Nach Einschätzung der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen
(EZW) zielt die Koran-Verteilaktion der radikalislamischen Salafisten auf eine Überwindung
der Rechtskultur in Deutschland. Das Verteilen sollte zwar rechtlich nicht unterbunden
werden, da es Ausdruck der positiven Religionsfreiheit sei, erklärte die EZW am Dienstag
in Berlin. Allerdings sollte jeder Empfänger darüber aufgeklärt werden, wer hinter
der Aktion stecke. Vereine wie „Die wahre Religion“ oder „Einladung zum Paradies“
stünden „mit Recht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes“, so die EZW. Sie negierten
die grundlegenden Werte und Freiheitsrechte des säkularen Rechtsstaates und schadeten
der großen Mehrheit der Muslime.
Fundamentalismus und öffentliche Theologie
sind unvereinbar. Daran hat angesichts der Koran-Aktion der Salafisten in Deutschland
der Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern, Heinrich Bedford-Strohm,
erinnert. Ein Verbot der Aktion hält der Bischof für keine Lösung: „Aber aus religiöser
Sicht sage ich: Es genügt nicht, Bücher zu verteilen. Mission ist noch nicht gelungen,
wenn ein Buch seinen Besitzer gewechselt hat. Man kann auch die Bibel nicht bloß in
den Raum stellen oder sie zitieren; man muss sie interpretieren“, so Bedford-Strohm
im Gespräch mit der Zeit-Wochenbeilage „Christ und Welt“.
Vor einer Instrumentalisierung
des Koran hat der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD),
Aiman Mazyek, mit Blick auf die Aktion gewarnt. Grundsätzlich sei nichts dagegen einzuwenden,
den Koran „an Interessierte“ weiterzugeben, so Mazyek. „Aber vor dem Hintergrund vieler
Missverständnisse und Vorurteile gegenüber Muslimen werden unsere Bemühungen um einen
gesellschaftlichen Dialog dadurch konterkariert“, sagte der muslimische Vorsitzende
gegenüber der Zeitschrift „Christ und Welt“. Auch der Koordinationsrat (KRM)
der Muslime hatte bereits in der vergangenen Woche vor einer Instrumentalisierung
des heiligen Buches des Islam gewarnt. „Insbesondere ist zu hoffen, dass Einzelne
darin nicht eine werbewirksame Aktion für ihre Gruppe sehen“, erklärte die Dachorganisation
der großen Islamverbände am vergangenen am Freitag in Köln.