Kardinal Tauran: „Christen müssen im Nahen Osten bleiben“
Wichtigste Aufgabe
der Christen im Nahen Osten ist „am Ort zu bleiben“, denn sie sind „Katalysatoren
des Friedens“ und schlagen „Brücken zwischen Orient und Okzident“. Das hat Kardinal
Jean Louis Tauran, Präsident des Päpstlichen Rates für Interreligiösen Dialog, bei
einem Vortrag am Freitagabend in Rom einmal mehr betont. Und er dürfte dabei an die
verschiedenen Konfliktherde der Region gedacht haben; explizit nannte der Kardinal
den Irak, Ägypten und auch Saudi-Arabien. Auf einer Konferenz zur Lage der Christen
im Nahen Osten im Päpstlichen Maronitischen Kolleg kam Tauran auch auf die bevorstehende
Papstreise in den Libanon zu sprechen. Benedikt XVI. wird dort im September das Postsynodale
Schreiben übergeben. Dazu sagte uns Kardinal Tauran nach der Konferenz:
„Dieses
Dokument soll den Christen Mut und Hoffnung bringen. Sie sollen sich als Teil des
Nahen Ostens fühlen, sie sind dort geboren, haben dort ihre spirituellen Wurzeln,
sie sind dort hingepflanzt worden, und dort sollen sie aufblühen.“
„Einheit
in der Verschiedenheit“
Als Nuntiatur-Sekretär war Kardinal Tauran
ab Mitte der siebziger Jahre selbst Zeuge des libanesischen Bürgerkrieges. „Alles
was ich über den Nahen Osten gelernt habe, habe ich im Libanon gelernt“, sagte er
seinen Zuhörern jetzt in Rom. In der religiös und kulturell vielfältigen Region könne
es eine Strategie des Friedens sein, einen „Sinn für die Unterschiedlichkeiten“ zu
entwickeln, unterstrich Tauran. Bei der Begegnung der Religionen dürfe es nicht um
Konversion gehen, sondern um gegenseitiges „Kennenlernen“, so der Kardinal, der an
die Gemeinsamkeit der drei monotheistischen Religionen erinnerte, Dialog und Begegnung
zu favorisieren. Weiter müsse es im Nahen Osten um die Erkenntnis gehen, dass
Glaube „eine Ressource für die Gesellschaft“ sei. Tauran rief in diesem Zusammenhang
Papst Benedikts Bekenntnis zu einer christlichen Ökumene der „Einheit in der Verschiedenheit“
ins Gedächtnis. Der Papst hatte davon im Rahmen seiner Heilig-Land-Reise im Mai 2009
gesprochen. Dazu Tauran:
„Die Christen im Nahen Osten teilen dieselbe Kultur
und dieselbe Sprache. Sie haben also dieses gemeinsame Erbe, das sie in den Dienst
des Friedens und des Zusammenlebens stellen müssen!“ Mit Blick
auf die Syrien-Krise bekräftigte der Kardinal die Position des Vatikan hinsichtlich
einer möglichen Lösung des Konfliktes. Die syrisch-orthodoxe Kirche ist gegen eine
internationale Einmischung in den Syrien-Konflikt, der Heilige Stuhl setzt auf Dialog
und Kompromissbereitschaft der Konfliktparteien. Dazu sagte uns Kardinal Tauran:
„Die
Kirche muss immer Dialog und Frieden predigen und daran erinnern, dass der Krieg immer
eine Niederlage für die gesamte Menschheit ist. Man löst Probleme nie durch Krieg,
denn die Gewalt führt zu neuer Gewalt.“
Mit Blick auf verfolgte Christen
in der Region wandte sich der Kardinal gegen jede religiös begründete Verfolgung:
„Man kann niemals im Namen einer Religion verfolgen, denn die Religion predigt den
Frieden! Sie hat keine Glaubwürdigkeit, wenn sie von Dialog spricht, doch Terror praktiziert.“
Die
Konferenz im maronitischen Kolleg von Rom hatte den Titel „Die Rolle der Christen
des Nahen Ostens im Dialog zwischen Ost und West“. Neben Kardinal Tauran trugen der
maronitische Erzbischof von Beirut, Paul Matar, und der ägyptische Islamexperte Pater
Samir Khalil Samir SJ vor, der in Rom und Beirut lehrt. (rv 05.05.2012 pr)