Alois Glück, Vorsitzender
des Zentralkomitees der Katholiken (ZdK) und allgegenwärtig bei der Vorbereitung und
Durchführung des Katholikentags, zieht eine positive Bilanz der katholischen Großveranstaltung.
Sie sei „das Großforum des Dialogprozesses“ und gebe wichtige Impulse, die bei der
nächsten offiziellen Dialogveranstaltung im September aufgenommen werden würden. Dringenden
Handlungsbedarf sieht er insbesondere darin, das durch Vorfälle wie die Missbrauchsskandale
enttäuschte Vertrauen der Gläubigen zurückzugewinnen, und bei Themen wie der Umgang
mit wiederheirateten Geschiedenen nicht nur Gesprächsbereitschaft zu signalisieren,
sondern auch zu Ergebnissen zu kommen, um eine „Welle der Resignation“ zu vermeiden.
Pater Bernd Hagenkord hat mit ihm in Mannheim gesprochen:
„Wir haben mit
den Geschichten des sexuellen Missbrauchs unendlich viel Vertrauen verloren, nicht
nur, aber insbesondere hier bei uns in Deutschland. Das ist eine Schockerfahrung in
unserer Kirche, wenn auch eine heilsame. Es geht jetzt darum, wie man das Vertrauen
zurückgewinnen kann. Vertrauen zurückgewinnen heißt, sich auf die Erfahrungen derer
einzulassen, die das Vertrauen verloren haben, um dann zu überlegen, wie man Dinge
anders gestalten kann.“
Was ist denn für Sie das Besondere an diesem Katholikentag?
„Das
Besondere an diesem Katholikentag ist, dass er spürbar in eine Zeit fällt, in der
Weichenstellungen unserer Kirche und der Gesellschaft erfolgen. Wir leben in einer
Phase, in der sich Entwicklungen, die schon länger anhalten, verdichten, und damit
Entscheidungsdruck entsteht. Kirchlich gesprochen etwa durch die Veränderung in der
Verkündigung, aber auch gesellschaftlich, weil immer spürbarer wird, dass wir auf
Dauer nicht weiter leben so wie wir jetzt leben, können wie das bisher geschah, weil
diese Art von Leben nicht zukunftsfähig ist. Das spürt man auch hier auf dem Katholikentag
– die Frage ist, wo geht die Reise jetzt wirklich hin? Das kann nicht nur die Fortschreibung
des Bestehenden sein.“
Es gab ja auch immer wieder Konfliktthemen, die
in Zeitungen und Medien verbreitet wurden, im Vorfeld aber auch während des Katholikentags
selber, wie zum Beispiel die Rede von Bundestägspräsident Lammert – innerkirchliche
Themen waren doch sehr stark in der Diskussion?
„Ja, die innerkirchlichen
Themen sind natürlich sehr stark vertreten, sie werden momentan vielleicht auch in
der Öffentlichkeit mehr wahrgenommen als Debatten über Kulturkonflikte oder über Themen
der Gerechtigkeit und Umweltpolitik, weil die heute nicht mehr so kontrovers wie noch
vor einigen Jahren in der Gesellschaft diskutiert werden. Der Mensch erlebt die Kirche
in ihrem Erscheinungsbild über ihre Repräsentanten und wie Kirche sich darüber für
den Einzelnen vermittelt. Deshalb sind diese strukturellen Fragen so wichtig, aber
sie können natürlich kein Ersatz für die Inhalte sein. Umgekehrt, wenn die Kirche
ihrer Sendung gerecht werden will, den Menschen in ihrer jeweiligen Zeit das Evangelium
zu vermitteln und zugänglich zu machen, so muss das in einer derartigen Form geschehen,
dass der Mensch dieser Zeit und der jeweiligen Lebenswelt und Kultur das auch verstehen
und aufnehmen kann. Das gehört zusammen, so dass es aus unserer Sicht völlig falsch
ist, da einen Gegensatz zu konstruieren. Nur Strukturdebatten sind fruchtlos. Diese
anderen Fragen zu vernachlässigen, ist eine Selbstbespiegelung. Manchmal habe ich
den Eindruck, dass man mit theologischen Begründungen einen Weg sucht, sich nicht
selbst kritisch reflektieren zu müssen und sich nicht damit auseinanderzusetzen, wie
man von außen wahrgenommen wird.“
Der Katholikentag ist ja auch Teil
des Dialogprozesses; er gehört in den Verlauf des Jahr des Glaubens, wie der Papst
angesprochen hat, und sicherlich auch in die Vorbereitungen der Gedenkfeiern zum Zweiten
Vatikanum. Das heißt er ist eingebunden und nicht einfach nur ein Solitär. Welche
Rolle spielt er im Augenblick beim Dialogprozess?
„Er ist gewissermaßen
das Großforum des Dialogprozesses. Der Katholikentag ist auch von den Bischöfen als
wichtige Station des Dialogprozesses benannt worden. Es gibt Themen, die sich seit
dem letzten Jahr gewissermaßen weiter entwickeln. Es ist immer mehr spürbar, dass
Wege gesucht werden, beispielsweise das Thema geschiedene und wiederverheiratete Menschen
befriedigender zu lösen. Erzbischof Zollitsch hat das ja auch im Vorfeld des Katholikentags
nochmals geäußert. Ich weiß aus vielen Gesprächen mit Bischöfen, dass sie hier dringenden
Handlungsbedarf sehen, auch wenn sie selbst noch nicht wissen, wie das gestaltet werden
könnte. Aber allein wenn die Gläubigen spüren, dass hier nach einer Lösung gesucht
wird, ist das schon sehr vertrauensstiftend. Es muss natürlich dann auch dazu kommen,
dass wir nicht nur verständiger über die Situation sprechen, sondern wir brauchen
auch Ergebnisse, sonst bekommen wir in ein paar Jahren eine Welle der Resignation.“