Christen sind nach Worten des Freiburger Erzbischofs Robert Zollitsch herausgefordert,
„die Zukunft der Kirche in unserem Land, den Aufbruch aktiv zu gestalten.“ Bei einem
Gottesdienst beim Katholikentag in Mannheim sagte Zollitsch am Samstag: „Wir haben
keine Zeit damit zu verlieren, nostalgisch oder gar gelähmt zurück zu schauen und
unsere Kraft mit Klagen und Jammern zu vergeuden.“ Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz
forderte: „Schauen wir aus nach den Zeichen und Chancen des Aufbruchs und ergreifen
wir sie!“ Nur wer sich der Zukunft stelle, bleibe jung und diene dem Wachstum des
Reiches Gottes und dem Aufbau einer gerechteren Welt. In Mannheim findet in diesen
Tagen der 98. Deutsche Katholikentag statt. Er steht unter dem Motto „Einen neuen
Aufbruch wagen“ und ist Teil des Dialogprozesses in der deutschen Kirche. Katholikentage
werden vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) in der Regel alle zwei Jahre
an wechselnden Orten veranstaltet; der nächste findet 2014 in Regensburg statt.
Am
Freitag hatte es in Mannheim einen zentralen ökumenischen Gottesdienst gegeben. Dabei
warnte Zollitsch die Kirchen davor, „um das eigene Profil besorgt zu sein oder gar
die persönliche Profilierung voranzutreiben“. Wichtig sei vielmehr, „uns gemeinsam
den Herausforderungen der säkularen Gesellschaft zu stellen“. Christen vergäßen manchmal
beim Streit um Unterschiede in Lehre und Ordnung, dass sie eigentlich gemeinsam ihren
Glauben in der Öffentlichkeit bezeugen müssten.
Bundesbildungsministerin
Annette Schavan (CDU) rief die katholische Kirche dazu auf, Frauen mehr zuzutrauen.
Um ihre Rolle in der Kirche zu stärken, sei eine bessere Streitkultur notwendig, sagte
Schavan am Samstag in Mannheim. Wer sich in der Kirche nur vertrage, habe schon aufgegeben.
Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat in Mannheim Gewerkschaften und
kirchliche Arbeitnehmerverbände gelobt. „Die Gewerkschaften sind ein unentbehrlicher
Teil der sozialen Marktwirtschaft“, sagte der Sozialbischof der Deutschen Bischofskonferenz.
Eine Kirche, die sich nicht um die soziale Gerechtigkeit kümmere, habe keine Zukunft.
Bei einem Arbeitnehmerempfang vereinbarten die katholische Kirche und der Deutsche
Gewerkschaftsbund DGB einen regelmäßigen Austausch über gesellschaftspolitische Fragen.
Marx forderte die Politik zum Kampf gegen einen „überdrehten Kapitalismus“ auf. Der
Mensch dürfe nicht unter die Räder kommen. Nach wie vor gelte: „Die Grundsätze der
Sozialen Marktwirtschaft sind nicht überholt.“ Der Gegensatz zwischen Arbeit und Kapital
bestehe weiter, betonte Marx. Er beklagte den Ausbau des Niedriglohnsektors, die Zunahme
prekärer Arbeitsverhältnisse, die wachsende Diskrepanz bei den Einkommen sowie eine
Verfestigung von Armut. Die Arbeitsverhältnisse müssten sicherstellen, dass niemand
in Altersarmut komme.
Die „72-Stunden-Aktion“ des katholischen Jugenddachverbandes
BDKJ ist Hauptpreisträger des erstmals vergebenen Katholikentags-Preises. Außerdem
wurden am Freitagabend bei einer großen Konzils-Gala in Mannheim das Projekt „Kulturmittlerin“
der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) sowie die Initiative Jugend
und Naturschutz (JUNA) im Erzbistum Freiburg ausgezeichnet. Der vom Zentralkomitee
der deutschen Katholiken (ZdK) gestiftete „Preis der Katholikentage - Aggiornamento-Preis“
ist mit insgesamt 10.000 Euro dotiert. Er soll Initiativen auszeichnen, die einen
Bezug zum Leitwort der Katholikentage aufweisen oder sich mit drängenden gesellschaftspolitischen
Fragen beschäftigen. Die 72-Stunden-Aktion des BDKJ fordert junge Menschen heraus,
innerhalb von 72 Stunden eine gemeinnützige Aufgabe zu lösen. Sie soll 2013 erstmals
bundesweit durchgeführt werden und wird mit 5.000 Euro unterstützt.
An diesem
Samstagabend geht der Katholikentag mit einem interkulturellen Fest zu Ende. Zum Schlussgottesdienst
am Sonntag wird dann auch Bundespräsident Joachim Gauck erwartet. Nach Polizeiangaben
sind bisher 50.000 Teilnehmer zu den Diskussionsrunden, Bibelarbeiten, Gottesdiensten
und Konzerten gekommen.