Nicht überall in
der katholischen Kirche ist das positive Verhältnis zum Judentum schon Realität. Das
hat der Vatikan-Verantwortliche für den Dialog mit dem Judentum, Kardinal Kurt Koch,
im Gespräch mit Radio Vatikan eingeräumt. Dabei kam das Konzilsdokument „Nostra Aetate“,
das die Beziehung der Kirche zum Judentum auf eine neue Basis stellte, vor mittlerweile
50 Jahren heraus. Der Schweizer Kurienkardinal, der den päpstlichen Einheitsrat leitet
und in dieser Funktion auch den Dialog des Heiligen Stuhles mit dem Judentum verantwortet,
spricht am Mittwoch an der päpstlichen Dominikaner-Universität Angelicum in Rom über
„Nostra Aetate“. Vorab sagte uns der frühere Dogmatik-Professor, es gebe innerhalb
der katholischen Kirche bis heute keine einheitliche Anschauung über das Judentum.
„Das
ist sehr unterschiedlich. Es gibt Diözesen, die sehr aktiv sind und sogar Gesprächskommissionen
haben. Das gilt beispielsweise für die Schweiz. Ich stelle aber auch immer wieder
fest, dass doch einiger Nachholbedarf noch besteht in Verkündigung, Religionsunterricht
und Predigt, wenn es darum geht, die Bedeutung der jüdischen Wurzeln in unserem Glauben
hervorzuheben. Ich denke vor allem auch an die stiefmütterliche Behandlung, die manchmal
das Alte Testament in der Liturgie einnimmt.“
Nach 50 Jahren dürfe man
„dankbar zurückblicken“ auf das, was seit „Nostra Aetate“ im Dialog mit dem Judentum
alles geschehen ist, weil, sagte uns Kardinal Koch,
„Nostra Aetate die
Grundlage einer ganz neuen Beziehung zum Judentum gelegt hat, indem es auf der einen
Seite Antisemitismus abwehrt, und auf der anderen Seite die jüdischen Wurzeln des
Christentums in Erinnerung ruft.“
Gerade Papst Benedikt XVI. und sein
Vorgänger Johannes Paul II. legten großen Wert auf eine positive Beziehung zum Judentum.
Beide waren nicht nur am Dialog interessiert, sondern setzten auch bewusste Gesten
der Freundschaft, erinnert der Schweizer Kardinal.
„Johannes Paul war der
erste Papst, der eine jüdische Synagoge besucht hat. Er war in Auschwitz und an der
Klagemauer in Jerusalem und hatte auch die Oberrabbiner getroffen. Das gilt ebenso
für Papst Benedikt, der in diesen sieben Jahren all das schon getan hat. Er ist ja
der Papst, der bisher am meisten Synagogen besucht hat. Das zeigt natürlich, wie sehr
ihm die Versöhnung zwischen Juden und Christen am Herzen liegt.“
Was die
Lage im Heiligen Land und um Nahen Osten generell anlangt, wünscht sich Kardinal Koch
mehr jüdischen Einsatz für diskriminierte Christen.
„Ich glaube, dass die
guten Beziehungen der katholischen Kirche mit den Juden auch helfen, die schwierige
Situation der Christen im Nahen Osten auch aus jüdischer Seite wahrzunehmen und Zeichen
der Solidarität zu setzen. Dieser Dialog hilft in dieser Hinsicht sicher dazu.“
Am
Wochenende reist Kardinal Koch nach Einsiedeln; dort nimmt an der Wallfahrtsveranstaltung
des Hilfswerks „Kirche in Not“ teil. Diese Wallfahrt in der Schweiz ist als Solidaritätsaktion
für die Christen in den arabischen Ländern gedacht.