„Wir haben
Hunger und Durst auf Gerechtigkeit und Frieden”: das sind die harten Worte, die der
lateinische Patriarch von Jerusalem, Fouad Twal, am Donnerstag während der Messe „in
coena Domini“ in Jerusalem ausgesprochen hat. „Wir träumen davon, ein normales Leben
zu führen; wir sind Gefangene des Hasses, des Misstrauens und der Angst des einen
vor dem anderen“, fuhr er fort mit der Erklärung, dass „Christus nach wie vor in den
Gliedern seines mystischen Körpers, dem wir uns jeden Tag gegenüber sehen, leidet“,
so der Patriarch. Die Menschen im Heiligen Land litten an mangelnder Freiheit und
Frieden, Repressalien jeder erdenklichen Art und sogar dem Martyrium. „Der eine den
anderen lieben“, das ist für den Patriarchen der Schlüssel für die gesamte Kar- und
Osterwoche. Das gelte insbesondere am Karfreitag, an dem wie jedes Jahr die Kollekte
für das Heilige Land stattfindet.
Franziskanerpater Pierbattista Pizzaballa,
der Kustos im Heiligen Land, hat mit Radio Vatikan über die Bedeutung der Kollekte
für die christliche Minderheit im Heiligen Land gesprochen.
„Der Tag der
Kollekte hat eine lange Tradition, er wurde um 1600 eingeführt. Insofern sind es bereits
400 Jahre in denen die Kirche auf der ganzen Welt jedes Jahr an die Nöte des Landstriches,
in dem Christus gelebt und gewirkt hat, denkt und diese Erinnerung bewahrt. Die Ziele
sind immer die gleichen: Die Bewahrung der Heiligen Stätten, die Aufnahme der Pilger,
aber vor allem die Unterstützung der christlichen Gemeinde beim Hausbau, bei der Schaffung
von Arbeitsstellen, und bei vielen anderen Aktivitäten die die kleine und fragile
christliche Gemeinde unterstützen.“
Auf die Frage, mit welchem Gebet die
Gläubigen im Heiligen Land auf die ständigen Schwankungen zwischen Hoffen und Bangen
im Friedensprozess reagieren können, antwortet Pizzaballa:
„Diese Schwankungen
und Spannungen, die kommen und gehen, sind keine Neuigkeit. Deshalb sind sie gewissermaßen
ein Teil der Identität von denjenigen, die hier leben. Das Gebet muss immer das gleiche
sein, dem Herren zugewandt, das dir dann aber auch die Augen öffne für die interreligiösen
und zwischenmenschlichen Beziehungen. Ich denke, dass die Christen, die hier sehr
wenige sind, nur gut ein Prozent der Bevölkerung, genau diese Mission haben: die Augen
offenhalten und besonders die Beziehungen allen gegenüber offen halten.“
Besonders
im Hinblick auf das höchste kirchliche Fest liegt es dem Kustos am Herzen, an die
Bedeutung des Heiligen Landes zu erinnern:
„Besonders Ostern erinnert daran,
dass das Christentum Menschwerdung ist. Wir glauben an eine historische Enthüllung:
Christus ist keine Theorie, er ist eine Person, fleischgeworden, und hier geboren,
gestorben und auferstanden. Deshalb ist es kein Akt der Devotion, diese Erde anzusehen
und sich ihrer zu erinnern, sondern ein unablässiger Aspekt für unseren Glauben.“
Die
Festlichkeiten haben im Heiligen Land aufgrund ihrer territorialen Bindung eine besondere
Bedeutung, so der Kustos:
„Sie sind einzigartig und sehr verschieden davon,
was man im Rest der Welt macht, denn man lebt natürlich die Erinnerung des Todes und
der Auferstehung Christi mit Feierlichkeiten, die an den Orten stattfinden, an denen
dies geschehen ist, mit einer tausendjährigen Tradition die eine immer schönere und
anrührendere Bedeutung hat.“ Der Kustos hat sich am Rande der Osterfeierlichkeiten
aber auch kritisch zum Verhalten einiger syrischer Kirchenführer, darunter nicht zuletzt
der syrisch-melkitische Patriarch Gregorios III Laham, geäußert. „Das ist eine verständliche
Politik. Aber ohne jede Hoffnung auf Erfolg, denn, ob es uns gefällt oder nicht, das
syrische Regime hat keine Zukunft.“ So kommentierte Pizzaballa die Entscheidung der
Kirchenführer, den Status-Quo beizubehalten und das syrische Regime und seinen Präsidenten
Assad weiterhin zu unterstützen. „Auch wenn wir es nicht so nennen, in Syrien herrscht
Bürgerkrieg, und die Christen befinden sich in einer schwierigen Lage zwischen der
Regierung, die sie immer unterstützt hat, und der Opposition.“ Der Kustos berichtet
weiter, dass die Christen Homs mittlerweile verlassen hätten und dass es praktisch
unmöglich sei, gesicherte Nachrichten aus dem arabischen Land zu erhalten. Er sei
aber gegen eine militärische Intervention, da die Beispiele Irak und Afghanistan gezeigt
haben, welche negativen Konsequenzen eine solche mit sich bringe. (rv 06.04.2012
cs)