereich geben?

„Ich weiß nicht, ob es dazu ein neues Gesetz brauchen wird. Jedenfalls steht dieses Projekt auf der Liste von Francois Hollande; es wird aber auf jeden Fall bei diesem Projekt wie auch bei anderen ein Bemühen um Konsens geben.“

Sie sprechen also ausdrücklich nicht von Euthanasie?

„Nein. Ich nicht und Francois Hollande auch nicht. Vor kurzem war ich in der Schweiz und habe dort in einer Zeitung eine Werbung für Euthanasie gesehen. Ich finde das schockierend! Das ist kein banaler Akt, sondern wirft eine außerordentlich schwerwiegende Entscheidung auf.“

Ihnen schwebt also nicht das Schweizer Modell vor, sondern eher das belgische?

„Das ist ungefähr dasselbe in der Schweiz wie in Belgien, wissen Sie...“

Ein anderes Projekt von Präsident Hollande droht ebenfalls auf Widerstand bei Frankreichs Katholiken zu stoßen: die staatliche Eheschließung für homosexuelle Paare. Gibt es dafür schon einen Zeitplan?

„Es gibt noch keinen Zeitplan, aber das Versprechen ist gegeben und wird auch eingehalten werden. Menschen gleichen Geschlechts werden heiraten können, und sie werden auch Kinder adoptieren können. Ich respektiere andere Meinungen, aber das ist ein Versprechen, das wir gegeben haben, und andere demokratische Länder haben das auch schon entschieden.“

Also in diesem Fall kein Bemühen um Konsens?

„Bei jedem Gesetzesentwurf über ein wichtiges Thema wird es eine genaue Information und ein Bemühen um Konsens geben. Aber wir sind in einer Demokratie: Der Präsident ist durch allgemeine Wahlen gewählt worden, es ist also das Mindeste, dass die von ihm abgegebenen Versprechen auch gehalten werden.“

Die Einrichtung der Ehe ist bislang ein Bund zwischen Mann und Frau – Sie sind da also zu einer einschneidenden Änderung entschlossen?

„Schauen Sie, man muss die Entwicklungen, die es gibt, einfach mal zur Kenntnis nehmen. Auch die Katholiken haben sich, was das Verhältnis zu Homosexualität betrifft, deutlich weiterentwickelt, und auch die soziale Nachfrage – all das muss man berücksichtigen.“

Und muss sich die Kirche da noch weiterentwickeln, aus Ihrer Sicht?

„Ich respektiere die Unabhängigkeit. Als Premierminister bin ich Garant der Gesetze des weltlichen Charakters der Republik. Die Französische Republik garantiert die freie Religionsausübung und respektiert die Freiheit des Gewissens, zu glauben oder nicht zu glauben. Der Staat muss neutral bleiben.“

Ein weiterer möglicher Streitpunkt: katholische Schulen. Sie gehören in Frankreich vollgültig zur sogenannten „Éducation nationale“. Als Präsidentschaftskandidat hat Hollande angekündigt, dass 60.000 neue Lehrerstellen vor allem den öffentlichen Schulen zugute kommen sollen...

„Der Erziehungsminister hat vor kurzem versichert, dass die privaten Schulen je nach ihrem Bedarf ebenfalls bei diesen neuen Lehrerstellen berücksichtigt werden! Wir werden keinen Schulkampf anheizen.“

(rv/fidelite 06.06.2012 sk)







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