Unerlässlich, um den
Sextourismus einzudämmen: gesetzliche Ahndung und gesellschaftliche Ächtung des Phänomens.
Und zwar vor allem in den Herkunftsländern der Freier, die das Geschäft am Laufen
halten. Neben Hilfe für Sextourismus-Opfer in den Zielländern engagiert sich das katholische
Hilfswerk missio im Rahmen der „Aktion Schutzengel“ im Bereich Aufklärung und Prävention.
Im Interview mit Radio Vatikan unterscheidet Jörg Nowak von missio zwei Typen des
Sextourismus:
„Man muss unterscheiden zwischen Sextouristen, die zu volljährigen
Prostituierten gehen – das ist je nach Land vielleicht sogar legal und wäre das Phänomen
des Sextourismus, wo Männer sagen: da bin ich unbeobachtet in einem fernen Land, da
gibt es Prostituierte, die sind viel billiger. Und auf der anderen Seite gibt es kriminelle
Gewalttäter, die brutal sind, die es auf Minderjährige abgesehen haben, die kinderpornographisches
Material selber drehen und das dann weiterverkaufen für viel Geld und das auch als
eine Einkommensquelle sehen, da handelt es sich um Gewaltverbrechen und um Kriminalität.“
Allein
in Deutschland ist für 400.000 Männer käuflicher Sex fester Bestandteil des jährlichen
„All inclusive“-Urlaubs, berichtet Nowak weiter. Sextourismus und Prostitution würden
allzu oft als „Kavaliersdelikt“ bezeichnet und verharmlost:
„Schlüsselerlebnis
für uns war, dass wir in einem deutschen Reiseführer Reisetipps für Sextouristen entdeckt
haben. Da stand drin, in welchen Lokalitäten in Bangkok man die jüngsten und hübschesten
Mädchen findet und wie man sich dort am besten anstellt als Sextourist. Wir haben
das öffentlich angeprangert und den Verlag dazu gedrängt, die Ausgabe vom Markt zu
nehmen. Der Verlag hat das dann auch getan.“
Auch die Reisebranche nahm
missio im Rahmen der Aktion Schutzengel ins Visier: das Hilfswerk verteilte Info-Material
an Flughäfen in Deutschland, Österreich und der Schweiz und klärte über die Folgen
des Sextourismus auf. Den Fluggesellschaften ist das Problem schon lange bekannt,
so Nowak:
„Viele Flugbegleiterinnen sind zu uns gekommen und haben gesagt:
,Endlich spricht da mal jemand drüber! Wir haben auf den Flügen nach Bangkok immer
diese Typen an Bord, die damit prahlen, was sie mit den Mädchen da alles anstellen.
Endlich redet man einmal darüber!‘ Ich glaube, dass diese Verharmlosung in den letzten
Jahren ein riesiges Problem war. Und das wirklich die große Herausforderung ist, herauszufinden,
wie es dazu kommt, dass jemand zu einem Täter wird. Und wir man noch einmal den moralischen
Druck erhöhen kann, damit diese Männer von Sextourismus ablassen.“
Angefangen
bei jungen Studenten, über Geschäftsleute bis hin zu älteren Herren und auch Frauen
– die Sextouristen kommern aus allen gesellschaftlichen Schichten und Altersgruppen,
berichtet Nowak. Moralischer Druck sei wichtig, aber freilich kein Allheilmittel –
bei Gewaltverbrechen zählten letztlich die Gesetze, mit denen die übergriffige und
kriminelle Täter bestraft werden könnten. Verurteilungen von solchen Sextouristen
seien in Deutschland nach wie vor selten, im Jahr 1993 konnte mit Hilfe eines engagierten
Missionars zum ersten Mal ein pädophiler übergriffiger Sextourist in Deutschland gerichtlich
verurteilt werden – ein „Schlüsselerlebnis“ für deutsche Gerichte, Hilfsorganisationen
und für Betroffenen, so Nowak:
„Pater Shay Cullen hatte einem philippinischen
Mädchen Zuflucht gewährt, das von einem deutschen Sextouristen missbraucht worden
war und hatte sie seelsorglich betreut. Der Täter wurde verhaftet, kam auf Kaution
auf freien Fuß und floh von den Philippinen aus. Es ist diesem engagierten Priester
zu verdanken, dass der Täter verurteilt werden konnte: Pater Cullen brachte Beweismaterial
mit nach Deutschland. Nach einem sehr schweren Gerichtsverfahren – das damals elfjährige
Mädchen musste in einem anderen Land vor den Augen ihres Peinigers vor Gericht aussagen,
der Täter selbst stritt alles ab – konnte der Täter zumindest zu zweieinhalb Jahren
Haft verurteilt werden. Das Mädchen selbst hatte noch lange mit dem Trauma zu kämpfen.“
Hintergrund Schwerpunkte
der „Aktion Schutzengel“ waren bisher „Sextourismus und Kinderprostitution“ sowie
„Aids und Kinder“. Auf dem kommenden Katholikentag in Mannheim will missio einen neuen
Schwerpuntk der Aktion vorstellen. Parallel läuft die Hilfsarbeit von missio in den
betroffenen Ländern weiter; so hat das Hilfswerk aktuell die Förderung eines Trauma-Zentrums
für Kinder auf den Philippinen aufgenommen, das mit den nationalen Strafbehörden zusammenarbeitet.
Leiter des Zentrums ist der irische Missionar Shay Cullen, der seit Jahren entschieden
und mutig gegen sexuelle Ausbeutung Minderjähriger angeht. Er machte den Fall Pia
bekannt, bei dem es in Deutschland zum ersten Mal zur Verurteilung eines pädosexuellen
Täters kam, der im Ausland straffällig geworden war.