Sierra Leone/Den Haag: 50 Jahren Gefängnis für Charles Taylor
Die kleine niederländische
Stadt Den Haag stand an diesem Mittwoch im Fokus der Weltöffentlichkeit: schließlich
ist dort nach langer Dauer der Prozess gegen den Expräsidenten von Liberia, Charles
Taylor, zu Ende gegangen. Das eigens eingerichtete UNO-Sondertribunal hat Taylor,
der wegen Kriegsverbrechen im Nachbarland Sierra Leone angeklagt war, zu 50 Jahren
Gefängnis verurteilt. Die Gedanken des Erzbischofs der Hauptstadt Freetown von Sierra
Leone, Edward Charles, gelten aber zuallererst den Opfern der Verbrechen selbst und
ihren Familien, die heute in teilweise bitterer Armut leben müssen.
„Es
gibt keinen Grund für Jubel, denn das Leben ist schwierig für die Menschen hier und
sie müssen sich darum sorgen, ihr tägliches Brot zu verdienen. Heute Morgen auf dem
Weg ins Büro habe ich die verstümmelten Flüchtlinge gesehen, die nur noch betteln
können. Ich denke nicht, dass die Verurteilung von Charles Taylor zu 50 Jahren etwas
an ihrem Leben ändern wird. Er wird ins Gefängnis gehen und dort seinen Unterhalt
haben, aber diese Menschen müssen nach wie vor ihren Lebensunterhalt mit Betteln verdienen
und ihre Familien leiden.“
Die Verurteilung sei aber, wenn auch nicht ein
Grund für öffentliche Jubelfeiern, doch ein wichtiges Zeichen dafür, dass Kriegsverbrecher
nicht mehr sicher sein könnten, ungeschoren mit ihren Verbrechen davonzukommen:
„Wir
sind auf jeden Fall froh, dass der Gerechtigkeit Genüge getan worden ist und ein Tabu
gebrochen worden ist. Diejenigen, die Grausamkeiten gegen andere planen, wissen nun,
dass der lange Arm der Justiz sie immer erreichen kann, auch wenn das letztlich keinen
Unterschied im Leben derjenigen machen wird, die keine Arme und Beine mehr haben.
Meine einzige Hoffnung ist die, dass diejenigen, die noch vom Gerichtshof gesucht
werden, auch gefunden und prozessiert werden. Es gibt noch so viele von ihnen, die
immer noch frei herumlaufen und Grausamkeiten begehen.“
Der Erzbischof
drückt gleichzeitig sein Vertrauen in die Justiz aus und betont seine Hoffnung, die
öffentlichen Vorladungen werden auch das Rechtsempfinden der gesamten Bevölkerung
stärken:
„Ich vertraue der internationalen Justiz und ihrem Rechtssystem,
auch wenn es viele Afrikaner gibt, die meinen, es würde erst recht Kriege in Afrika
und anderen Teilen der Welt begünstigen. Ein Tabu ist gebrochen worden, und niemand
kann mehr entkommen: Wenn du Schlechtes tust, wirst du vor den Gerichtshof gebracht
werden wie Charles Taylor, und wenn du schuldig bist, wirst du verurteilt werden.
Die öffentlichen Vorladungen sind ein deutlich sichtbares Zeichen; alle Afrikaner
sehen sie und fangen an, dementsprechend zu handeln.“
Richard Lussick,
der Präsident des Gerichtshofes in Den Haag, hat betont dass Charles Taylor für „extrem
schwerwiegende Verbrechen im Hinblick auf Größe und Brutalität“ verurteilt wurde.
Taylor, der von 1997 bis 2003 das Land regierte, ist bereits am 26. April in 11 Anklagepunkten
für schuldig befunden worden. Die jüngste Verurteilung bezog sich auf die Unterstützung,
die er den äußerst gewalttätigen Rebellen in Sierra Leone vor und nach seiner Machtergreifung
gewährt hat. Das ehemalige Staatsoberhaupt ist auch des Mordes sowie der Vergewaltigung,
Folter und Anwerbung von Kindersoldaten für schuldig befunden worden. Alle Verbrechen
wurden während des von 1991 bis 2002 währenden Bürgerkrieges in Sierra Leone begangen.
Waffenlieferungen und Logistikleistungen wurden von den Rebellen auch in Diamanten
bezahlt, die als „Blutdiamanten“ bekannt wurden.