D: Thierse bezeichnet Röttgens Entlassung als „menschlich unangenehm“
Bundestagsvizepräsident
und ZdK-Mitglied Wolfgang Thierse zeigt sich enttäuscht von Kanzlerin Angela Merkel.
Gegenüber dem Kölner Domradio bezeichnet der SPD-Politiker auf dem Katholikentag den
Rausschmiss Norbert Röttgens als „menschlich unangenehm“. Aber auch Parteifreunde
der Kanzlerin wie Karl-Josef Laumann und Wolfgang Bosbach machen ihrem Unmut Luft.
Thierse sagte am Rande des Katholikentags wörtlich:
„Das war kein Rücktritt,
sondern ein Rausschmiss, und zwar ein ziemlich harter, um nicht zu sagen, brutaler.
Dass manchmal solche Entscheidungen in der Politik notwendig sind, das werde ich nicht
bestreiten, da es solche Situationen eben manchmal gibt. Aber wenn man bedenkt, dass
Merkel Röttgen noch am Montag zugesichert hat, dass sie ihn hält und weiter solidarisch
mitträgt. Zwei Tage später, offensichtlich, ohne es ihm selber vorher mitzuteilen,
wirft sie ihn raus, und das ist sehr hart.“
Aber nicht nur menschlich,
auch politisch gesehen zweifelt Thierse an der Wirksamkeit von Merkels Schachzug:
„Ich
weiß nicht ob es ihr politisch gesehen wirklich hilft, alle Schuld an der Wahlniederlage
in Nordrhein-Westfalen Herr Röttgen zuzuweisen und sich selber rauszuhalten, also
diese Niederlage von sich wegzurücken, indem man einfach einen Minister ganz hart
fallen lässt. Das ist menschlich unangenehm und ich glaube politisch nicht wirklich
hilfreich für sie.“
Die SPD sieht in Röttgen ein „Bauernopfer“ Merkels.
Die Kanzlerin habe sich damit selbst vor Kritik schützen wollen, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer
Thomas Oppermann am Donnerstag. „Die Entlassung ihres ehemaligen Vertrauten ist ein
Zeichen der Schwäche. Angela Merkel gesteht damit ein, wie schlimm es um die Regierung
steht“, sagte Oppermann.
„Ein bisschen mehr Menschlichkeit würde uns
ganz gut anstehen“ Die überraschende Entlassung Röttgens sorgt für Unruhe
auch in der CDU. Bundestagspräsident Norbert Lammert bedauerte das Aus. „Es ist bedauerlich
für ihn als unmittelbar Betroffenen, für das Ressort und auch für die Partei“, sagte
Lammert am Mittwoch in Erfurt. Auch der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach zeigte
sich irritiert über die Art und Weise, wie Röttgen entlassen wurde. „Ich hätte ihm
im Amt eine zweite Chance gegönnt“, sagte Bosbach der „Zeit Online“. „Ein bisschen
mehr Menschlichkeit würde uns ganz gut anstehen“, sagte er.
Es war das erste
Mal in ihrer knapp siebenjährigen Amtszeit, das Merkel einen Minister entließ. Für
die schwarz-gelbe Bundesregierung ist es die vierte Kabinettsumbildung seit ihrem
Start 2009.
Der 46-jährige Röttgen hatte als NRW-Spitzenkandidat am Sonntag
das schlechteste CDU-Wahlergebnis aller Zeiten im bevölkerungsreichsten Land eingefahren.
Die CDU stürzte an Rhein und Ruhr auf 26,3 Prozent ab. Seinen Rückzug vom CDU-Landesvorsitz
hatte Röttgen direkt am Wahlabend verkündet. Der Politiker, der auch stellvertretender
CDU-Chef ist, galt vor dem Wahldebakel als Hoffnungsträger der Union. Noch am Montag
hatte die CDU-Vorsitzende Merkel an Röttgen als Bundesumweltminister festgehalten.