2012-04-27 11:34:11

Liberia: Die Menschen können wieder ruhig schlafen


RealAudioMP3 Charles Taylor ist verurteilt: Das UNO-Sondertribunal in Den Haag befand den früheren Präsidenten von Liberia am Mittwoch für schuldig in allen elf Anklagepunkten. Er habe Beihilfe zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit geleistet, habe auch andere zu solchen Verbrechen angestiftet, habe Rebellen im Nachbarland Sierra Leone mit Waffen unterstützt und dafür gesorgt, dass diese Kindersoldaten rekrutierten und Tausende Menschen ermordeten. Damit ist Taylor seit den Nürnberger Prozessen das erste Ex-Staatsoberhaupt, das von einem internationalen Gericht verurteilt worden ist.

„Ich begrüße den Schuldspruch gegen Charles Taylor sehr“, sagt Chefanklägerin Brenda Hollis. „Das ist ein Sieg in dem sehr wichtigen Kampf gegen die Straflosigkeit!“ Der Verteidiger Taylors hält dem entgegen: „Das Gericht stützt sich vor allem auf das Material, das der Angeklagte selbst zusammengestellt hat.“ Den Richtern sei es in den letzten vier Jahren nicht gelungen, eine direkte Verwicklung Taylors in die von den Rebellen verübten Grausamkeiten zu beweisen.

Das Strafmaß muss der Sondergerichtshof noch festlegen, am 30. Mai wird es verkündet; Taylor droht lebenslange Haft. Alex Vines hat früher die UNO-Sanktionen gegen Liberia überwacht und arbeitet jetzt als Afrika-Experte bei einem Londoner Think-Tank. Er meint: „Er hat schon ziemlich lange in Untersuchungshaft gesessen, das wird ihm sicher angerechnet. Und wir werden erst noch sehen, wie sehr die Anklage die Richter überzeugt hat. Wenn Taylor nur eine kurze Gefängnisstrafe bekommt, kann er natürlich theoretisch wieder die politische Bühne in Westafrika betreten.“ Vines ist frustriert – nicht weil es so lange bis zum Schuldspruch gedauert hat, sondern weil die Anklageerhebung gegen Taylor aus seiner Sicht im falschen Moment kam: „Wir hatten damals Friedensgespräche, in Ghana, als die Chefanklägerin die Anklage öffentlich machte – in einem Moment, wo es so aussah, als würde Taylor das Land verlassen. Wir hätten uns damals noch viel Gewalt in Sierra Leone ersparen können – das Timing einer Anklageerhebung hat politische Implikationen!“

„Wer selbst das Drama des Bürgerkriegs in Sierra Leone erlebt hat, für den ist das zwar ein Schritt hin zur Gerechtigkeit, aber noch nichts Definitives.“ Das sagt unser Radio-Vatikan-Afrika-Experte, Pater Giulio Albanese. „In Freetown wie in Monrovia weiß doch jeder, dass Taylor – und nicht nur er allein – von ausländischen Mächten unterstützt worden ist, die vor allem am Diamantengeschäft interessiert waren. Aber das ist eine andere Geschichte...“ Die Rebellen in Sierra Leone – so die Anklage in Den Haag – zahlten Taylors Waffenlieferungen mit Blutdiamanten, an denen sich der liberianische Präsident bereicherte.

Mit großer Erleichterung nehmen das katholische Hilfswerk MISEREOR und seine Partner in Liberia den Schuldspruch für Taylor auf. „Dies ist ein guter Tag für die Menschen in Sierra Leone und Liberia und ein wichtiger Beitrag für den Friedensprozess und die Wiederversöhnung in dieser westafrikanischen Region.“ Das sagt Bischof Andrew Karnley vom Bistum Cape Palmas aus Liberia. Von Den Haag gehe „eine starke Botschaft an alle Despoten und Gewaltherrscher dieser Welt aus, dass Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit von Staatschefs nicht ungesühnt bleiben dürfen“. Wichtig sei jetzt, dass Taylor „nicht nur für die Verbrechen in Sierra Leone verurteilt wird, sondern auch für das große Leid, dass er den Menschen in Liberia zugefügt hat“, so der Bischof. Er sei sich „sicher, dass die Menschen in meiner Heimat heute sehr gut schlafen werden“.

Liberias Bürgerkrieg, der elf Jahre lang bis 2001 wütete, hinterlässt über 120.000 Tote und Tausende ehemaliger Kindersoldaten, darunter auch viele Mädchen. Die meisten von ihnen leiden noch heute unter ihren schrecklichen Erlebnissen. MISEREOR unterstützt in Liberia die Diözese Gbarnga bei ihrem Engagement für die traumatisierten Kinder und Jugendlichen. Sie bietet ihnen eine Ausbildung als Schreiner, Maurer, Schneider oder Automechaniker und verhilft ihnen damit zu einer Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Des weiteren unterstützt MISEREOR die Bemühungen für Frieden und Versöhnung der liberianischen Bischofskonferenz. Das Hilfswerk hofft, dass der Schuldspruch aus Den Haag auch ein Signal für den Senegal ist, dem Ex-Präsidenten des Tschads Hissène Habré dort den Prozess zu eröffnen.
In unserem Audio-Angebot hören Sie u.a. ein Interview von diesem Freitag mit Vincent Neussl von misereor. Klicken Sie dazu auf ein Audio-Symbol oben rechts.

(rv/pm/div 27.04.2012 sk)








All the contents on this site are copyrighted ©.