2012-05-31 14:24:30

D: Jan Assmann fordert „entpolitisierten“ Islam


Dem Monotheismus - das heißt dem Glauben an nur einen Gott - wohnt ein Gewaltpotenzial inne, da er die eigene Überzeugung total setzt und den Glauben des anderen nicht als gleichrangig anerkennt: Diese These des Ägyptologen Jan Assmann versetzt seit rund zehn Jahren die Theologie in Aufruhr; u.a. der Papst hat ihr deutlich widersprochen. Nun hat Assmann seine These bei einem Wien-Besuch auf den islamistisch motivierten Terrorismus bezogen. Auch wenn der Terrorismus Al-Kaidas seines Erachtens „genuin religiöse Gründe“ habe, so lasse sich dieses Gewaltpotenzial doch deutlich einhegen durch eine radikale „Entpolitisierung“ der Religion. Dies unterstrich Assmann im Interview mit der Wochenzeitung „Die Furche“. Während Judentum und Christentum diesen Schritt der Entpolitisierung bereits vor langer Zeit erfolgreich unternommen hätten, fehle eine „entpolitisierende Konzeption“ im Islam, so der Heidelberger Forscher. Im Gegenteil: „Der Islam geht davon aus, dass der wahre Glaube mit dem Schwert verbreitet werden muss.“ Davon zeugten laut Assmann auch die Elemente eines „apokalyptischen Denkens“, die der Koran enthalte – „die Vorstellung, dass die Endzeit nahe ist und die Feinde Gottes bestraft werden müssen“. Dagegen hätten Judentum und Christentum „einen Ausweg aus dem politischen Verständnis des Monotheismus gefunden - der Vorstellung einer Wahrheit, der auf Erden zum Durchbruch verholfen werden muss“. Im Judentum bestehe dieser „Ausweg“ im „Messianismus“, d.h. in der Erwartung der Ankunft eines göttlichen Heilsbringers; im Christentum besteht er in der „Unterscheidung zwischen dem irdischen und himmlischen Reich“.

Kritisch äußerte sich Assmann zum interreligiösen Dialog: Es brauche vielmehr eine „rechtlich abgestützte Konzeption der Menschenrechte, eine globale Zivilisiertheit, der sich die Religionen unterordnen“. Konzepten wie dem von Hans Küng betriebene „Projekt Weltethos“ stehe er skeptisch gegenüber: „So etwas lässt sich nur säkular regeln“, so der Ägyptologe. „Dieser Dialog sollte nicht zwischen den Religionen, sondern Politikern, Philosophen und aufgeklärten Denkern geführt werden.“ Im Mittelpunkt der Verständigung stehe die Fähigkeit, ausgehend von seinen eigenen Wahrheitsansprüchen die Wahrheitsansprüche des anderen zu akzeptieren und sich auf gemeinsame Regeln des Zusammenlebens zu einigen.

(kap 31.05.2012 sk)








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