2012-04-20 20:12:50

Papst Benedikt über Mendelssohn und das Gewandhausorchester


Der Papst hat am Freitagabend in der Audienzhalle einem Konzert des Gewandhauses Leipizg beigewohnt. Im Anschluss hielt Benedikt XVI. eine Ansprache, die er teils auf Deutsch und teils auf Italienisch hielt. Wir publizieren den Text in einer Arbeitsübersetzung:

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!
Verehrte Gäste aus dem Freistaat Sachsen und der Stadt Leipzig!
Verehrte Kardinäle, Brüder im Bischofs- und Priesterstand,
sehr geehrte Damen und Herren!

Mit dieser großartigen Darbietung von Felix Mendelssohn Bartholdys Symphonie Nr. 2 „Lobgesang“ haben Sie mir anläßlich meines Geburtstags wie auch allen hier Anwesenden ein wertvolles Geschenk gemacht. Diese Symphonie ist in der Tat ein großer Lobgesang zu Gott, ein Gebet, mit dem wir dem Herrn für seine Gaben Lob und Dank gesagt haben. Zunächst möchte ich aber jenen danken, die uns diesen Augenblick ermöglicht haben. Da ist vor allem das Gewandhausorchester zu nennen, das eigentlich keine Vorstellung braucht: eines der ältesten Orchester der Welt mit einer hochstehenden Aufführungstradition und von unbestrittenem Weltruf. Herzlichen Dank sage ich den hervorragenden Chören und Solisten, ganz besonders aber dem Kapellmeister Riccardo Chailly für die bewegende Interpretation. Mein Dank gilt auch dem Herrn Ministerpräsidenten, den Vertretern des Freistaates Sachsen, dem Oberbürgermeister und der Delegation der Stadt Leipzig, den kirchlichen Würdenträgern wie auch den Verantwortlichen des Gewandhauses und allen, die aus Deutschland gekommen sind.

Mendelssohn, Sinfonie „Lobgesang“, Gewandhaus: das sind drei Elemente die miteinander nicht nur heute verbunden sind, sondern es von Anfang an sind. Die große Sinfonie für Chor, Solisten und Orchester, die wir heute gehört haben, wurde von Mendelssohn komponiert, um den vierhundertsten Jahrestag der Erfindung des Drucks zu feiern und wurde das erste Mal in der Leipziger Thomaskirche, der Kirche von Johann Sebastian Bach, am 25. Juni 1840 vom Gewandhausorchester aufgeführt. Auf dem Podium stand Mendelssohn selbst, der über Jahre der Dirigent dieses alten und bedeutenden Orchesters war.

Diese Komposition ist besteht aus drei Elementen (movimenti), nur für das Orchester ohne die Kontinuität aufzulösen, daraufhin eine Art Kantate mit Solisten und Chor. In einem Brief an seinen Freund Karl Klingemann hat Mendelssohn selbst erklärt, dass in dieser Sinfonie „erst die Instrumente auf die ihnen eigene Art den Lobgesang anstimmen, sodann der Chor und die einzelnen Stimmen“. Die Kunst, mit der er Gott lobpreist, die Höchste aller Schönheiten, ist die Basis, auf der Mendelssohn komponiert, und dies nicht nur in Hinblick auf die liturgische oder Sakralmusik, sondern dies gilt für sein gesamtes Werk. Wie Julius Schubring überliefert, für ihn war die Sakralmusik nicht höher anzusetzen als die andere Art von Musik, sondern jede auf ihre Art sollte Gott lobpreisen. Und das Motto, das Mendelssohn auf seine Partitur der Sinfonie „Lobgesang“ geschrieben hat, lautet folgendermaßen: „Ich möchte alle Kunstformen, und insbesondere die Musik, im Dienste Dessen wissen, der sie gegeben und geschaffen hat.“ Die ethisch-religiöse Welt unseres Autors war nicht von seiner Kunstauffassung getrennt, sondern im Gegenteil ein wichtiger Teil davon. „Kunst und Leben sind nicht zweierlei” hat er geschrieben. Eine tiefe Lebenseinheit, die ihr zusammenführendes Element im Glauben findet, der die gesamte Existenz Mendelssohns bestimmte und seine Lebensentscheidungen geleitet hat. In seinen Briefen können wir diesen roten Faden ausmachen. Er schrieb an seinen Freund Schirmer am 9. Januar 1841 über die Familie: „Natürlich fehlen manchmal auch Sorgen und ernste Tage nicht… und dennoch kann man nichts anderes tun als intensiv Gott zu bitten, dass er die Gesundheit und das Glück, die er uns gegeben hat, erhalte“; und am 17. Januar schrieb er an Klingemann: „jeden Tag kann ich nichts anderes tun als Gott auf Knien für jedes Gut zu danken, das er mir gibt“. Ein solider und überzeugter Glaube, der auf profunde Weise von der Heiligen Schrift genährt ist, wie unter anderem die beiden Oratorien Paulus und Elias zeigen, wie auch die Sinfonie, die wir eben gehört haben und die voll von biblischen Verweisen vor allem auf die Psalmen und den heiligen Paulus ist. Es ist schwierig für mich, auf einen der intensiven Momente, die wir heute Abend gemeinsam erlebt haben, zu verweisen; ich möchte nur an das wundervolle Duett zwischen den Sopranen und dem Chor mit den Worten „Ich harrte des Herrn, und er neigte sich zu mir und hörte mein Fleh’n“, aus dem Psalm 40; dies ist der Gesang von dem, der in Gott alle Hoffnung legt und der sicher weiß, dass er nicht enttäuscht werden wird.

Noch einmal möchte ich dem Orchester und dem Chor des Gewandhauses, dem Chor des Mitteldeutschen Rundfunks MDR, den Solisten und dem Kapellmeister sowie allen Vertretern des Freistaats Sachsen und der Stadt Leipzig für die Aufführung dieses „Werk des Lichts“ (Robert Schumann) danken. Uns allen wurde dadurch die Möglichkeit geschenkt, Gott zu loben, und ich konnte in besonderer Weise Gott für die Jahre meines Lebens und meines Dienstes erneut Dank sagen.

Ich möchte mit den Worten Robert Schumanns, die er in der Zeitschrift Neue Zeitschrift für Musik geschrieben hat, nachdem er der Aufführung der Sinfonie, die wir heute Abend gehört haben, beigewohnt ist, und die eine Einladung zu weiterer Reflexion sein wollen: „Lasset dass wir, wie der so meisterhaft vom Maestro musizierte Text besagt, immer mehr „die Werke der Dunkelheit verlassen und die Waffen des Lichts nehmen.“ Danke euch allen und schönen Abend!

(rv 20.04.2012 cs)







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