2012-03-27 01:56:15

Erste Papstmesse auf Kuba: „Christen treten friedlich für bessere Gesellschaft ein“


RealAudioMP3 Papst Benedikt XVI. hat in Santiago de Cuba seine erste große Messe auf kubanischem Boden gefeiert. Dabei erinnerte er an die wundersame Auffindung des berühmtesten Mariengnadenbilds auf der Insel: Die hölzerne Darstellung „Unserer Lieben Frau von der Barmherzigkeit“ von Cobre ist der Legende nach vor vierhundert Jahren, im Jahr 1606, von drei Fischern (zwei Indios und einem farbigen Sklaven) aus dem Meer gefischt worden. In seiner ersten öffentlichen Predigt in einem kommunistisch geführten Staat warnte der Papst davor, Gott aus der Gesellschaft zu verdrängen, und erinnerte an die Würde jedes menschlichen Lebens. Die Christen sollten sich friedlich für eine bessere Gesellschaft engagieren.

Der Papst kam aus Mexiko; am Montagmorgen Ortszeit (in Rom war es da schon Nachmittag) war er von Guanajuato, der Hauptstadt des Bundesstaats mit der höchsten Zahl an Katholiken von ganz Mexiko, nach Santiago de Cuba geflogen. Am Dienstagmorgen Ortszeit will er die Wallfahrtskirche der „Virgen de la Caridad del Cobre“ besuchen, bevor er in die Hauptstadt Havanna weiterreist. Die Messe Benedikts XVI. fand auf der „Plaza Antonio Maceo“ in Santiago statt, benannt nach einem berühmten Freiheitskämpfer des 19. Jahrhunderts. Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. hatte bei seiner historischen Kubavisite im Jahr 1998 ebenfalls Santiago de Cuba besucht und dort die Messe gefeiert.


„Wer sich von Gott entfernt, verliert sich selbst“

Die Predigt des Papstes hatte vor allem eine marianische Note: einerseits wegen des Festes Verkündigung Mariens, dem die liturgischen Texte der Messfeier entstammten, andererseits wegen der Anwesenheit des Gnadenbilds von Cobre auf dem Platz. Immanuel, der verheißene „Gott mit uns“, sei durch Maria in die menschliche Geschichte eingetreten und habe sein Zelt unter den Menschen aufgeschlagen. Dadurch habe sich das tiefste Streben des Menschen, aus der Welt wirklich eine Heimstatt des Menschlichen zu machen, erfüllt. Und der Papst fuhr fort:


„Umgekehrt verwandelt sich die Welt, wenn Gott aus ihr ausgeschlossen wird, in einen für den Menschen unwirtlichen Ort und vereitelt zugleich die wahre Berufung der Schöpfung, nämlich Raum zu sein für den Bund, für das ,Ja‘ der Liebe zwischen Gott und der Menschheit, die ihm antwortet.“


Die Verkündigung der Geburt Jesu an Maria zeige, dass Gott bei seinem Eintreten in die Welt auf das freie Ja seines Geschöpfes gesetzt habe. Erst durch Marias Ja an den Engel sei der Weg freigeworden dafür, dass das ewige Wort des Vaters Mensch werden konnte. Bei näherem Hinsehen, so Benedikt XVI., gebe es allerdings ein doppeltes Ja: Das Ja Jesu und das Ja Mariens.


„Gott hat uns (…) als Frucht seiner unendlichen Liebe erschaffen. Gemäß seinem Willen zu leben, ist deshalb der Weg, um unsere eigene Identität, die Wahrheit unseres Seins zu finden, während das Sich-Trennen von Gott uns von uns selbst entfernt und uns in die Leere stürzt. Der Glaubensgehorsam ist die wahre Freiheit die echte Erlösung, die uns erlaubt, uns mit der Liebe Jesu zu verbinden in seinem Bemühen, in den Willen des Vaters einzustimmen.“

Benedikt: Unvergleichliche Würde jedes menschlichen Lebens


Benedikt XVI. ging dann auf den Einsatz der Kubaner im Glaubensleben ein:


„Ich weiß, mit wie viel Anstrengung, Mut und Verzicht ihr tagtäglich dafür arbeitet, damit unter den konkreten Umständen eures Landes und in diesem Augenblick der Geschichte die Kirche immer mehr ihr wahres Gesicht als Ort zeigt, an dem sich Gott den Menschen nähert und ihnen begegnet.“


Maria sei „Abbild und Modell der Kirche“; wie Maria trage die Kirche das Geheimnis Gottes in sich. Ihre Aufgabe sei es, auf der Erde die rettende Anwesenheit Gottes zu verlängern und die Welt auf etwas hin zu öffnen, was größer sei als sie selbst: auf die Liebe und das Licht Gottes nämlich. Der Papst ermutigte die Kubaner hier, angesichts der bevorstehenden Kar- und Ostertage, Jesus auf seinem Kreuzweg nachzufolgen und alle Widrigkeiten in Geduld und Glauben zu ertragen: Jesus habe mit seiner Auferstehung die Macht des Bösen gebrochen und einer neuen Welt, der Welt Gottes und der Wahrheit, zum Durchbruch verholfen.


Das Geheimnis der Menschwerdung Gottes, so fuhr der Papst fort, zeige uns die unvergleichliche Würde jedes menschlichen Lebens. Gott habe der (auf die Ehe gegründeten) Familie die Mission anvertraut, Keimzelle der Gesellschaft und wahre „Hauskirche“ zu sein. Der Papst rief Eheleute dazu auf, sichtbares Zeichen der Liebe Christi zu seiner Kirche zu sein:


„In dieser Gewissheit sollte ihr, liebe Eheleute, – in besonderer Weise für eure Kinder – wahres und sichtbares Zeichen für die Liebe Christi zu seiner Kirche sein. Kuba braucht das Zeugnis eurer Treue, eurer Einheit, eurer Fähigkeit, das menschliche – besonders das schutzloseste und bedürftigste – Leben aufzunehmen.“



Erzbischof: „Wir verbitten uns Einmischungen von außen“

Wie schon bei seiner großen Messfeier im mexikanischen León rief Benedikt XVI. auch in Santiago de Cuba Katholiken dazu auf, sich nicht mit einem oberflächlichen Glauben zufriedenzugeben. Die Kubaner sollten ihrem Glauben wieder stärkere Kraft geben – und sich, mit den „Waffen“ des Friedens, des Verzeihens und des Verständnisses gerüstet, für den Aufbau einer offenen und erneuerten, einer „besseren Gesellschaft“ engagieren, die noch menschenwürdiger sei und die Güte Gottes noch besser wiederspiegle.


Der Erzbischof von Santiago, Dionisio García Ibanez, wies den Papst in einer Begrüßungsansprache auf einige Eigenheiten der Kubaner hin: „Als der größte Teil der Völker im spanischsprachigen Amerika schon seine Unabhängigkeit errungen hatte, begann bei uns Kubanern überhaupt erst der Prozess, dass wir uns bewußt wurden, eine Nation zu sein. Wir sind ein Mestizenvolk: mit verschiedenen Kulturen und Herkünften, in rassischer, sozialer und kultureller Hinsicht vermischt.“ Kubaner seien stolz auf ihre Insel und verbäten sich „jedwede äußere Einmischung in unsere Angelegenheiten“. Gleichzeitig träten sie dafür ein, dass „alle Barrieren, die die Kubaner voneinander trennen, eingerissen werden“. Der Erzbischof des ältesten kubanischen Bistums beklagte „die Unfähigkeit, den anderen zu respektieren und mit ihm in einen Dialog zu treten“.


Benedikts Predigt in Santiago hatte deutlich eine geistliche, nicht so sehr eine politische Hintergrundfärbung. Politisch deutlicher hatte sich der Papst zuvor bei seiner Ankunft in Santiago de Cuba geäußert. Sein Vorgänger Johannes Paul habe 1998 mit seiner Kubavisite für „frischen Wind“ in der Kirche vor Ort gesorgt und eine „neue Phase“ in den Beziehungen zwischen Staat und Kirche eingeleitet. Daraus seien stärkere Zusammenarbeit und Vertrauen erwachsen, doch bleibe noch viel zu tun, vor allem was eine sichtbare Rolle der Religion in der Öffentlichkeit angehe. Kuba müsse in diesem wichtigen Moment seiner Geschichte an seine Zukunft denken und seine Horizonte erweitern. Er bitte die Muttergottes von Cobre für Gerechtigkeit, Frieden, Freiheit und Versöhnung in Kuba.


Die Muttergottes von Cobre ist „Patronin Kubas“ und bedeutet nicht nur den Katholiken auf der Insel viel. 1801 wurde vor ihrer Statue das „Manifest für die Freiheit der Sklaven in den Minen von Cobre“ verlesen. In letzten Monaten ist ihre Statue, von Tausenden von Pilgern begleitet, durch zahlreiche Orte Kubas gereist. Benedikt XVI. ehrte sie im Lauf der Messfeier mit einer „Goldenen Rose“.



(rv 27.03.2012 sk/pr)








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