2012-05-10 12:35:31

Vatikan/Österreich: Kein Individualisierungswahn bei der Katechese


RealAudioMP3 Ein Katechese-Kongress über die Hinführung zur katholischen Kirche ist an diesem Donnerstag in Rom zu Ende gegangen. Im speziellen ging es um Religionsunterweisung für Kinder und Jugendliche. Bischöfe, Pastoralfachleute und Laien aus mehr als 30 Ländern Europas berieten darüber, mit welchen Methoden man vor allem junge Leute in den Glauben einführen kann. Dass das Thema gerade in unserer heutigen individualistischen Welt nicht frei von Spannungen ist, hat uns auch der Vorsitzende des Rats der Europäischen Bischofskonferenzen COMECE, Kardinal Peter Erdö, am Rand einer Pressekonferenz bestätigt:

„Individualismus ist in der Katechese fehl am Platz. Wir sollten nicht unsere persönliche Meinung weitergeben, denn das wäre ja kein Katechismus. Vielmehr sind wir dazu verpflichtet, den Glauben der Kirche zu vermitteln, also Zeugnis über Christus abzulegen. In diesem Sinne folgt die Kirche in der Funktion den Aposteln, so dass wir in organischer Einheit mit unserer Vergangenheit sind.“

Allerdings sei die gute Nachricht an Zeitgenossen von heute zu übermitteln, in einer heutigen Sprache. Kardinal Erdö hält das für eine besondere Herausforderung, für eine „ewige Spannung“:

„Einerseits müssen wir den Menschen die Fülle unseres Glaubens, und nicht nur von uns ausgewählte Teile daraus, vermitteln, andererseits müssen wir das in unserer oder in einer anderen Kultur dem Menschen von heute vermitteln. Das ist ein ewiges Problem, bei dem es immer eine Spannung gibt, und man muss sich anstrengen, diesen doppelten Kriterien zu entsprechen.“

Diese Individualisierung, die sich auch in der Katechese niederschlägt, müsse und könne aber auch durch Gemeinsamkeit überwunden werden, ist sich Walter Krieger vom Österreichischen Pastoralinstitut sicher.

„Eigentlich geschieht die Katechese in jeder Pfarre unterschiedlich und mittlerweile sogar gegenüber jeder einzelnen Person. Die Individualisierung, in der wir uns befinden, ist sehr radikal geworden, aber die Grundfragen sind in allen Ländern dieselben. Das Empfinden der Menschen in den westlichen Gesellschaften, und auch immer mehr in den Gesellschaften Osteuropas, ist sehr ähnlich: das Freiheitsbewusstsein, die Suche nach Pragmatik und das Streben nach Wohlstand, dann auch die Frage, wo Gott in der Gesellschaft überhaupt noch relevant ist, das sind ähnliche Fragen, die wir alle haben.“

Während des Kongresses wurden Umfrageergebnisse vorgestellt, die die Verantwortung der Familie für die religiöse Sozialisation betonten. Krieger sieht in dieser Umfrage auch die Situation in Österreich aufs Treffendste abgebildet:

„Es handelt sich zwar nicht um eine repräsentative Umfrage, aber sie trifft auf Österreich zu hundert Prozent zu. Es hat sich bei der Umfrage in Österreich herauskristallisiert, dass die Ergebnisse absolut im gleichen Trend liegen wie in allen anderen europäischen Ländern, und das heißt, dass Kinder und Jugendliche zu hundert Prozent durch die Familie und die Eltern zum Glauben finden. Dann gibt es natürlich noch andere Bestärkungen im Glauben, die sehr wichtig sind, zum Beispiel Gruppen Gleichaltriger oder Ereignisse, die positiv erlebt werden im Zusammenhang mit christlicher Bewegung, Weltjugendtag, Camps und andere.“

Walter Krieger ist Generalsekretär des Österreichischen Pastoralinstituts und war mitverantwortlich für die Abfassung der am vergangenen Samstag erschienenen jüngsten Publikation der Österreichischen Bischofskonferenz, „Verkündigung und neue Evangelisierung in der Welt von heute“. Er freut sich besonders darüber, dass das Dokument in der Diskussion des Kongresses bereits stark aufgenommen wurde, und ist sich sicher, dass es auch als Beispiel für die Vertreter der anderen nationalen Pastoralbüros dienen kann:

„Das Dokument liegt ganz auf der Linie des katechetischen Direktoriums, Evangelii nuntiandi und Catechesi tradendae sind stark adaptiert, und auch Worte von Papst Benedikt XVI haben natürlich Eingang gefunden. Es finden sich auch starke Inspirationen von den französischen und deutschen Bischöfen, aber ebenso aus einem Dokument aus den Niederlanden. Gleichzeitig, nachdem es erst vor Kurzem erschienen ist, beinhaltet es natürlich viel von der aktuellen Diskussion in Pastoral und Katechese; und da sind wir wohl etwas neuer, oder sogar noch mehr am Puls der Zeit. Beispielsweise ist es wohl das erste Dokument, das bewusst auf Neuevangelisierung eingeht, seit der Päpstliche Rat für Neuevangelisierung gegründet wurde.“

Krieger zeigt sich besonders beeindruckt über die Atmosphäre bei dem Kongress in Rom.

„Das sehr familiäre, freundschaftliche Klima bei dieser internationalen Begegnung: Ich denke, es sind Menschen aus über 20 europäischen Ländern hier, Priester, Laien, Bischöfe, also eine große Palette von unterschiedlichen Persönlichkeiten, die sich hier zusammenfinden und eigentlich alle Ähnliches wollen und gut miteinander auskommen. Dass es sicher auch manche unterschiedliche Positionen und Sichtweisen gibt, ist sehr gut eingebettet in diese Gemeinsamkeit, dass der Kongress auch ein Glaubenserlebnis ist.“

Als Beispiel für diese unterschiedliche Positionen nennt Krieger uns den vieldiskutierten Youcat, also den flotten, handlichen Katechismus für Jugendliche ab 17 Jahren, der vergangenes Jahr in Wien vorgestellt wurde:

„Es gibt Menschen, die meinen, wir haben jetzt den Youcat, und damit sind alle unsere Probleme gelöst. Dabei übersieht man aber eigentlich, wo er wirklich steht, er ist nämlich nur ein Hilfsmittel der Katechese, die schon eine Grundentscheidung für den Glauben voraussetzt. Der Youcat setzt auch ein gewissen Verständnis beim Lesen der Inhalte voraus. Man hat damals bei der Präsentation in Wien gesagt, er wäre geeignet für Jugendliche ab 17 Jahren. So muss man ihn auch sehen und nützen können, sonst kann es sein, dass man es zwar gut meint, ihn Firmlingen zu schenken, die 13/14 Jahre alt sind, aber das könnte auch kontraproduktiv sein, weil diese Jugendlichen ihn nicht verstehen. Die allerwenigsten werden sich aber später nochmals damit befassen, wenn sie das richtige Alter erreicht haben. So könnte also sein, dass man es zwar gut gemeint hat, aber etwas voreilig doch etwas verhindert hat, das erst später hätte gut werden können.“

Krieger geht auch auf die vieldiskutierte österreichische Pfarrer-Initiative und deren „Aufruf zum Ungehorsam“ ein. Er will den Mitgliedern der Initiative, wie auch Papst Benedikt XVI. in seiner Gründonnerstagspredigt durchscheinen ließ, keinesfalls den guten Willen absprechen, etwas für die gemeinsame Kirche zu tun:

„Die Initiative greift viele Dinge auf, die sehr real sind, und das ist ernst zu nehmen. Es ist wichtig, hier in Dialog zu sein und zu bleiben. Ich denke, dass diese Probleme und Fragen in anderen Ländern durchaus relevant sind, aber nicht auf diese Art ausgedrückt und aufgespielt werden. Vielleicht hat dabei ein bisschen die Rolle der österreichischen Medien, die die Dinge sehr gerne aufgreifen, mitgeholfen. Allerdings muss ich wirklich sagen, dass man sich von allen Seiten um Fairness in der Auseinandersetzung bemüht, wenngleich die Positionen etwas festgefahren erscheinen. Aber das grundsätzliche gemeinsame Miteinander, für die Kirche das Beste zu wollen, ist von allen Seiten zu spüren.“

Dabei lässt Krieger durchblicken, dass er sich eine Lösung einiger der von der Pfarrerinitiative angesprochenen Themenfelder wünschen würde, da gewisse Fragen wiederholt und mit unterschiedlicher Intensität immer wieder angesprochen werden:

„Insbesondere im Hinblick auf Wiederverheiratete Geschiedene würde ich mir eine Lösung wünschen, da sind die Meinungsunterschiede ja eher gering. Anderes ist natürlich eine Belastung, aber wie in jeder Familie gibt es unterschiedliche Auffassungen, und man muss mit Belastungen leben können. Das gehört irgendwie zur Liebe zum Anderen und zur Kirche dazu, mit Dingen umgehen zu können, an denen man leidet. Es ist manchmal nicht leicht, Leid positiv auszuhalten; aber manchmal ist es eine Voraussetzung für Loyalität.“

(rv 10.05.2012 gs)








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