2012-05-03 15:28:23

D/Ukraine: „Sportler sind in der Pflicht“


RealAudioMP3 Mit der momentan vieldiskutierten Rolle des Fußballs als völkerverständigendem Element hat sich auch eine Lehrveranstaltung der Jesuiten-Hochschule für Philosophie in München auseinander gesetzt. Wir haben mit Michael Reder vom Lehrstuhl für Völkerverständigung der Universität gesprochen. Im Gespräch mit dem Sozial- und Religionsphilosoph wurde deutlich, dass er vor allem die Hauptakteure derartiger Ereignisse selbst in der Pflicht sieht, sich zu den Begebenheiten zu äußern.

„Wenn man sich internationale Turniere ansieht, dann sind solche Veranstaltungen auch immer eine Begegnung verschiedener Regionen, Kulturen und Gesellschaften mit ihren unterschiedlichen politischen Traditionen. Damit können sie auch genutzt werden, auf Probleme in anderen Ländern aufmerksam zu machen und eine Öffentlichkeit zu geben, um darüber zu sprechen. Allerdings ist es wichtig, dass sich in solchen Situationen dann auch die Sportler selber äußern. Deshalb ist es unabdingbar, dass sich beispielsweise die Spieler der deutschen Nationalmannschaft auch politisch äußern und die Menschrechtsverletzungen mit zum Thema machen. Das wäre meiner Ansicht nach eine wichtige Möglichkeit, auf die Situation in der Ukraine zu reagieren und auch den politischen Druck zu erhöhen.“


Ereignisse wie Fußball-Europameisterschaften oder Weltmeisterschaften seien immer wichtige gesellschaftliche Phänomene, bei denen es nicht nur um Sport geht, sondern bei denen auch politische Fragen mitverhandelt werden könnten. Ein Boykott der Veranstaltung sei daher nicht der richtige Weg, das Potential der Europameisterschaft gerade im Hinblick auf ihre Öffentlichkeitswirkung zu nutzen:


„Meiner Ansicht nach ist es gut, wenn solche Ereignisse zum Anlass genommen werden, um öffentlich über die Situation, zum Beispiel über die Verwirklichung von Menschenrechten, zu diskutieren und dass Verantwortliche, Politiker oder gerade auch Spieler und Sportler sich dazu äußern. Ich glaube nicht, dass ein Boykott des Turniers die Situation wirklich verbessern würde, sondern ich denke, dass mehr gewonnen ist, wenn dieses Ereignis auch als politisches Ereignis medial aufgegriffen wird und damit letztlich der Druck auf die Regierung vor Ort erhöht werden kann.“


Insbesondere der Fußball, aber auch andere sportliche Großereignisse dienten dazu, grundpolitische und demokratische Fragen zu diskutieren. So habe beispielsweise der Deutsche Fußballverband die Diskussionen um Beschimpfungen von Spielern gegnerischer Mannschaften mit einer anderen Hautfarbe in seiner „Anti-Rassismus-Kampagne“ aufgegriffen. In letzter Zeit gebe es auch immer mehr Spieler, die sich öffentlich zu ihrer Homosexualität bekennen und damit einen wichtigen Beitrag gegen Homophobie leisteten, so Reder. Dennoch scheint es auffällig, dass die Diskussionen um Menschrechtsverletzungen in der Ukraine erst kurz vor dem Anpfiff zur EM so stark medial verbreitet werden. Dazu Reder:


„Es braucht leider immer wieder äußere Umstände, damit politisch etwas hörbar gemacht wird und so auch deutsche Politikerinnen und Politiker mit unter Druck gesetzt werden, ihre Rolle wahrzunehmen. Insofern ist es vielleicht schade, dass sie es erst aufgrund eines solchen Anlasses wie der EM tun. Ich finde es nichtsdestotrotz richtig und wichtig, dass beispielsweise der Bundespräsident mit seinem Verzicht auf die Reise in die Ukraine und auch dem geplanten Nicht-Reisen zu den Spielen in die Ukraine ein Zeichen gesetzt hat, das auch diplomatisch sehr deutlich wahrgenommen wird und klar macht: Wir sind mit der Umsetzung von Menschenrechten und dem politischen System in dieser Form nicht einverstanden und wollen auch öffentlich dagegen protestieren!“


Reder würde sich dabei wünschen, dass auch neben den Fußballereignissen und großen Sportereignissen wie den Olympischen Spielen in der Öffentlichkeit auch mehr über andere, vielleicht kleinere Ereignisse geredet und damit auf die Situation von Menschenrechten in anderen Ländern aufmerksam gemacht werde:


„Wir brauchen mehr Berichterstattung über solche Ereignisse, um zu sehen, wie die Menschrechtssituation vor Ort ist und um damit auch den politischen Druck und die Aufklärung in der eigenen Bevölkerung voranzutreiben. Oftmals wissen wir ja gar nicht so genau, wie die Situation wirklich ist, und dass solche Ereignisse Anlass sind zu informieren, Öffentlichkeit herzustellen und damit auch politischen Druck aufzubauen.“


(rv 03.05.2012 cs)








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