Was bleibt von der
Papstreise nach Kuba? Eine erste Antwort gibt der „Außenminister“ des Vatikans: „In
Kuba sieht man allmählich, dass eine Öffnung auf dem Gebiet der Religionsfreiheit
eine solide Basis für die Rechte künftiger Generationen sein könnte.“ Das sagte Erzbischof
Dominique Mamberti, der Verantwortliche des Staatssekretariats für die Beziehungen
zu den Staaten, auf einem Kongress in Rom. Während der Papstreise durch Mexiko und
Kuba in den letzten Tagen habe ihn die „echte Religiosität“ der Menschen beeindruckt.
„Es war eine persönliche, direkte Begegnung des Papstes mit dem kubanischen
und, zuvor schon, mit dem mexikanischen Volk“: So formuliert Vatikansprecher Federico
Lombardi in einem Editorial für Radio Vatikan an diesem Freitag. „Das ist wohl das
Wichtigste an der gerade beendeten Reise. Millionen von Katholiken auf dem amerikanischen
Kontinent sehen jetzt die Aufmerksamkeit dieses Pontifikates für ihre Belange bestätigt
und gestärkt. Der Papst hat die Kirche in beiden Ländern deutlich ermuntert, hat für
sie mehr Freiraum in der Öffentlichkeit und mehr Religionsfreiheit gefordert, nicht
als Privileg, sondern damit sie einen Dienst am Gemeinwohl leisten können. Den vor
allem spirituellen Charakter der Reise haben wir verstanden, als wir Benedikt XVI.
als Pilger bei der Jungfrau der Barmherzigkeit von Cobre gesehen haben.“
Natürlich
werde es weiterhin Stimmen geben, die beklagen, dass der Papst nicht mit kubanischen
Dissidenten (oder bei der ersten Etappe seiner Reise in Mexiko mit Missbrauchsopfern)
zusammengetroffen ist, so der Jesuitenpater Lombardi. Er gibt aber zu bedenken: „Der
Papst kann nicht immer alles machen, was er gerne täte, dazu ist so eine Reise zu
kurz! Aber wer ihm zuhört, versteht seinen Geist und seine Absichten, und wer ihn
verfolgt, kann seine Kohärenz und auch den Mut seiner Botschaften erkennen. Die wahre
große Begegnung, die mit dem Volk, hat stattgefunden, und sie war spontan und ehrlich.“
„Ich
glaube, wir sollten unterscheiden zwischen einem Besuch, wie zum Beispiel UNO-Generalsekretär
Ban Ki-Moon oder Angela Merkel aus Deutschland ihn durchführen, mit einer klaren politischen
Tagesordnung, und einem Pastoralbesuch, wie ihn der Papst antritt.“ Das sagt der emeritierte
Bischof Luis del Castillo Estrada aus Uruguay. Der Jesuit arbeitet jetzt als Gemeindepfarrer
auf Kuba. „Der Papst zielt auf die Erneuerung von Menschen und Gemeinschaften, aus
der sich eventuell einmal eine Änderung auch der politischen Lage ergeben könnte –
aber wir haben wir da nicht einfach eine politische Reise mit politischen Meetings.
Das müssen wir sehr klar sehen. Ein Papstbesuch hat keine Sofort-Agenda, er ist eine
geistliche Pilgerfahrt und will erreichen, dass sich die Menschen bekehren und stärker
mit der Botschaft Jesu identifizieren.“
Diese Identifikation ist jetzt schon
sehr hoch, glaubt der Kubaner Gustavo Andújar, der für das Erzbistum Havanna arbeitet
und Vizepräsident des katholischen Weltmedienverbands Signis ist. Er weiß zwar, dass
von den ca. sechzig Prozent der Bevölkerung, die auf dem Papier Katholiken sind, nur
verschwindend wenige auch wirklich ihren Glauben praktizieren. Aber er sagt: „Die
Kubaner schätzen die Botschaft der Kirche hoch ein: Sie wissen, dass sie mit dem Guten
und mit Wahrheit zu tun hat. Die Menschen auf Kuba fühlen eine tiefe Sehnsucht nach
Versöhnung, Frieden und Gerechtigkeit, und sie haben den Eindruck, dass es auch der
Kirche darum geht. Deshalb haben sie den Papst so respektvoll empfangen und so genau
hingehört: Die Botschaft der Kirche ist den Kubanern wirklich wichtig.“
Aber
Bischof Luis del Castillo mahnt zur Vorsicht: „Ich glaube nicht, dass sie alle seine
Worte in ihrer Tragweite verstanden haben. Seine Botschaften waren diesmal besonders
kurz und verdichtet; die Kirche sollte den Kubanern durch Katechesen die Papstbotschaft
in den nächsten Monaten noch einmal durchbuchstabieren.“
Die USA mit ihrer
„Politik der Feindschaft und Subversion gegen Kuba“ seien „die großen Verlierer der
Papstreise“: Das behauptet die digitale Zeitschrift „Cubahora“ in einem Editorial,
das auch von der Regierungs-Webseite Cubadebate aufgenommen wird. „Die Bilder von
hunderttausenden ausgelassenen, aber auch respektvollen Kubaner bei den Auftritten
des Papstes haben die Versuche der US-Regierung, die Insel zu dämonisieren, hinweggefegt“,
so die Lesart des Regimes. Während die USA mit ihrer Politik in Lateinamerika isoliert
dastünden, suche die Kirche den Dialog. Was sind die Hausaufgaben, die der Papst dem
kubanischen Regime aufgegeben hat, Bischof del Castillo?
„In Kuba ist der private
Sektor praktisch inexistent. Es gibt darum auch keine wirkliche Möglichkeit für Christen,
als Laien in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft aktiv zu werden, so wie es sich
das Zweite Vatikanische Konzil eigentlich vorgestellt hat. Der Papst hofft offenbar
darauf, dass die Regierung jetzt mehr Teilnahme der Christen in der Gesellschaft erlaubt,
dass sie auch das große Potential von Freiwilligenarbeit und von engagierten jungen
Leuten für Arme und Kranke sieht. Dazu braucht es aber nicht nur größere Akzeptanz
seitens der kubanischen Regierung, sondern auch noch mehr Einsatz seitens der Christen
selbst!“
In Washington hat ein Sprecher des Außenministeriums die Papstreise
durch Kuba begrüßt. Papst Benedikt habe die Gelegenheit genutzt, „der kubanischen
Regierung eine Botschaft der Religionsfreiheit zu übermitteln“. Der Sprecher verteidigte
aber das US-Embargo gegen Kuba, das Benedikt XVI. kritisiert hatte. Die seit genau
fünfzig Jahren bestehenden Sanktionen dienten letztlich einer Verbesserung der Beziehungen
zwischen dem amerikanischen und dem kubanischen Volk.
Das Zusammentreffen von
Kubas Revolutionsführer Fidel Castro und Papst Benedikt XVI. bestimmte am Donnerstag
die Schlagzeilen der lateinamerikanischen Medien. Durchweg auf Titelseiten der führenden
Tageszeitungen des Kontinents ist ein Foto des halbstündigen Gespräches in der Nuntiatur
von Havanna vom Mittwoch (Ortszeit) zu sehen. Das kubanische Parteiorgan „Granma“
sieht in der Zusammenkunft eine nachhaltige Wirkung für eine Zusammenarbeit zwischen
Kirche und Staat: „Stützendes Treffen zwischen Fidel und Papst Benedikt XVI.“, schreibt
das Blatt. Auch den Freiluftgottesdienst auf dem Platz der Revolution wertete „Granma“
als einen Erfolg.
Die kolumbianische Tageszeitung „El Tiempo“ überschreibt
das Bild des Zusammentreffens mit der Schlagzeile: „Der Papst des Kommunismus und
der Papst des Katholizismus“. Die Zeitung „El Espectador“, ebenfalls aus Kolumbien,
kommentierte, dem Papst sei es gelungen, aus dem „Platz der Revolution“ einen „Platz
der Religion“ zu machen. „El Nacional“ aus Caracas in Venezuela stellt fest: „Für
den Papst benötigt Kuba Veränderungen“. Die mexikanische Zeitung „El Universal“ fasst
die päpstlichen Kernaussagen in Kuba so zusammen: „Mehr Freiheiten und ein Ende des
Embargos fordert der Papst“. Das chilenische Blatt „La Trecera“ kommentiert: „Der
Papst schiebt Kritiken beiseite und trifft sich mit Fidel Castro“ und zitiert Benedikt
XVI.: „Kuba und die Welt brauchen Veränderungen.“
Die in der Exilkubaner-Hochburg
Miami erscheinende US-Tageszeitung „El nuevo Herald“ schreibt: „Der Papst fordert,
dass in Kuba fundamentale Freiheiten gewährt werden“. In einer Hintergrundreportage
lässt das Blatt kubanische Einwanderer zu Wort kommen: „Exilkubaner hoffen, dass die
Reise des Papstes Kuba verändert.“ Die in Kuba illegale, aber vom Regime geduldete
Kubanische Menschenrechtskommission erklärte, die Sicherheitsbehörden hätten vor dem
Papstbesuch etwa 150 Dissidenten präventiv festgenommen, um Demonstrationen zu verhindern;
„einige“ davon seien immer noch nicht wieder auf freiem Fuß. Großer Gewinner der Papstreise
sei das Regime, so der Leiter des Verbands, Elizardo Sanchez. Was die Grundrechte
der Kubaner angehe, werde die Reise „praktisch keine Auswirkungen haben“. Die Botschaften
Benedikts seien „sehr vorsichtig“ gewesen, „um das Regime nicht zu stören“. Sanchez
wörtlich: „Es ist deutlich, dass die katholische Kirche und der Vatikan versuchen,
ihre Beziehungen zum Regime beizubehalten und noch zu verbessern.“