Vor 35 Jahren: Joseph Ratzinger empfängt die Bischofsweihe
Vor 35 Jahren empfing
der Priester Joseph Ratzinger seine Bischofsweihe. Die Hauptkonsekratoren an jenem
28. Mai 1977 im Münchner Liebfrauendom waren die Bischöfe von Würzburg und Regensburg
Josef Stangl und Rudolf Graber sowie der Münchner Weihbischof Ernst Tewes. Über das
Amt des Bischofs hat Joseph Ratzinger bereits als Theologe geschrieben; als Papst
floss vieles davon in seine Predigten und Katechesen ein. Hier ein Auszug aus der
Predigt am 29. Juni 2009, dem Fest Peter und Paul, zur Verleihung der Pallien an die
neuen Erzbischöfe:
„In dem griechischen Wort „epíscopos“ steckt das Verbum
„sehen“; so hat man es mit „Aufseher“ übersetzt. Aber gemeint ist natürlich nicht
eine äußerliche Beaufsichtigung, wie sie vielleicht einem Gefängniswärter zukommt.
Gemeint ist vielmehr ein Sehen aus der Höhe heraus – ein Sehen von der Höhe Gottes
her. Ein Sehen von Gott her ist ein Sehen der Liebe, das dem anderen dienen, ihm helfen
will, wirklich er selbst zu werden. Christus ist der „Bischof der Seelen“, sagt uns
Petrus. Das bedeutet: Er sieht uns von Gott her. Von Gott her sehend überblickt man
das Ganze, die Gefahren wie die Hoffnungen und Möglichkeiten. Von Gott her sieht man
das Eigentliche, den inneren Menschen.
Wenn Christus der Bischof der Seelen
ist, geht es darum, dass die Seele nicht verkümmere im Menschen, dass der Mensch sein
Eigentliches, die Fähigkeit zur Wahrheit und zur Liebe nicht verliere. Dass er Gott
kennenlerne. Dass er sich nicht in Sackgassen verläuft. Dass er sich nicht in der
Isolation verliert, sondern offen bleibt für das Ganze. Jesus, der „Bischof der Seelen“,
ist das Urbild alles bischöflichen und priesterlichen Dienstes. Bischof-sein, Priester-sein
bedeutet von da aus: den Standort Christi annehmen. Von seiner Höhe her denken, sehen
und handeln. Von ihm her für die Menschen da sein, damit sie das Leben finden.
So
berührt sich das Wort „Bischof“ ganz eng mit der Bezeichnung „Hirte“, ja, es wird
austauschbar damit. Aufgabe des Hirten ist das Weiden, das Hüten und das Führen der
Herde zu den richtigen Weideorten. Weiden bedeutet: dafür sorgen, dass die Schafe
die rechte Nahrung finden, dass ihr Hunger und ihr Durst gestillt werden. Ohne Bild
sagt das: Das Wort Gottes ist die Nahrung, die der Mensch braucht. Das Wort Gottes
immer neu gegenwärtig zu machen und so den Menschen Nahrung zu geben, ist Auftrag
des rechten Hirten. Und er muss auch den Feinden, den Wölfen zu wehren wissen. Er
muss vorausgehen, den Weg zeigen, die Einheit der Herde erhalten.“