2012-05-24 15:47:48

Kardinal Maradiaga: „Arm sein heißt nicht, Würde zu verlieren“


RealAudioMP3 Der Präsident von Caritas Internationalis, Kardinal Oscar Rodríguez Maradiaga, hat bei verschiedenen Gelegenheiten auf die Situation von Frauen, die zur Migration gezwungen sind, hingewiesen. Oftmals finden sich gerade die Frauen im fremden Land in einer Zwangslage, aus der sie sich schwerlich befreien können und sind dem Missbrauch durch skrupellose Menschen schutzlos ausgeliefert. Kardinal Maradiaga äußerte sich zum Thema vor dem Mikrofon von Radio Vatikan:

„Arm zu sein heißt ja nicht, seine Würde zu verlieren. Oftmals werden die Armen ausgenützt, aber sie dürfen diesen Horizont nicht aus dem Blick verlieren. Sie bleiben weiterhin Personen mit ihrer Würde, und man darf sie nicht missbrauchen. Vor allem die Frauen werden oft für die Prostitution missbraucht, man täuscht sie und verspricht ihnen eine Arbeit; stattdessen finden sie sich in einer richtiggehenden Sklaverei wieder, weil sie in unwürdigen Konditionen leben müssen und sexuellen Missbrauch erleiden.“

In der Familie, so der Kardinal weiter, treffe es also in der Regel die zentrale Figur der Mutter, was bedeute, dass die Würde und das Empfinden der gesamten Familie in Mitleidenschaft gezogen werden. Einen wichtigen Anteil an der gravierenden Situation der Migranten habe aber auch die Wirtschaftskrise, die die Menschen in den Industriestaaten immer mehr dazu bringe, sich gegen Immigranten abzukapseln und sie als „Arbeitsplatzräuber“ zu betrachten. Aber:

„Man muss ja nur bedenken, dass die Jungfrau Maria zusammen mit Jesus Christus und dem Heiligen Josef Migranten waren! Im christlichen Glauben sind wir uns einig, dass wir allen Migranten helfen müssen, die unsere Brüder und Schwestern sind, und nicht unsere Feinde. Das sind keine Menschen, die kommen, um uns unsere Arbeit wegzunehmen, sondern sie kommen, um Arbeit und Würde zu finden.“

Wie die Hilfe für Migranten konkret aussehen kann, erfahren wir von Martina Liebsch, die in leitender Position bei Caritas Internationalis in Rom arbeitet. Am Rande einer Konferenz zur Migration von Frauen, die an diesem Donnerstag von der amerikanischen Botschaft am Heiligen Stuhl in Rom organisiert wurde, hat sie Radio Vatikan näheres zum Thema berichtet.

„Caritas Internationalis mit seinen 164 Mitgliedsorganisationen arbeitet schon lange im Bereich der Migration und hat in den letzten vier Jahren einen Fokus auf die Frauenmigration gelegt, weil man festgestellt hat, dass von den 214 Migranten circa die Hälfte Frauen sind und man darüber eigentlich wenig redet. Vor allem hat sich auf diesem Gebiet eine leichte Veränderung ergeben: während früher Frauen mit der Familie ausgewandert oder weitergewandert sind, wandern sie heute oft alleine aus, weil die Bedingungen in den Herkunftsländern es ihnen unmöglich machen, selber eine Arbeit aufzunehmen. Andere Fälle sind, dass der Mann aufgrund der Wirtschaftskrise keine Arbeit findet. Das heißt, Frauen werden Alleinverdiener der Familien.“

Caritas Internationalis bemüht sich seit einigen Jahren darum, das Phänomen der Frauenmigration zunächst in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen, und dann die eigenen Mitarbeiter, die über die ganze Welt verstreut sind, zu sensibilisieren. Wert wird dabei auf konkrete Praxisbeispiele gelegt:

„Es gibt da insbesondere ein Projekt, das es in anderen Caritas-Organisationen auch gibt, nämliche eine „Beratung vor der Auswanderung“. Wenn Frauen die Absicht haben, auszuwandern, um irgendwo anders einen Job aufzunehmen, werden sie einerseits mit Erfahrungen von Leuten, die schon ausgewandert sind, konfrontiert, so dass sie wissen, welche Risiken möglicherweise auf sie zukommen können. Andererseits kann man ihnen aber auch kleine Ratschläge geben, wie zum Beispiel sicherzustellen, dass eine Kopie des Passes zu Hause verbleibt für den Fall, dass eine Frau ihrer Dokumente beraubt wird, so dass man über das Netzwerk jederzeit darauf zurückgreifen kann. Oder man gibt ihnen Adressen von Caritasorganisationen, die ja auf der ganzen Welt verstreut sind, wo sie sich hinwenden können, falls sie im fremden Land in eine Notlage gelangen. Sie erhalten auch eine Belehrung darüber, was eigentlich würdige Arbeitsbedingungen und allgemeine internationale Rechte sind.“

Das Phänomen der Arbeitsmigrantinnen, die unter teils unmenschlichen Bedingungen leben müssen, existiert aber nicht nur in fernen Ländern Asiens und Arabiens, sondern auch mitten unter uns. Martina Liebsch erläutert uns an einem konkreten Beispiel die Arbeit ihrer Organisation:

„Es gibt das Beispiel einer junge Frau aus Albanien, die nach Italien gehandelt wurde und dann über ein weitverzweigtes Netzwerk von Hilfsorganisationen letztlich nach England auswandern konnte. Dort konnte sie sich eine neue Identität aufbauen. Diese Frau arbeitet jetzt mit der englischen Polizei zusammen und das ist ein schönes Beispiel dafür, wie man die guten und manchmal leider auch schlechten Erfahrungen positiv nutzen kann. Das heißt, es gibt diese Situation auch hier in Europa, selbst wenn sie sicherlich nicht so eklatant ist, weil es hier ein großes Netzwerk an Hilfsorganisationen gibt und die Leute recht aufmerksam sind. Aber man sollte auch nicht meinen, das Phänomen wäre nicht existent.“

Prävention ist beim Kampf gegen Arbeitssklaverei und Menschenhandel ein wichtiger Verbündeter, auch auf europäischem Boden:

„Deshalb versuchen wir mit unserer Arbeit, möglichst viele Menschen zu sensibilisieren, auch Leute, von denen man vielleicht im ersten Moment denkt, die hätten damit nichts zu tun. Die Caritas in Rumänien arbeitet zum Beispiel mit jungen Leuten, die möglicherweise irgendwann in die Situation kommen, Opfer von Menschenhandel zu werden, damit sie erfahren, was das überhaupt ist und die Zeichen erkennen. Denn wenn man nicht direkt damit konfrontiert ist und nicht auf gewisse Indikatoren achtet, dann denkt man nicht so direkt an so etwas. Deshalb: Ja, das Phänomen existiert, aber es muss noch viel mehr investiert werden in die Umsetzung der ganzen Richtlinien, die wir auf europäischer Ebene haben, Protokolle und vieles mehr. Es gibt sehr viel Material, und sehr viel Untersuchungen dazu – wir wissen eigentlich, was zu tun ist, aber wir müssen es umsetzen.“

(rv 24.05.2012 cs)







All the contents on this site are copyrighted ©.