2012-04-06 10:06:55

Heiliges Land: Gefangene des Hasses


RealAudioMP3 Wir haben Hunger und Durst auf Gerechtigkeit und Frieden”: das sind die harten Worte, die der lateinische Patriarch von Jerusalem, Fouad Twal, am Donnerstag während der Messe „in coena Domini“ in Jerusalem ausgesprochen hat. „Wir träumen davon, ein normales Leben zu führen; wir sind Gefangene des Hasses, des Misstrauens und der Angst des einen vor dem anderen“, fuhr er fort mit der Erklärung, dass „Christus nach wie vor in den Gliedern seines mystischen Körpers, dem wir uns jeden Tag gegenüber sehen, leidet“, so der Patriarch. Die Menschen im Heiligen Land litten an mangelnder Freiheit und Frieden, Repressalien jeder erdenklichen Art und sogar dem Martyrium. „Der eine den anderen lieben“, das ist für den Patriarchen der Schlüssel für die gesamte Kar- und Osterwoche. Das gelte insbesondere am Karfreitag, an dem wie jedes Jahr die Kollekte für das Heilige Land stattfindet.

Franziskanerpater Pierbattista Pizzaballa, der Kustos im Heiligen Land, hat mit Radio Vatikan über die Bedeutung der Kollekte für die christliche Minderheit im Heiligen Land gesprochen.

„Der Tag der Kollekte hat eine lange Tradition, er wurde um 1600 eingeführt. Insofern sind es bereits 400 Jahre in denen die Kirche auf der ganzen Welt jedes Jahr an die Nöte des Landstriches, in dem Christus gelebt und gewirkt hat, denkt und diese Erinnerung bewahrt. Die Ziele sind immer die gleichen: Die Bewahrung der Heiligen Stätten, die Aufnahme der Pilger, aber vor allem die Unterstützung der christlichen Gemeinde beim Hausbau, bei der Schaffung von Arbeitsstellen, und bei vielen anderen Aktivitäten die die kleine und fragile christliche Gemeinde unterstützen.“

Auf die Frage, mit welchem Gebet die Gläubigen im Heiligen Land auf die ständigen Schwankungen zwischen Hoffen und Bangen im Friedensprozess reagieren können, antwortet Pizzaballa:

„Diese Schwankungen und Spannungen, die kommen und gehen, sind keine Neuigkeit. Deshalb sind sie gewissermaßen ein Teil der Identität von denjenigen, die hier leben. Das Gebet muss immer das gleiche sein, dem Herren zugewandt, das dir dann aber auch die Augen öffne für die interreligiösen und zwischenmenschlichen Beziehungen. Ich denke, dass die Christen, die hier sehr wenige sind, nur gut ein Prozent der Bevölkerung, genau diese Mission haben: die Augen offenhalten und besonders die Beziehungen allen gegenüber offen halten.“

Besonders im Hinblick auf das höchste kirchliche Fest liegt es dem Kustos am Herzen, an die Bedeutung des Heiligen Landes zu erinnern:

„Besonders Ostern erinnert daran, dass das Christentum Menschwerdung ist. Wir glauben an eine historische Enthüllung: Christus ist keine Theorie, er ist eine Person, fleischgeworden, und hier geboren, gestorben und auferstanden. Deshalb ist es kein Akt der Devotion, diese Erde anzusehen und sich ihrer zu erinnern, sondern ein unablässiger Aspekt für unseren Glauben.“

Die Festlichkeiten haben im Heiligen Land aufgrund ihrer territorialen Bindung eine besondere Bedeutung, so der Kustos:

„Sie sind einzigartig und sehr verschieden davon, was man im Rest der Welt macht, denn man lebt natürlich die Erinnerung des Todes und der Auferstehung Christi mit Feierlichkeiten, die an den Orten stattfinden, an denen dies geschehen ist, mit einer tausendjährigen Tradition die eine immer schönere und anrührendere Bedeutung hat.“
Der Kustos hat sich am Rande der Osterfeierlichkeiten aber auch kritisch zum Verhalten einiger syrischer Kirchenführer, darunter nicht zuletzt der syrisch-melkitische Patriarch Gregorios III Laham, geäußert. „Das ist eine verständliche Politik. Aber ohne jede Hoffnung auf Erfolg, denn, ob es uns gefällt oder nicht, das syrische Regime hat keine Zukunft.“ So kommentierte Pizzaballa die Entscheidung der Kirchenführer, den Status-Quo beizubehalten und das syrische Regime und seinen Präsidenten Assad weiterhin zu unterstützen. „Auch wenn wir es nicht so nennen, in Syrien herrscht Bürgerkrieg, und die Christen befinden sich in einer schwierigen Lage zwischen der Regierung, die sie immer unterstützt hat, und der Opposition.“ Der Kustos berichtet weiter, dass die Christen Homs mittlerweile verlassen hätten und dass es praktisch unmöglich sei, gesicherte Nachrichten aus dem arabischen Land zu erhalten. Er sei aber gegen eine militärische Intervention, da die Beispiele Irak und Afghanistan gezeigt haben, welche negativen Konsequenzen eine solche mit sich bringe.
(rv 06.04.2012 cs)







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