An Ostern sein Christsein
zeigen: Das ist für viele Christen auf der Welt nicht selbstverständlich. Ägypten
gehört spätestens seit dem arabischen Frühling zu den Ländern, in denen es zunehmend
Gewalt gegen Christen gibt und in dem die Kirchen in Unsicherheit leben; nicht zuletzt
hatte die Arabellion mit einem Angriff auf eine koptische Kirche begonnen. Im Augenblick
steht Ägypten vor Präsidentschaftswahlen, bei denen westliche Beobachter mit einem
Sieg des Kandidaten der Muslimbrüder rechnen. Dazu ist Papst Shenouda III., Oberhaupt
der koptisch-othodoxen Kirche und damit der Mehrheit der Christen im Land, vor einigen
Wochen verstorben. Joachim Schrödel ist Pfarrer der deutschsprachigen Gemeinde in
Kairo. Radio Vatikan hat ihn gefragt, wie sich Ostern unter diesen Umständen feiert.
„Unsere
koptischen Mitchristen feiern erst eine Woche nach uns, nach den Westchristen. Wir
sind jetzt gerade die kleine, kleine Minderheit von katholischen Christen, die in
dieser Woche feiern, wobei man noch korrekterweise dazu sagen muss, dass viele mit
Rom Unierten sich an den orthodoxen Kalender halten. Wie auch immer, wir sind natürlich
in einer sehr spannungsreichen Situation. Die Christen haben doch sehr stark Angst
vor der Zukunft und das hat sich in den letzten Monaten eher noch verstärkt. Die hoffnungsfrohe
Situation, die man normalerweise zu Ostern hat ist eher sehr gedämpft.“
Es
gibt einige Verwirrung um einen Präsidentschaftskandidaten, den der Muslimbrüder,
der aber trotzdem gewinnen wird. Ist Ägypten unsicher?
„Ich glaube noch
nicht einmal, dass dieser Präsidentschaftskandidat gewinnen wird, nur weil er aus
der Gruppierung kommt, die die meisten Stimmen bei der Parlamentswahl gehabt haben.
Wir haben zur Zeit, wir wissen es nicht genau, so etwa 15-20 Präsidentschaftskandidaten.
Der Termin ist das einzige, was wirklich feststeht. Die Situation ist im Moment leider
sehr chaotisch. Wir müssen feststellen, dass die Polizei quasi nicht mehr existent
auf den Straßen ist und auch die Sicherheit etwas zurückgegangen ist. Man hört immer
wieder von Überfällen. Es ist eine sehr unsichere, unschöne Zeit, wobei man einfach
sagen muss für alle Ägypter, unabhängig von der jeweiligen Religion, in der sie sind
und natürlich auch für alle Ausländer.“
Die orthodoxen Kopten haben ihren
Papst verloren, Schenuda III. ist gestorben. Wie werden sie dieses Jahr Ostern feiern?
„Zunächst
werden sie sicherlich hoffen, dass es keine Anschläge gibt. Man kann Klammern übrigens
bemerken, dass in den letzten Monaten wirklich Gott sei Dank keinerlei größere Auseinandersetzung
zwischen diesen beiden Religionen zu verzeichnen war. Die Kopten sind natürlich unsicher
über ihre eigene Zukunft, auch was die Kirche anbelangt. Nachdem Papst Schenuda III.
fast 40 Jahre regiert hat, ist es natürlich wirklich schwer einen entsprechenden Nachfolger
zu finden. Es werden Namen gehandelt, aber letztlich ist noch vieles im Unklaren.“
Sie
haben in einem Artikel online neulich geschrieben, dass Sie von Gebet umgeben seien.
Wie ist das für einen Christen in Ägypten die Gebetsrufe und die Frömmigkeit wahrzunehmen.
Ist das für Sie hilfreich auch für das Osterfest?
„Ich muss ehrlich sagen:
Ja! Wenn ich den Muezzin höre, und den hört man doch oft genug, dann verstehe ich
ja, was ersagt. Und er ruft dreimal aus: Gott ist größer! Dann sagt er, kommt zum
Gebet, kommt zum Dienst, zum Niederfallen. Ich glaube, es sind Ausrufe, die wir doch
auch beherzigen können, dass Gott immer größer ist, ist schließlich auch eine alte
christliche Deutung oder ein christlicher Ruf: Gott ist der größere, Deus semper major,
wie es so schön auf lateinisch heißt. Das passt schonmal eins zu eins und schließlich,
was noch dazu kommt, wir haben früher immer wieder regelmäßig gebetet. Nicht nur die
Priester, eben auch die Laien. Um 6 Uhr morgens und um mittags um zwölf hat die Glocke
geläutet und man betete den Engel des Herrn dann noch ein drittesmal um 18 Uhr. Ich
sage das immer meinen Christen hier, haltet mal kurz inne, wenn der Muezzin ruft und
sendet auch ein Gebet zum Himmel. Ich glaube viele machen das auch inzwischen, wenn
man dann eben erklärt, was da gerufen wird. Das wissen normalerweise sehr wenig Leute.“