Ungarn: Protest gegen antisemitische „Jobbik“-Aussagen
Vertreter des Judentums aber auch der christlichen Kirchen haben sich besorgt über
die antisemitische Polemik der rechtsextremen „Jobbik"-Partei geäußert. Seit den Wahlen
2010 ist „Jobbik" mit insgesamt 47 Mandaten die drittstärkste Partei im ungarischen
Parlament. Eine gegen Juden gerichtete Parlamentsrede des Abgeordneten Zsolt Barath
wurde von Primas Kardinal Peter Erdö, dem reformierten Bischof Gusztav Bölcskei sowie
dem evangelischen Bischof Peter Gancz zurückgewiesen. Barath hatte in seiner Wortmeldung
im Parlament kurz vor Ostern den Fall eines angeblichen Ritualmords, der sich zum
Pessachfest vor 130 Jahren ereignet haben soll, als historisch bezeichnet. In der
Erklärung der Bischöfe heißt es, „die schamlose Wiederaufwärmung der Ritualmord-Beschuldigung
von Tiszaeszlar" sei zu verurteilen. „Der christliche Glaube und die christliche Liebe
zum Mitmenschen lässt sich unter keinen Umständen mit Antisemitismus sowie Schüren
von Hass gegen religiöse Gemeinschaften und Volksgruppen vereinbaren. Uns beunruhigt
besonders, dass es zu dieser Hassrede im Parlament gekommen ist".
Hintergrund Bei
dem angeblichen Ritualmord handelte es sich dabei um die sogenannte „Affäre von Tiszaeszlar".
Im Jahre 1882 wurden die Juden von Tiszaeszlar beschuldigt, an einem jungen christlichen
Mädchen einen Ritualmord begangen zu haben. Die damaligen progressiven politischen
Kreise Ungarns protestierten heftig gegen die Anklage. Der Fall, der die ungarischen
Juden zum Sündebock machte, fand in ganz Europa einen großen Widerhall. Barath
wiederholte die damaligen Anklagepunkte gegen jüdische Einwohner von Tiszaeszlar.
Nach den Worten des Abgeordneten hätten Juden das Mädchen ermordet, aber die Justiz
sei bemüht gewesen, die Wahrheit zu verschleiern. Der Richter wäre gezwungen gewesen,
auf Druck von Außen, das heißt „auf Druck von jenen Kreisen, die die ungarische Wirtschaft
auch schon damals fest in der Hand hatten", die Beschuldigten freizusprechen. Der
Prozess zog sich hin, die Agitation erfasste das gesamte Land. Erst am 3. August 1883
erfolgte der Freispruch aller Angeklagten.