Kardinal Koch: Antisemitismus ist Verrat am Christentum
Die „Plage des Antisemitismus“ scheint nach Ansicht des Kurienkardinals Kurt Koch
in der heutigen Welt unausrottbar. Auch in der christlichen Theologie fänden sich
antijüdische Tendenzen, sowohl auf Seiten von Traditionalisten wie auch in liberalen
Strömungen. Das sagte der Kardinal am Mittwochabend bei einem Universitäts-Festakt
in Rom. Die katholische Kirche müsse daher ständig deutlich machen, dass Antijudaismus
einen „Verrat am christlichen Glauben“ bedeute. Die geistliche Verbundenheit von Juden
und Christen habe vielmehr ein „festes und ewiges Fundament“ in der Heiligen Schrift,
betonte der Kardinal in einem Vortrag über „50 Jahre christlich-jüdischen Dialog“
an der römischen Universität „Angelicum“. Die Freundschaft zwischen Juden und Christen
sei „unverzichtbar für die gesamte Menschheit“, betonte Koch, der als vatikanischer
Ökumene-Minister zugleich für die religiösen Beziehungen zum Judentum zuständig ist.
Während der beispiellosen Grausamkeit der Schoah seien Christen „sowohl Urheber
als auch Opfer der Verbrechen“ gewesen; die breite Masse sei freilich passiver Zuschauer
gewesen, die die Augen vor der brutalen Realität verschlossen habe, führte er aus.
Die Schoah sei somit für das Christentum zu „einer Frage und Anklage“ geworden. Die
katholische Kirche habe daher nach dem Konflikt mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil
eine theologische Neudefinition ihrer Beziehungen zum Judentum vorgenommen. Die dort
verabschiedete Erklärung „Nostra aetate“ über die Beziehungen zu den christlichen
Religionen gelte auch nach 50 Jahren als „Gründungsdokument“ für den Dialog zwischen
Kirche und Judentum, so Koch. Der Konzils-Auftrag, gegenseitiges Verständnis und Respekt
zu fördern, bleibe eine fortdauernde und unverzichtbare Aufgabe, um einen Rückfall
in eine gefährliche Entfremdung zu vermeiden und um die Verbundenheit zu vertiefen.
„Jüdisch-christlicher Dialog wird nie überflüssig sein“, so Koch wörtlich,
„erst recht nicht in einem Moment, wo der epochale neue Kurs des Konzils in der Christen-Juden-Beziehung
ständig auf die Probe gestellt wird“. Der Kardinal stellte klar, dass die Konzilsdokumente,
einschließlich „Nostra aetate“ mit seinen Aussagen zu Kirche und Judentum, für alle
Katholiken bindend seien. Man könne nicht Katholik sein, ohne das Zweite Vatikanische
Konzil und die daraus folgende kirchliche Lehre zu akzeptieren. „Denn alle Dokumente,
Dekrete und Konstitutionen des Konzils sind für jeden Katholiken bindend“, so der
Kardinal.
Koch war Gast des „Johannes Paul II.-Zentrums für Interreligiösen
Dialog“, das von dem Rabbiner Jack Bemporad geleitet wird. Bemporad, der auch Dozent
an der Päpstlichen Universität Sankt Thomas von Aquin ist, äußerte sich am Rand des
Festakts zu einer möglichen Rückkehr der Piusbruderschaft zur römisch-katholischen
Kirche. „Ich glaube, dass die Kirche die Lefebvrianer nicht akzeptieren kann, sie
sollte sich von dieser Gruppe distanzieren“, so Bemporad zur Nachrichtenagentur adnkronos.
Die Kirche würde mit einer Wiederaufnahme der Piusbrüder „auch nicht genug gewinnen,
weil sie sich damit gegen alle Welt stellen würde“. Der Rabbiner wörtlich: „Es wäre,
wie fünf Prozent zu gewinnen und neunzig Prozent zu verlieren.“ Man müsse der Kirche
allerdings „Zeit lassen, um dieses Problem zu lösen“, weil es „ausgesprochen schwierig“
sei, „so viele verschiedene Strömungen“ innerhalb der Kirche zu vereinen.