Kardinal Rodriguez Maradiaga: „Mit nur einem Dollar“
„Es kostet nur einen
Dollar, der Unterernährung eines Menschen vorzubeugen, aber es kostet 80 Dollar, eine
unterernährte Person zu behandeln!“ In Zeiten von Finanz- und Wirtschaftskrise braucht
es wohl solch griffige Rechnungen, um die Aufmerksamkeit der Weltgemeinschaft für
das neue Drama zu wecken, das sich derzeit in der Sahelzone ankündigt. Am Rande des
internationalen Caritas-Kongresses in Wien fand der Präsident von Caritas Internationalis,
Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga, am vergangenen Wochenende deutliche Worte, um
vor der in Westafrika drohenden Hungersnot zu warnen:
„Mehr als 15 Millionen
Menschen werden akuten Nahrungsmittelmangel in Westafrikas Sahelzone erleben, wenn
nicht unverzüglich effektive Maßnahmen ergriffen werden, um eine Verschlechterung
der Lage zu verhindern. Menschen in Niger, Mauretanien, Mali, Burkina Faso und im
Tschad leiden schon unter Nahrungsmangel, und magere Zeiten kommen erst noch. In den
am schlimmsten betroffenen Gebieten haben die Menschen schon begonnen, Essen auf eine
Mahlzeit pro Tag zu rationieren, sie verkaufen ihr Vieh oder sie verlassen ihr Heim
und ziehen in die Städte!“ 18,4 Millionen Menschen sind in der Sahelzone
schon jetzt vom Hunger betroffen, seit neun Monaten habe es in der Region nicht mehr
geregnet, führte in Wien der Generalsekretär der Caritas Senegal, Abbe Ambroise Tine,
aus. Zudem seien die Lebensmittelpreise massiv gestiegen, es drohe eine „humanitäre
Katastrophe schrecklichen Ausmaßes“.
Appell an „Rio + 20“-Konferenz
Mit
Blick auf die bevorstehende UNO-Konferenz „Rio +20“ rief Kardinal Maradiaga die teilnehmenden
Staaten dazu auf, über einen ganzheitlichen Ansatz bei der Entwicklungszusammenarbeit
und Hungerhilfe nachzudenken: Ursachedes Hungers sei kein Mangel an Ressourcen,
er sei die Folge falscher Nahrungsmittelverteilung. Im Mittelpunkt müsse Gerechtigkeit,
Fairness, Verantwortung und das Wohl der Menschen stehen. Eine „Zukunft ohne Hunger“
ist möglich, so der Kardinal eindringlich, „wenn unser Hunger ein Hunger nach Teilhabe,
Solidarität und Gerechtigkeit ist“. Recht gab dem Kardinal der ehemalige Vizepräsident
des Weltklimarates und Friedensnobelpreisträger Mohan Munasinghe: „Wir sehen ganz
klar: Armut und Hunger sind noch immer die größten Probleme für nachhaltige Entwicklung.
Dies gilt ganz besonders für Regionen, in denen die Hungerproblematik durch die Auswirkungen
des Klimawandels zusätzlich verschärft wird“, so Munasinghe.
Weltweit leiden
laut Caritas-Angaben rund 925 Millionen Menschen an Hunger und Unterernährung. Verschärft
werde das Problem durch den Klimawandel, durch bewaffnete Konflikte, Landraub, steigende
Lebensmittelpreise und Spekulationen. Auf dem internationalen Caritas-Kongress
„Zukunft ohne Hunger“ diskutierten am Wochenende Experten aus mehr als 20 Ländern,
darunter Vertreter von UNO und NGOs, renommierte Wissenschaftler und Forscher sowie
internationale Caritas-Mitarbeiter. Laut Caritas-Angaben nahmen 700 Interessierte
an dem Kongress teil. Die „Rio +20“-Konferenz ist die Folgekonferenz des ersten „Earth
Summit“ in Rio im Jahr 1992. Die dort vor 20 Jahren benannten Probleme haben sich
in vielen Bereichen massiv verschärft.