2012-05-17 12:41:58

Kardinal Koch: Antisemitismus ist Verrat am Christentum


Die „Plage des Antisemitismus“ scheint nach Ansicht des Kurienkardinals Kurt Koch in der heutigen Welt unausrottbar. Auch in der christlichen Theologie fänden sich antijüdische Tendenzen, sowohl auf Seiten von Traditionalisten wie auch in liberalen Strömungen. Das sagte der Kardinal am Mittwochabend bei einem Universitäts-Festakt in Rom. Die katholische Kirche müsse daher ständig deutlich machen, dass Antijudaismus einen „Verrat am christlichen Glauben“ bedeute. Die geistliche Verbundenheit von Juden und Christen habe vielmehr ein „festes und ewiges Fundament“ in der Heiligen Schrift, betonte der Kardinal in einem Vortrag über „50 Jahre christlich-jüdischen Dialog“ an der römischen Universität „Angelicum“. Die Freundschaft zwischen Juden und Christen sei „unverzichtbar für die gesamte Menschheit“, betonte Koch, der als vatikanischer Ökumene-Minister zugleich für die religiösen Beziehungen zum Judentum zuständig ist.

Während der beispiellosen Grausamkeit der Schoah seien Christen „sowohl Urheber als auch Opfer der Verbrechen“ gewesen; die breite Masse sei freilich passiver Zuschauer gewesen, die die Augen vor der brutalen Realität verschlossen habe, führte er aus. Die Schoah sei somit für das Christentum zu „einer Frage und Anklage“ geworden. Die katholische Kirche habe daher nach dem Konflikt mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine theologische Neudefinition ihrer Beziehungen zum Judentum vorgenommen. Die dort verabschiedete Erklärung „Nostra aetate“ über die Beziehungen zu den christlichen Religionen gelte auch nach 50 Jahren als „Gründungsdokument“ für den Dialog zwischen Kirche und Judentum, so Koch. Der Konzils-Auftrag, gegenseitiges Verständnis und Respekt zu fördern, bleibe eine fortdauernde und unverzichtbare Aufgabe, um einen Rückfall in eine gefährliche Entfremdung zu vermeiden und um die Verbundenheit zu vertiefen.

„Jüdisch-christlicher Dialog wird nie überflüssig sein“, so Koch wörtlich, „erst recht nicht in einem Moment, wo der epochale neue Kurs des Konzils in der Christen-Juden-Beziehung ständig auf die Probe gestellt wird“. Der Kardinal stellte klar, dass die Konzilsdokumente, einschließlich „Nostra aetate“ mit seinen Aussagen zu Kirche und Judentum, für alle Katholiken bindend seien. Man könne nicht Katholik sein, ohne das Zweite Vatikanische Konzil und die daraus folgende kirchliche Lehre zu akzeptieren. „Denn alle Dokumente, Dekrete und Konstitutionen des Konzils sind für jeden Katholiken bindend“, so der Kardinal.

Koch war Gast des „Johannes Paul II.-Zentrums für Interreligiösen Dialog“, das von dem Rabbiner Jack Bemporad geleitet wird. Bemporad, der auch Dozent an der Päpstlichen Universität Sankt Thomas von Aquin ist, äußerte sich am Rand des Festakts zu einer möglichen Rückkehr der Piusbruderschaft zur römisch-katholischen Kirche. „Ich glaube, dass die Kirche die Lefebvrianer nicht akzeptieren kann, sie sollte sich von dieser Gruppe distanzieren“, so Bemporad zur Nachrichtenagentur adnkronos. Die Kirche würde mit einer Wiederaufnahme der Piusbrüder „auch nicht genug gewinnen, weil sie sich damit gegen alle Welt stellen würde“. Der Rabbiner wörtlich: „Es wäre, wie fünf Prozent zu gewinnen und neunzig Prozent zu verlieren.“ Man müsse der Kirche allerdings „Zeit lassen, um dieses Problem zu lösen“, weil es „ausgesprochen schwierig“ sei, „so viele verschiedene Strömungen“ innerhalb der Kirche zu vereinen.

(kna/osservatore romano/ adnkronos 17.05.2012 sk)








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