Papst Benedikt über Mendelssohn und das Gewandhausorchester
Der Papst hat am Freitagabend in der Audienzhalle einem Konzert des Gewandhauses Leipizg
beigewohnt. Im Anschluss hielt Benedikt XVI. eine Ansprache, die er teils auf Deutsch
und teils auf Italienisch hielt. Wir publizieren den Text in einer Arbeitsübersetzung:
Sehr
geehrter Herr Ministerpräsident! Verehrte Gäste aus dem Freistaat Sachsen und der
Stadt Leipzig! Verehrte Kardinäle, Brüder im Bischofs- und Priesterstand, sehr
geehrte Damen und Herren!
Mit dieser großartigen Darbietung von Felix Mendelssohn
Bartholdys Symphonie Nr. 2 „Lobgesang“ haben Sie mir anläßlich meines Geburtstags
wie auch allen hier Anwesenden ein wertvolles Geschenk gemacht. Diese Symphonie ist
in der Tat ein großer Lobgesang zu Gott, ein Gebet, mit dem wir dem Herrn für seine
Gaben Lob und Dank gesagt haben. Zunächst möchte ich aber jenen danken, die uns diesen
Augenblick ermöglicht haben. Da ist vor allem das Gewandhausorchester zu nennen, das
eigentlich keine Vorstellung braucht: eines der ältesten Orchester der Welt mit einer
hochstehenden Aufführungstradition und von unbestrittenem Weltruf. Herzlichen Dank
sage ich den hervorragenden Chören und Solisten, ganz besonders aber dem Kapellmeister
Riccardo Chailly für die bewegende Interpretation. Mein Dank gilt auch dem Herrn Ministerpräsidenten,
den Vertretern des Freistaates Sachsen, dem Oberbürgermeister und der Delegation der
Stadt Leipzig, den kirchlichen Würdenträgern wie auch den Verantwortlichen des Gewandhauses
und allen, die aus Deutschland gekommen sind.
Mendelssohn, Sinfonie
„Lobgesang“, Gewandhaus: das sind drei Elemente die miteinander nicht nur heute verbunden
sind, sondern es von Anfang an sind. Die große Sinfonie für Chor, Solisten und Orchester,
die wir heute gehört haben, wurde von Mendelssohn komponiert, um den vierhundertsten
Jahrestag der Erfindung des Drucks zu feiern und wurde das erste Mal in der Leipziger
Thomaskirche, der Kirche von Johann Sebastian Bach, am 25. Juni 1840 vom Gewandhausorchester
aufgeführt. Auf dem Podium stand Mendelssohn selbst, der über Jahre der Dirigent dieses
alten und bedeutenden Orchesters war.
Diese Komposition ist besteht aus drei
Elementen (movimenti), nur für das Orchester ohne die Kontinuität aufzulösen, daraufhin
eine Art Kantate mit Solisten und Chor. In einem Brief an seinen Freund Karl Klingemann
hat Mendelssohn selbst erklärt, dass in dieser Sinfonie „erst die Instrumente auf
die ihnen eigene Art den Lobgesang anstimmen, sodann der Chor und die einzelnen Stimmen“.
Die Kunst, mit der er Gott lobpreist, die Höchste aller Schönheiten, ist die Basis,
auf der Mendelssohn komponiert, und dies nicht nur in Hinblick auf die liturgische
oder Sakralmusik, sondern dies gilt für sein gesamtes Werk. Wie Julius Schubring überliefert,
für ihn war die Sakralmusik nicht höher anzusetzen als die andere Art von Musik, sondern
jede auf ihre Art sollte Gott lobpreisen. Und das Motto, das Mendelssohn auf seine
Partitur der Sinfonie „Lobgesang“ geschrieben hat, lautet folgendermaßen: „Ich möchte
alle Kunstformen, und insbesondere die Musik, im Dienste Dessen wissen, der sie gegeben
und geschaffen hat.“ Die ethisch-religiöse Welt unseres Autors war nicht von seiner
Kunstauffassung getrennt, sondern im Gegenteil ein wichtiger Teil davon. „Kunst
und Leben sind nicht zweierlei” hat er geschrieben. Eine tiefe Lebenseinheit,
die ihr zusammenführendes Element im Glauben findet, der die gesamte Existenz Mendelssohns
bestimmte und seine Lebensentscheidungen geleitet hat. In seinen Briefen können wir
diesen roten Faden ausmachen. Er schrieb an seinen Freund Schirmer am 9. Januar 1841
über die Familie: „Natürlich fehlen manchmal auch Sorgen und ernste Tage nicht… und
dennoch kann man nichts anderes tun als intensiv Gott zu bitten, dass er die Gesundheit
und das Glück, die er uns gegeben hat, erhalte“; und am 17. Januar schrieb er an Klingemann:
„jeden Tag kann ich nichts anderes tun als Gott auf Knien für jedes Gut zu danken,
das er mir gibt“. Ein solider und überzeugter Glaube, der auf profunde Weise von der
Heiligen Schrift genährt ist, wie unter anderem die beiden Oratorien Paulus
und Elias zeigen, wie auch die Sinfonie, die wir eben gehört haben und die
voll von biblischen Verweisen vor allem auf die Psalmen und den heiligen Paulus ist.
Es ist schwierig für mich, auf einen der intensiven Momente, die wir heute Abend gemeinsam
erlebt haben, zu verweisen; ich möchte nur an das wundervolle Duett zwischen den Sopranen
und dem Chor mit den Worten „Ich harrte des Herrn, und er neigte sich zu mir und
hörte mein Fleh’n“, aus dem Psalm 40; dies ist der Gesang von dem, der in Gott
alle Hoffnung legt und der sicher weiß, dass er nicht enttäuscht werden wird.
Noch
einmal möchte ich dem Orchester und dem Chor des Gewandhauses, dem Chor des Mitteldeutschen
Rundfunks MDR, den Solisten und dem Kapellmeister sowie allen Vertretern des Freistaats
Sachsen und der Stadt Leipzig für die Aufführung dieses „Werk des Lichts“ (Robert
Schumann) danken. Uns allen wurde dadurch die Möglichkeit geschenkt, Gott zu loben,
und ich konnte in besonderer Weise Gott für die Jahre meines Lebens und meines Dienstes
erneut Dank sagen.
Ich möchte mit den Worten Robert Schumanns, die er in der
Zeitschrift Neue Zeitschrift für Musik geschrieben hat, nachdem er der Aufführung
der Sinfonie, die wir heute Abend gehört haben, beigewohnt ist, und die eine Einladung
zu weiterer Reflexion sein wollen: „Lasset dass wir, wie der so meisterhaft vom Maestro
musizierte Text besagt, immer mehr „die Werke der Dunkelheit verlassen und die Waffen
des Lichts nehmen.“ Danke euch allen und schönen Abend!