2012-05-25 10:50:07

Großbritannien: „Familien brauchen Zeit – Paare brauchen Vorbereitung“


RealAudioMP3 Zur Spiritualität der Familie gehört es, Zeit miteinander verbringen zu können. Doch was sich einfach anhört, wird angesichts moderner Lebensumstände immer schwieriger: Frenetische Arbeitsverhältnisse, wirtschaftlicher Druck und neue familiäre Lebensmodelle wirken hier wie eine Schleuder, die dem Kraftzentrum Familie nach und nach die Energie abzieht. Das unterstreicht Bischof John Hine, Leiter des Komitees für Ehe und Familie in der katholischen Bischofskonferenz von England und Wales, im Interview mit Radio Vatikan. Er nimmt in wenigen Tagen am Internationalen Familientreffen mit Papst Benedikt XVI. teil.

„Ich denke, dass Familien unter dem enormen Druck stehen, Erfolg zu haben, dass beide Partner Fulltime arbeiten und dass sie professionell sind, weil sie sonst ihre Arbeit verlieren. Die Familie rückt so auf den zweiten statt auf den ersten Platz, und es gibt kein Gleichgewicht. Und das wird oft auch auf die Kinder projiziert; es gibt hohe Erwartungen an sie von frühem Kindesalter an, das betrifft die Ausbildung und überhaupt die Erfahrungen – sie müssen überall die besten machen. Ich habe neulich mit einer Familie gesprochen, der kleine Sohn sagte: Das liebste, was ich machen will, ist zu Hause sein. Das ist genau das Problem: Es fehlt die Zeit dafür, einfach Zeit mit der Familie zu Hause zu verbringen, sich zu erholen und einfach Kind sein zu können.“

Die Belastung der Familien hat der Papst in diesen Tagen zweifach beim Namen genannt: Wenige Tage vor Beginn des Mailänder Familientreffens forderte Benedikt XVI. eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Weiter rief er die Väter in ihre Erziehungspflicht: „Die Tatsache, dass ein Vater im Leben des Kindes nicht präsent ist, ist ein großes Problem unserer Zeit“, so Benedikt XVI. wörtlich. Für Bischof Hine zerrt in Großbritannien derzeit auch die Aufweichung des traditionellen Familienbegriffes an der katholischen Ehe und Familie: So überlegt die britische Regierung von England und Wales derzeit, den Ehebegriff auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften auszuweiten. Bischof Hine sieht das als Gefahr:

„Es gibt Beratungen darüber, wie das passieren soll, nicht darüber, ob das passieren soll. Wir haben eine Kampagne dagegen gestartet. Und derzeit scheint es so zu sein, dass die Regierung ein wenig Abstand von dem Plan nimmt, weil das Thema keine erste Priorität hat, es gibt wichtigere Dinge. Wir werden die Kampagne aber natürlich fortführen: Wenn man einmal damit anfängt, die Ehe neu zu definieren, zerstört man wirklich das Heim und die Familie und die damit verbundenen Möglichkeiten.“

Die Anzahl der Scheidungen ist auch in Großbritannien gestiegen. Dabei wollten junge Paare eigentlich gerne heiraten, berichtet Bischof Hine. Sie seien leider nur schlecht auf die Ehe vorbereitet:

„Zweifelsfrei gab es einen Anstieg der Scheidungen und es gibt enormen Druck auf die Familien aus allen möglichen Richtungen. Junge Leute tendieren dazu, viel später als früher zu heiraten, nicht nur aus beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen, sondern auch, weil sie bereits verschiedene Beziehungen hatten. Und das, denke ich, hilft ihnen nicht wirklich, wenn sie einen Hausstand gründen: Sie schlittern eher in die Ehe als sich wirklich dafür zu entscheiden. Wenn man keine Entscheidung trifft, dass das ein lebenslanges gegenseitiges Bekenntnis ist und wenn man einfach so hineinschlittert, ist es ebenso leicht, da wieder herauszugleiten. Und ich denke, das ist das große Problem heute.“

Die katholische Kirche versucht dieser Tendenz mit Ehevorbereitungskursen entgegenzuwirken. Überhaupt bemühe man sich, das Thema Familie positiv „unter die Leute“ zu bringen, berichtet der Bischof aus seiner eigenen Gemeindearbeit. So bemühe man sich etwa darum, die Gemeinden familienfreundlicher zu gestalten und auf die Familien zuzugehen. Weiter versuche man, die Gesellschaft für die Bedeutung und den Wert der Familie als spirituellem Ort zu sensibilisieren. Die Teilnahme am Mailänder Familientreffen kann nach Ansicht des Geistlichen vor allem dann ein Erfolg sein, wenn man offen in die verschiedenen Begegnungen hineingeht:

„Ich denke, das Ziel einer solchen Konferenz kann sein, ein offenen Geist zu haben und zu schauen: was sind überhaupt die Werte, die hilfreich sind, und was können wir zu dieser Konferenz aus unserer Sicht beitragen. Man kann im Vorhinein nicht festlegen, was aus dieser Erfahrung herauskommt, das hängt von der Einstellung ab, mit der man dort hin geht und von der Mentalität, die man einbringt – die bestimmt, was man mitnimmt.“

Zum fünftägigen Internationalen Familientreffen in Mailand werden Menschen aus mehr als 140 Ländern erwartet. Bei der Veranstaltung gibt es vielfältige Gelegenheiten für die Teilnehmer, sich über die Herausforderungen und Probleme der Familien auszutauschen. Die Familientreffen werden alle drei Jahre abgehalten und vom Päpstlichen Familienrat ausgerichtet. Thema in diesem Jahr ist die Familie zwischen Arbeit und Fest.

(rv 24.05.2012 pr)







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