Etwa eine Million
Menschen hat an diesem Sonntag in Mailand an einer Messe von Papst Benedikt XVI. teilgenommen.
Sie setzte den Schlußpunkt hinter das VII. Welttreffen der Familien, zu dem der Vatikan
und das Erzbistum Mailand eingeladen hatten. In seiner Predigt wünschte sich der Papst
familienfreundlichere Bedingungen in der Wirtschaft und im Arbeitsleben. Man dürfe
Arbeit nicht nur als Profitmaximierung verstehen; eine solche Logik schade den Familien
und damit auch der Gesellschaft im ganzen. Zugleich setzte sich Benedikt für den Schutz
des arbeitsfreien Sonntags ein und versicherte wiederverheirateten Geschiedenen, er
fühle sich ihnen besonders nahe. Das nächste Welttreffen der Familien wird 2015 in
Philadelphia, USA, stattfinden, kündigte der Papst an. Eine halbe Million Euro, die
er während seines Mailänder Besuchs an Spenden erhalten hat, bestimmt er für die Opfer
der Erdbeben in der norditalienischen Region Emilia-Romagna.
Familienfest
mit dem „Papa“ aus Rom – eine entspannte, festliche Atmosphäre lag am Sonntagmorgen
über dem „Parco di Bresso“ im Norden der lombardischen Metropole. Auch der italienische
Ministerpräsident Mario Monti hörte zu, als der Gast aus Rom sich für eine familienfreundlichere
Gesellschaft einsetzte:
„Die Familie ist – wir wissen es – für die Gesellschaft
lebenswichtig. Nach Gottes Schöpfungsplan ist sie der bevorzugte Ort, an dem der Mensch
heranwachsen und das rechte Menschsein lernen kann. Ihr Beitrag für die ganzheitliche
Entwicklung des Menschen ist unerläßlich. Tun wir also alles, um auch heute ein familienfreundliches
Klima zu schaffen, und beten wir um gute Familien und ihren Zusammenhalt!“
Papst
spendet für Erdbebenopfer - Schweizergardisten helfen in Beben-Region
Immer
wieder kam vor Beginn der Meßfeier das Papamobil zum Stehen, damit Benedikt Kinder
segnen konnte. Derweil sang ein Chor die offizielle Hymne des VII. Welttreffens der
Familien, „La tua famiglia“. Solche Welttreffen, die in manchem an Weltjugendtage
erinnern, finden seit 1994 alle drei Jahre statt; die bisherigen Stationen waren außer
Mailand und Rom Rio, Manila, Valencia und Mexiko-Stadt. In drei Jahren wird bei einem
Familientag erstmals Englisch die Hauptsprache sein:
„Schon heute lade
ich euch zum nächsten Weltfamilientreffen in Philadelphia im Jahr 2015 ein!“
Der
Erzbischof von Mailand, Kardinal Angelo Scola, präsentierte sich dem Papst als Haupt
einer stolzen Diözese. Es ist die größte Europas, sie hat über 1.100 Pfarreien; hier
war der Kirchenlehrer Ambrosius Bischof, auch – vor ihrer Wahl – die Päpste Pius XI.
und Paul VI. Seit 1984 allerdings hatte es hier keinen Besuch eines Papstes mehr gegeben.
Scola,
den Papst Benedikt erst unlängst von Venedig hierhin nach Mailand versetzt hat, erinnerte
in einer kurzen Ansprache an die Opfer der Erdbeben in der nahegelegenen Emilia-Romagna;
seit dem 20. Mai kommt es dort immer wieder zu Erdstößen, Häuser stürzten ein, Fabriken
wurden für Arbeiter zur Todesfalle, immer noch leben Hunderte von Familien notdürftig
in Zelten. Der Papst kündigte an, er werde den Opfern der Beben über ihre Bischöfe
eine halbe Million Euro an Nothilfe schicken; das Geld hat er in diesen drei Tagen
seines Mailand-Besuchs an Spenden erhalten. Außerdem hat der Vatikan schon am Samstag
zwanzig Schweizergardisten in die Emiglia-Romagna geschickt; sie werden dort bis Montag
bei den Aufräumarbeiten helfen. Viele Gardisten kennen den derzeitigen Bischof von
Carpi aus der Bebenregion, weil er bis vor kurzem im vatikanischen Staatssekretariat
arbeitete - so ist die Idee entstanden. Wegen des Papstbesuches in Mailand haben die
Schweizergardisten, unter denen einige Handwerker sind, etwas weniger in Rom zu tun
als sonst.
„Gesellschaft ist auf Familien angewiesen“
In
seiner Predigt warb Benedikt XVI. für das kirchliche Modell von Ehe und Familie. Nicht
nur die Kirche sei „berufen, ein Bild des einen Gottes in drei Personen zu sein“,
sondern auch die Familie.
„Gott hat den Menschen als Mann und Frau geschaffen,
mit gleicher Würde, aber auch mit besonderen und sich ergänzenden Eigenschaften...
Die Liebe ist das, was den Menschen zum echten Abbild der Dreifaltigkeit, zum Abbild
Gottes macht. Liebe Eheleute, indem ihr die Ehe lebt, schenkt ihr euch nicht irgendeine
Sache oder irgendeine Tätigkeit, sondern das ganze Leben.“
Die Liebe der
Eheleute sei fruchbar für sie selbst, für ihre Kinder, aber auch für die Gesellschaft,
so der Papst. Schließlich sei das Familienleben ja „die erste und unersetzliche Schule
der gesellschaftlichen Tugenden“. Allerdings wisse er, dass die Berufung zu Ehe und
Familie „nicht leicht zu leben“ sei, „besonders heute“: „Aber die Liebe ist eine wunderbare
Realität, sie ist die einzige Kraft, die den Kosmos, die Welt wirklich verändern kann!“
„Ein
Wort möchte ich auch den Gläubigen widmen, die zwar die Lehre der Kirche über die
Familie teilen, jedoch von schmerzlichen Erfahrungen des Scheiterns und der Trennung
gezeichnet sind. Ihr sollt wissen, dass der Papst und die Kirche euch in eurer Not
unterstützen. Ich ermutige euch, mit euren Gemeinden verbunden zu bleiben, und wünsche
mir zugleich, daß die Diözesen geeignete Initiativen ergreifen, um euch aufzunehmen
und Nähe zu vermitteln!“
Gegen Schluß seiner Predigt fand der Nachfolger
des heiligen Petrus noch ein paar kritische Worte an die Adresse von Politikern und
Arbeitgebern: „Wir sehen“, so meinte er, „das in den modernen Wirtschaftstheorien
oft eine utilitaristische Auffassung der Arbeit, der Produktion und des Marktes vorherrscht“.
Utilitaristisch – das heißt: Nützlichkeitsdenken.
„Der Plan Gottes und
die Erfahrung selbst zeigen aber, dass es nicht die einseitige Logik des eigenen Nutzens
und des maximalen Profits ist, die zu einer harmonischen Entwicklung, zum Wohl der
Familie und zum Aufbau einer gerechten Gesellschaft beitragen kann, weil sie zu erbitterter
Konkurrenz, starken Ungleichheiten, zu Umweltschäden, Konsumismus und zu Schwierigkeiten
in den Familien führt. Noch schlimmer, die utilitaristische Denkweise neigt dazu,
sich auch auf die zwischenmenschlichen und familiären Beziehungen auszuweiten, reduziert
sie so auf unsichere Konvergenzen individueller Interessen und untergräbt die Festigkeit
des sozialen Gefüges.“
„Familie und Arbeit miteinander vereinbaren“
Ebenso
deutlich: die Mahnung des Papstes, an einem arbeitsfreien Sonntag festzuhalten. „Gott
ruhte am siebten Tag“, rief Benedikt unter Berufung auf die ersten Kapitel der Bibel
in Erinnerung, der Sonntag sei „der Tag der Kirche“, aber auch „der Tag des Menschen
und seiner Werte: gemeinsames Mahl, Freundschaft, Solidarität, Kultur, Kontakt mit
der Natur, Spiel, Sport.“ Der Sonntag sei nicht zuletzt „der Tag der Familie, an dem
man gemeinsam den Sinn des Festes, der Begegnung, des Miteinander-Teilens und auch
der Teilnahme an der heiligen Messe erleben soll“, so Benedikt XVI..
„Liebe
Familien, verliert trotz der beschleunigten Rhythmen unserer Zeit nicht den Sinn für
den Tag des Herrn! Er ist wie die Oase, in der wir innehalten, um die Freude der Begegnung
zu verkosten und unseren Durst nach Gott zu stillen.“
„Familie, Arbeit,
Fest“: Das war das Motto des VII. Weltfamilientreffens. Benedikt XVI. sprach von „drei
Gaben Gottes, drei Dimensionen unseres Lebens, die zu einem harmonischen Gleichgewicht
finden müssen“:
„Die Arbeitszeiten und die Anforderungen der Familie, den
Beruf und das Vater- und Muttersein, die Arbeit und das Fest miteinander in Einklang
zu bringen, ist wichtig für den Aufbau einer Gesellschaft, die menschliche Züge trägt.“
Kein
Klatschen und Plakateschwenken während der Messe: Darum hatten die Veranstalter per
Lautsprecherdurchsage gebeten. Ganz am Schluß aber, beim Angelusgebet, hielt sich
daran niemand mehr; auch der zuhause in Rom von der sogenannten „Vatileaks“-Affäre
heimgesuchte Papst wirkte fröhlich und gelöst, als „Benedetto“-Rufe aufkamen. Der
Präsident des Päpstlichen Familienrates, Kardinal Ennio Antonelli, wünschte dem Papst
unter dem Beifall der Gottesdienstteilnehmer: „Der Herr Jesus möge erlauben, dass
Sie noch lange Zeit das Volk Gottes in der Wahrheit und der Liebe führen!“